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Regierungserklärung
Merkel erklärt die großen Koalitionsziele

Bei ihrem Auftritt im Bundestag hat Angela Merkel die Verantwortung Deutschlands für Europa betont. Die Finanzkrise sei unter Kontrolle, aber nicht überwunden. Die Opposition kritisierte das Regierungsprogramm. Grünen-Politiker Hofreiter sprach von einer "Verwaltung des Stillstandes".

    Es war das erste Mal, das im Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung im Sitzen vorgetragen wurde. Der Rest war mehr oder wenige Routine: Sechs Wochen nach dem Start der Großen Koalition erläuterte Angela Merkel die Schwerpunkte ihrer Regierungsarbeit - lobte die eigene politische Arbeit und betonte die Rolle Deutschlands in der Welt. In Europa sei Deutschland "Wachstumsmotor" und "Stabilitätsanker".
    "Wir tragen maßgeblich dazu bei, dass die europäische Staatsschuldenkrise überwunden werden kann", sagte sie. Das liege ganz besonders am guten Zusammenspiel der Sozialpartner, zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. "Die soziale Marktwirtschaft ist unser Kompass." Deutschland gehe es so gut wie lange nicht mehr. Es gebe die höchste Beschäftigung seit der Wiedervereinigung.
    Merkel will Finanzmärkte regulieren
    Doch auch in einer Sozialen Marktwirtschaft sei der Staat "der Hüter der Ordnung", deshalb werde die Bundesregierung auf Fortschritte bei der Regulierung der Finanzmärkte drängen. "Wer ein Risiko eingeht, der haftet auch für die Verluste. Und nicht mehr der Steuerzahler", sagte Merkel. Deshalb müssten Finanzakteure durch eine Finanztransaktionssteuer zur Verantwortung gezogen werden. Die Politik habe den Menschen versprochen, dass sich eine verheerende weltweite Finanzkrise wie 2008/2009 nicht wiederhole.
    Eine Vorreiterrolle Deutschlands sieht Merkel auch beim Thema Energiewende, die sie als "Herkulesaufgabe" bezeichnete. Die Welt schaue mit einer Mischung aus Neugier und Skepsis auf das Projekt. "Wenn sie uns gelingt, dann wird sie, davon bin ich überzeugt, zu einem weiteren deutschen Exportschlager."
    Bis zum Sommer, kündigte Merkel an, werde die Bundesregierung Vorschläge vorlegen, wie die Verhandlungen über eine Neuregelung des Bund-Länder-Finanzausgleichs angelegt werden können. Die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden müssten künftig klarere Zuständigkeiten erhalten.
    Das Gespräch mit den USA suchen
    Weiter verteidigte Merkel die Rentenpläne der Großen Koalition. Schon bei der Einführung der Rente mit 67 sei eine vorzeitige Rente nach 45 Beitragsjahren berücksichtigt worden. Jetzt werde dies modifiziert. Das Kabinett hatte zuvor die Rentenpläne von Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) gebilligt. Bei der Zuwanderung muss nach Ansicht der Kanzlerin rechtlich geklärt werden, wer aus Europa unter welchen Bedingungen Anspruch auf deutsche Sozialleistungen hat.
    In der Geheimdienstaffäre kritisierte Merkel, "dass sich unsere engsten Verbündeten Zugang zu allen Daten verschaffen". Dies sei nicht richtig und verletzte das Vertrauen. Am Ende stehet nicht mehr, sondern weniger Sicherheit. Es dürfe aber nicht ein Ende der deutsch-amerikanischen Partnerschaft zur Folge haben, denn diese bleibe "von überragender Bedeutung" für Deutschland. Merkel kündigte an, weiterhin das Gespräch mit den Verantwortlichen zu suchen, dabei setze sie auf die "Kraft unserer Argumente".
    Gysi: Gesellschaft hat ein Recht auf Opposition
    Linke und Grüne, die zusammen nicht einmal ein Fünftel der Abgeordneten haben und damit die seit Jahrzehnten kleinste Opposition stellen, nutzten die Aussprache zu umfangreicher Kritik: Merkels Regierungserklärung habe in "weiten Teilen nichts mit der Realität" zu tun gehabt, erklärte der Vorsitzende der Linksfraktion, Gregor Gysi. Er kritisierte die zentralen Vorhaben der Regierung und warf der Kanzlerin vor, vor allem im sozialen Bereich Illusionen zu wecken. Unter Altkanzler Helmut Kohl sei die Marktwirtschaft weit sozialer gewesen, als es heute der Fall sei. Die jetzige Regierung wolle viel zu wenig verändern. "Wir werden später Stillstand und dann Herumwurstelei erleben", prophezeite Gysi.
    Konkret prangerte Gysi etwa die Mütterrente an, die Unterschiede für Ost und West vorsehe. 25 Jahre nach dem Fall der Mauer sei dies indiskutabel und ungerecht. Bei der Energiewende sieht der Linke-Politiker die Gefahr, dass der ärmere Teil der Bevölkerung auf der Strecke bleibe. In der NSA-Affäre warf er Merkel "Unterwürfigkeit gegenüber den USA" vor.
    Gysi hatte zuvor die zu geringe Redezeit für die Opposition kritisiert. Der Fraktionsvorsitzende der Linken sagte im Deutschlandfunk, die Gesellschaft habe ein Recht auf Opposition. Bundestagsdebatten dürften "doch nicht langweilig" werden, Gysi forderte deshalb, "das Prinzip Rede und Gegenrede einigermaßen aufrecht zu halten".
    Grüne werfen Regierung Versagen bei Energiewende vor
    Auch der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, übte heftige Kritik an Merkels Regierungserklärung. "Masse macht noch keine Klasse", warnte er. Das Regierungsprogramm sei lediglich eine "Verwaltung des Stillstandes".
    Er warf der Koalition Versagen bei der Energiewende vor. Statt auf Klimaschutz setze Schwarz-rot wieder auf Kohleenergie. Von der "Klima-Kanzlerin", als die Merkel sich früher inszeniert habe, sei nichts mehr übrig. Deutschland müsse aber wieder Vorreiter beim Klimaschutz werden. Trotz seiner Kritik bot er der Regierung erneut eine Zusammenarbeit bei der Umsetzung der Energiewende an.
    In Hinblick auf die Außenpolitik der Großen Koalition warnte Hofreiter, Europa dürfe nicht nur verwaltet, sondern müsse auch gestaltet werden. Er forderte auch einen stärkeren Einsatz für eine Beilegung der Krise in der Ukraine.