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Regierungskonsultationen
"Es gibt immer mehr offene Konfliktpunkte mit China"

Die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Peking seien eine sehr schwierige Reise für Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Minister, sagte Björn Conrad vom Mercator Institut für China-Studien im DLF. Denn die Chinesen hätten hohe Erwartungen daran, während auf deutscher Seite die Frage gestellt werde, wie sinnvoll die Kooperation überhaupt sei.

Björn Conrad im Gespräch mit Peter Kapern | 13.06.2016
    Bundeskanzlerin Angela Merkel wird durch den Ministerpräsidenten der Volksrepublik China, Li Keqiang, in der Großen Halle des Volkes in Peking mit militärischen Ehren begrüßt.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel wird durch den Ministerpräsidenten der Volksrepublik China, Li Keqiang, in der Großen Halle des Volkes in Peking mit militärischen Ehren begrüßt. (dpa-Bildfunk / Rainer Jensen)
    Conrad sagte weiter, für China habe es einen hohen symbolischen Wert, auf eine Stufe mit Industrienationen wie Deutschland gestellt zu werden. Allerdings funktioniere die Marktwirtschaft in dem kommunistischen Land ganz anders. Deshalb gebe es auf der deutschen Seite große Skepsis. "Es gibt immer mehr offene Konfliktpunkte mit der chinesischen Seite, die sich nicht einfach wegwünschen lassen." Diese gelte es auch offen anzusprechen.
    Für Deutschland sei die Situation schwierig: "Es gibt immer noch viele Branchen und Unternehmen, die in China hervorragende Geschäfte machen." Das gelte beispielsweise für die Hochtechnologie. Diese Konzerne seien dafür, alles so wie bisher weiterlaufen zu lassen. Andere hingegen hätten durch die Abschottung keine Chancen auf dem chinesischen Markt. "Da herrscht ein mittlerweise sehr harscher Wind." Deutschland müsse diese unterschiedlichen Interessen abwägen.

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Peter Kapern: Früher war das ja so bei deutsch-chinesischen Regierungstreffen: Da wurden Milliarden-Verträge unterzeichnet und anschließend musste sich der deutsche Regierungschef fragen lassen, ob er auch die Menschenrechtsverletzungen ausreichend deutlich angesprochen habe. Und dann hat Helmut Schmidt den Menschenrechtsdialog für Blödsinn erklärt. Heute sind die Dinge komplizierter: Nicht nur, dass Helmut Schmidt nicht mehr lebt; die beiden Volkswirtschaften kooperieren immer stärker miteinander. Gleichzeitig scheinen aber die damit verbundenen Probleme und Verstimmungen auch immer größer zu werden. Beide Seiten, die deutsche wie die chinesische, sprachen vor den Regierungskonsultationen, die in Peking laufen, von einem Handelskrieg. Peking drohte damit, Berlin beteuerte, es gelte ihn zu verhindern.
    - In Berlin Björn Conrad, Vizedirektor des Mercator-Instituts. Guten Morgen.
    Björn Conrad: Guten Morgen.
    Kapern: Herr Conrad, wer so vom Handelskrieg redet, der kann doch nicht von einer wirklich gut funktionierenden Partnerschaft ausgehen. Was ist da los, was ist der Kern der Verstimmungen?
    Conrad: Ja, in der Tat, die Regierungskonsultationen jetzt in den nächsten Tagen ist sicherlich eine sehr, sehr schwierige Reise für die Kanzlerin und die Minister. Es gibt immer mehr offene Konfliktpunkte mit der chinesischen Seite, die sich nicht mehr einfach wegwünschen lassen und die es auch offen anzusprechen gilt. Auf der chinesischen Seite gibt es ja sehr hohe Erwartungen an die Kooperation mit Deutschland und auf der deutschen Seite große Zögerlichkeiten und Skepsis, inwieweit diese Kooperation tatsächlich noch sinnvoll und gewinnbringend für die deutsche Seite ist.
    Kapern: Fangen wir mal mit Pekings größtem Wunsch an. China soll als Marktwirtschaft anerkannt werden, endlich, Deutschland soll das unterstützen innerhalb der EU. Warum ist das so wichtig für China?
    Conrad: Für China hat das erst mal einen ganz großen symbolischen Wert, dass man hier auf eine Stufe gestellt wird mit den großen Industrienationen, dass einem der Marktwirtschaftsstatus auch ganz offiziell anerkannt wird. Und die Chinesen sehen das als ihr gutes Recht an. Im Rest der Welt sieht man das etwas anders. Ganz ohne Zweifel funktioniert die chinesische Wirtschaft weiterhin nicht nach den Spielregeln einer freien Marktwirtschaft und dementsprechend kann man diesen Status auch nicht einfach so ohne weitere Diskussion anerkennen.
    Kapern: An welchen Stellen funktioniert China nicht wie eine Marktwirtschaft? Denn es gibt ja gigantische chinesische Unternehmen, die sich einfach im Wettbewerb mit anderen internationalen Konzernen befinden.
    Conrad: So ist es. Es gibt große chinesische Privatkonzerne, die auf den internationalen Märkten sich fast ganz normal wie andere große Unternehmen bewegen. Es gibt aber auch andere. Es gibt die großen chinesischen Staatskonzerne, die im Grunde genommen runtergewirtschaftet sind, die in China selbst in Schieflage sind, aber mit großen staatlichen Hilfen und Subventionen trotzdem in der Lage sind, im Ausland auf große Shopping-Touren zu gehen und Übernahmen zu tätigen. Das folgt sicherlich nicht den marktwirtschaftlichen Regeln.
    Kapern: Und das spricht dagegen, Chinas Marktwirtschaft anzuerkennen?
    Conrad: Sicherlich ist das einer der Gründe. Ein wichtiger anderer Grund ist, dass China weiterhin seinen eigenen Binnenmarkt an vielen Stellen abschottet gegen ausländische Investitionen, aber auch es ausländischen Unternehmen in China zunehmend schwer macht, sie diskriminiert gegenüber den chinesischen Wettbewerbern. Und auch das ist ein Grund, dass der Marktwirtschaftstatus nicht automatisch sein soll.
    Kapern: Damit haben Sie ja die aktuellen Klagen der deutschen Unternehmen mit Bezug auf China in China angesprochen, dass man dort keine Chancengleichheit auf dem chinesischen Markt bei Investitionen habe. Man hat so ein bisschen den Eindruck, dass deutsche Unternehmen alle paar Jahre ein neues Thema entdecken, mit dem sie eine existenzielle Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Interessen in China belegen. Vor Kurzem hieß es noch, die chinesische Lust am Kopieren entziehe dem Engagement der deutschen Wirtschaft in China den Boden. Aber gleichwohl verdienen deutsche Unternehmen in China doch ganz gut Geld oder?
    Conrad: Mittlerweile sehr harscher Wind auf dem chinesischen Markt
    Conrad: Ja, so ist es. Es gibt immer noch viele Branchen und Unternehmen, die in China hervorragende Geschäfte machen. Das macht auch die Lage hier in Deutschland nicht einfacher im Umgang mit China. Es gibt viele Unternehmen, die weiterhin großes Interesse daran haben, die Wirtschaftsbeziehungen weiter so positiv laufen zu lassen, wie sie in den letzten Jahren liefen. Aber für viele andere Unternehmen stellt sich die Situation tatsächlich anders dar. Da herrscht ein mittlerweile sehr harscher Wind auf dem chinesischen Markt und hier muss man die unterschiedlichen Interessen, die auch in Deutschland existieren, gegeneinander abwägen.
    Kapern: Und dann muss nun China erleben, wie der Bundeswirtschaftsminister versucht, den Verkauf des Roboter-Herstellers KUKA an ein chinesisches Unternehmen zu verhindern. Wie steht es denn da mit der Chancengleichheit?
    Conrad: Das, was dahinter steht, ist tatsächlich die Überlegung, dass chinesische Investitionen in Deutschland und in Europa nicht nach den fairen Wettbewerbsregeln funktionieren. Der KUKA-Fall ist hier vielleicht gar nicht das beste Beispiel, denn hier geht es um eines der chinesischen Privatunternehmen, die auch finanziell ganz gut dastehen, und deswegen ist dieser Fall vielleicht gar nicht so besorgniserregend. Aber die Fälle, die ich vorhin ansprachen, von großen chinesischen Staatsunternehmen, die unter sehr zweifelhaften Bedingungen Übernahmen tätigen, die sind sicherlich sehr viel besorgniserregender.
    Kapern: Warum?
    Conrad: Wenn das chinesische Unternehmen tatsächlich schon zuhause in finanzieller Schieflage ist und dann trotzdem mit staatlicher Hilfe große Übernahmen tätigt, dann bringt das natürlich die große Gefahr mit sich, dass bei einer weiteren schlechten Entwicklung innerhalb Chinas dann auch die übernommenen Unternehmen in Deutschland und in Europa mit in den Strudel gezogen werden. Und hier liegt ein ganz großes unternehmerisches Risiko. Hinzu kommt, dass natürlich die gesamten Marktverzerrungen, die in dem chinesischen Markt herrschen, durch solche Übernahmen zu uns rüberschwappen und auch hier die Prinzipien von fairem Wettbewerb untergraben.
    Kapern: Alles das, was wir gerade besprochen haben, Herr Conrad, könnte das zu einer echten Eiszeit in den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen führen?
    Conrad: Wie gesagt, das Bild ist immer noch sehr gemischt. Es gibt weiterhin die Bereiche, in denen die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen sehr gut funktionieren und auch noch über einige Jahre funktionieren können. Das ist überall dort, wo China auch das ausländische Engagement weiterhin braucht. Das ist in der Hochtechnologie der Fall, in dem Bereich, in dem China tatsächlich auch noch die Technologie und das Knowhow von außen benötigt, um sich weiterzuentwickeln. In diesen Bereichen kann es sicherlich noch eine ganze Weile gut gehen. Aber diese fundamentalen Unterschiede in den Positionen und Interessen von Anfang an auch klar anzusprechen und zu versuchen, diese beizulegen, das ist sicherlich jetzt schon eine gute Strategie.
    Kapern: ... sagt Björn Conrad, der Vizedirektor des Mercator-Instituts. Herr Conrad, danke für das Gespräch und einen schönen Tag nach Berlin.
    Conrad: Herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.