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Reichsbürger
Wenn Extremismus vom Rand in die Mitte der Gesellschaft rückt

Lange galten sie als verrückte Außenseiter. Erst als vor zwei Jahren ein Reichsbürger einen Polizisten erschoss, wachten die Behörden auf. Inzwischen verbreitet ein einflussreicher Unternehmer im sächsischen Bautzen Grundideen der Reichsbürger, teilweise sogar mit Rückhalt vom Stadtrat.

Von Claudia van Laak und Bastian Brandau | 07.09.2018
    Etwa 350 Demonstranten aus dem rechten Lager, darunter Anhänger der NPD, von HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten), von Pegida sowie Reichsbürger und rechte Burschenschaftler protestieren auf einer Kundgebung unter dem Motto "Gemeinsam für Deutschland" auf dem Washingtonplatz.
    In Deutschland soll es insgesamt rund 18.000 Reichsbürger geben. In der Regel sind es gesellschaftliche Außenseiter, nur nicht in Bautzen. (imago/Christian Mang)
    "Der Vertretungszwang Pflichtverteidigung RDG war genauso in der Menschenwürde zutiefst verletzend und ebenfalls autochthon indigene Menschen, die hier autochthon aus den germanischen Völkern."
    Getackert und gestempelt liegt ein mehrseitiges Fax vor Inge Bahlmann, Direktorin des Amtsgerichts Auerbach im Vogtland. Auf dem Tisch stehen zwei Kartons voll ähnlicher Schreiben. Versehen mit dem Fantasiesiegel eines vermeintlichen Staates, gefüllt mit langen, unverständlichen Sätzen. "Zumüllen" der Verwaltung nennt Bahlmann dieses Vorgehen von Reichsbürgern - also Menschen, die behaupten, die Bundesrepublik Deutschland existiere nicht. Die 54-jährige Richterin Bahlmann prüft die Schreiben auf straf- oder prozessrechtliche Relevanz und heftet sie ab.
    Reichsbürgern mit Härte und Konsequenz begegnen
    "Sie treten sehr selbstbewusst auf. Sie versuchen zu sagen, dass man nicht legitimiert ist, und das geht in Strafverhandlungen schon los. Also, Personalien will man dann nicht nennen, man will nicht aufstehen oder sonstige Sachen befolgen, aber mit einer gewissen Härte oder auch Konsequenz kann man dem eigentlich ganz gut begegnen. Der größte Fehler ist, inhaltlich auf die ganzen Theorien einzugehen."
    Das erste Mal habe sie zu Beginn der 2000er Jahre mit Reichsbürgern zu tun gehabt. Richterinnen wie Inge Bahlmann, kommunale Angestellte in Einwohnermeldeämtern, Gerichtsvollzieher – sie alle mussten erst lernen, was sich hinter der Bezeichnung "Reichsbürger" verbirgt und wie mit diesen Personen umzugehen ist. Der Politologe Jan Rathje gehört zu den wenigen Experten, die schon seit Jahren zu diesem Phänomen forschen. Er definiert es so:
    "Reichsbürger glauben daran, dass sie selbst für sich oder für ihren eigenen ausgedachten Staat oder für das vermeintlich existierende Deutsche Reich wieder Souveränität herstellen müssten. Die Konsequenz ist, dass die Bundesrepublik Deutschland als Teil einer großen Verschwörung gegen sie oder gegen das deutsche Volk wahrgenommen wird."
    Krönung in der Mehrzweckhalle
    Die geschätzt 18.000 Reichsbürger in Deutschland bilden keine feste Gruppe. Weniger eine politische Bewegung sei es, mehr ein äußerst heterogenes, von Verschwörungstheorien beeinflusstes Milieu – so beschreibt es der Politologe Rathje.
    Knallharte Rechtsextremisten wie Horst Mahler zählen dazu, Einzelpersonen, die ihr Grundstück zum souveränen Staat erklären – sie nennt man Selbstverwalter oder Souveränisten – oder auch Menschen, die an Sektenführer erinnern. Bestes Beispiel dafür ist der Kampfsportler Peter Fitzek, der im sachsen-anhaltischen Wittenberg ein verlassenes Krankenhausgelände kaufte und dort mit Anhängern das "Königreich Deutschland" errichtete.
    Das Symbolbild zeigt Reichsbürger-Pässe mit der Aufschrift "Deutsches Reich".
    "Vorliebe für längst vergangene gesellschaftliche Modelle". Im Bild: Reichsbürger-Pässe mit der Aufschrift "Deutsches Reich" (imago / Christian Ohde)
    "Jetzt ist der Augenblick gekommen, um den neuen Staat zu gründen. Erhebt Eure Herzen!" Sie kursiert immer noch im Internet, die bizarre Zeremonie, mit der sich Fitzek in einer Mehrzweckhalle vor einigen Jahren zum König krönen ließ. Zu seinem Pseudoreich gehörte auch die von ihm so genannte Königliche Reichsbank - in bester Lage in der Fußgängerzone von Wittenberg. Fitzek verkündete damals:
    "Das, was wir machen wollen, dass den Menschen immer mehr klar wird, dass das Königreich Deutschland tatsächlich auch ein souveräner Staat ist."
    "Ich hab mein eigenes Grundstück, und da herrsche ich"
    Peter Fitzek blieb lange unbehelligt, konnte eigenes Geld drucken, eine Pseudo-Krankenkasse gründen, und mit einem selbstgebastelten Autokennzeichen durch Wittenberg fahren. Die örtlichen Behörden waren zwar genervt, schritten aber nicht ein. Erst die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin stoppte das Treiben wegen unerlaubter Bank- und Versicherungsgeschäfte, Fitzek wanderte in Untersuchungshaft. Im letzten Jahr wurde das Krankenhausgelände zwangsgeräumt. Michael Hüllen vom Brandenburger Verfassungsschutz:
    "Peter Fitzek ist ein Beispiel für Reichsbürger, die die Szene geprägt haben mit entsprechenden Dokumenten und Angeboten. Die haben die Vorstellung: Eigentlich ist der Staat gar nicht zuständig für mich. Ich hab hier mein eigenes Grundstück, und dort herrsche ich. Oftmals wird eine Linie um das Grundstück gezogen, oder es wird ein hoher Zaun aufgestellt, der dann entsprechend gesichert ist, entsprechende Schilder werden aufgestellt, wo bedeutet wird: Gerichtsvollzieher oder Polizei, wenn ihr mein Grundstück betretet, dann gibt es Ärger."
    In Sachsen gründeten Reichsbürger eine eigene Bürgerwehr, nannten sie "Deutsches Polizei-Hilfswerk." In Brandenburg kaufte eine esoterisch-ökologisch angehauchte Gruppe einen heruntergekommenen Gutshof und gründete dort das "Fürstentum Germania." Immer blockierten Reichsbürger die Verwaltung. Und irgendwann wurden auch die Innenministerien der Länder und die Verfassungsschutzbehörden hellhörig. Michael Hüllen:
    "Bei uns war der Handlungsdruck einfach groß. Die Kommunen haben gefragt, was sollen wir machen, wie sollen wir reagieren. Da ging es erst einmal auch darum, die Kommunen zu stärken, dass wir gesagt haben, wir müssen darüber im Verfassungsschutzbericht berichten."
    Spinner, Irre, Durchgeknallte, Querulanten
    Es sollte noch vier Jahre dauern, bis sich auch die Spitze des Bundesamts für Verfassungsschutz von der Gefährlichkeit der Reichsbürgerszene überzeugen ließ. Hans-Georg Maaßen habe das Thema lange nicht ernstgenommen, sagen diejenigen, die es wissen müssen. Spinner, Irre, Durchgeknallte, Querulanten seien es, die man ignorieren solle – so lautete lange die Einschätzung der Bundesregierung.
    Es klingt zynisch – aber ein Toter war nötig, damit die Sicherheitsbehörden des Bundes reagierten. Am 19. Oktober 2016 erschoss ein Reichsbürger im bayerischen Georgensgmünd einen Polizisten und verletzte zwei weitere. Plötzlich ging alles ganz schnell: Nur knapp vier Wochen später richtete das Bundesamt für Verfassungsschutz ein sogenanntes Sammelbeobachtungsobjekt "Reichsbürger und Selbstverwalter" ein. Vor zwei Monaten stellte Amtschef Hans-Georg Maaßen den Verfassungsschutzbericht vor – danach ist die Zahl derjenigen, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland bestreiten, stark angestiegen.
    Blick auf ein Haus in Georgensgmünd, in dem ein 49-Jähriger Angehöriger der Reichsbürger-Bewegung bei einer Razzia am Vortag vier Polizisten angeschossen hatte. 
    Blick auf ein Haus in Georgensgmünd, in dem ein 49-Jähriger Angehöriger der Reichsbürger-Bewegung bei einer Razzia am Vortag vier Polizisten angeschossen hatte. (dpa-Bildfunk / Daniel Karmann)
    "Wir hatten Ende des Jahres 2017 16.500 Personen gehabt. Bereits jetzt kann man sagen, im Juli 2018 haben wir 18.000 Reichsbürger und Selbstverwalter festgestellt. Dies ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass es ein verbessertes Informationsaufkommen gibt und dass in größerem Umfang das Feld der Reichsbürger und Selbstverwalter aufgeklärt worden ist. Gleichwohl sehen wir durch die öffentliche Diskussion Nachahmereffekte. Dass Personen, die vielleicht psychisch labil sind, sich für diese Szene stärker interessieren."
    Sind alle Reichsbürger Rechtsextremisten?
    Sind Reichsbürger per se Rechtsextremisten, weil sie sich auf das Deutsche Reich berufen? Nein – sagt Maaßen. Extremisten – ja, aber nur jeder fünfte von ihnen sei Rechtsextremist.
    In den Ländern wird dies zum Teil anders gesehen - Michael Hüllen vom Brandenburger Verfassungsschutz:
    "Das ist eine Ideologie, die tatsächlich an den Rechtsextremismus angebunden ist, auch wenn es den Reichsbürgern selber nicht bewusst ist oder nicht angenehm ist. Aber so eine Vorstellung, dass das Deutsche Reich fortexistiert, oder wir keinen Friedensvertrag hätten, oder wir immer noch ein besetztes Land seien, das ist natürlich rechtsextremistische Ideologie, die gehören zum Narrativ des Rechtsextremismus dazu, und das prägt diese Szene der Reichsbürger."
    Wer sind diese Menschen, die auf den ersten Blick wie bedauernswerte Irre wirken, auf den zweiten allerdings eine Gefahr darstellen? Das Milieu sei geprägt von älteren Männern, erläutert der Politologe Jan Rathje. Ein Blick auf die Biografien zeige: Viele seien gescheiterte Existenzen.
    "Wenn sie dieser Verschwörungserzählung folgen, dann haben sie eine Entlastung für ihr eigenes Versagen oder eine Erklärung für diesen Bruch in der individuellen Biografie, und können dann bestimmte Widersprüche dann auf ein Gegenüber projizieren, also das von sich und der Gesellschaft abspalten, und dafür dann Schuldige suchen, und die dann zur Verantwortung ziehen wollen."
    Jan Rathje erklärt die Vorliebe für längst vergangene gesellschaftliche Modelle wie zum Beispiel die Monarchie. Beispiel: das "Königreich Deutschland" des Betrügers Peter Fitzek.
    Der Extremismus gescheiterter alter Männer
    "Ihre Vorstellung eines Deutschlands oder eines eigenen Reiches ist ein autoritärer Staat, in dem keine Parteien existieren, kein Widerspruch geduldet wird, und in dem eine Führerperson bestimmt, wohin es geht. Und das deutet auf verschiedene Krisen hin, die gerade in der Gesellschaft wahrgenommen werden, besonders wenn wir uns angucken, dass es sich sehr stark um Männlichkeitsvorstellungen innerhalb des Milieus handelt. Also der starke Mann, der durchgreift, korrespondiert auch gut mit der Erkenntnis, dass es sich um gescheiterte Männer handelt, die in diesem Milieu ein Auffangbecken finden und vermeintlich wieder Souveränität für ihre Männlichkeitsvorstellungen gewinnen können."
    Das extremistische Milieu der Reichsbürger stellt eine Gefahr dar, nicht nur, weil diese Personen dreimal häufiger als die Normalbevölkerung einen Waffenschein besitzen. Sie blockieren Verwaltungen mit Anrufen, Faxen und ellenlangen Briefen, sie bedrohen Sachbearbeiter, Polizisten, Gerichtsvollzieher und deren Familien. Reichsbürger stellten staatliche Institutionen infrage und schwächten in der Konsequenz die Demokratie – ist Michael Hüllen vom Brandenburger Verfassungsschutz überzeugt. Besonders in strukturschwachen ländlichen Räumen sei dies gefährlich.
    Schriftzug Königreich Deutschland.de auf der Schaufensterscheibe eines Ladengeschäftes in Lutherstadt Wittenberg; darunter die umgedrehten Farben der Deutschlandfahne. 
    "Besonders in strukturschwachen ländlichen Räumen gefährlich": Schriftzug Königreich Deutschland.de in Wittenberg - darunter die umgedrehten Farben der Deutschlandfahne (imago / Klaus Martin Höfer )
    "Die Frage der Legitimität ist ja etwas, was unsere gesamte Gesellschaft erfasst hat, mit dem Aufkommen des Rechtspopulismus wird ja auch die Legitimitätsfrage gestellt, und das ist natürlich etwas, wo sich viele Menschen aufgehoben fühlen, ähnliche Gedankengänge haben, und die der Reichsbürger und Selbstverwalter sind ja eben sehr einfach, das macht die Dynamik der Szene aus."
    Und genau dies lässt sich in der sächsischen Stadt Bautzen beobachten.
    "So, das ist die erste Ausgabe der Zeitung "Denkste" – Zeitung zur Meinungsbildung der unabhängigen Bautzener Bürgerinitiative 'Wir sind Deutschland – nur gemeinsam sind wir stark' aus dem Juni 2016."
    In der Regel gesellschaftliche Außenseiter, nur nicht in Bautzen
    Birgit Kieschnick sitzt an ihrem Küchentisch und blättert durch eine Zeitschrift. Als Beamtin im Katasteramt hatte die Bautznerin früh mit Reichsbürgern zu tun. Akribisch sammelt sie seit Jahren Material und führt einen Kampf gegen deren Ideologie. Die Gruppierung "Wir sind Deutschland" veranstaltet Kundgebungen, die Pegida ähneln, lädt ein zu Diskussionen mit einschlägigen Verschwörungstheoretikern. In der Zeitschrift "Denkste" wird gegen demokratische Parteien gehetzt und werden Pseudotheorien etwa über Chemtrails verbreitet, ist von "Lügenmedien" und "Frühsexualisierung" die Rede.
    "Das kam mit dem kostenlosen Wochenblatt in alle Briefkästen. Interessant ist, dass in der ersten Ausgabe eine ganze Seite dem 'Bundesstaat Sachsen' gewidmet wurde." Und damit einer Organisation, die der sächsische Verfassungsschutz als Beobachtungsobjekt führt. Birgit Kieschnick liest die Selbstdarstellung des "Bundesstaats Sachsen" laut vor.
    "'Die Rechtsstaatlichkeit ist nicht mehr gegeben, und wir haben dann die Sache in die Hand genommen und den Notstand in Sachsen ausgerufen. Und am 21.01.2016 eine Notwahl durchgeführt und wollen den Bundesstaat Sachsen reorganisieren, innerhalb vom Staatenbund Deutsches Reich.' – Das ist schon krass."
    Der selbst ernannte "König von Deutschland", Peter Fitzek, bereitet sich am 28.11.2014 auf die Fortsetzung des Prozesses am Amtsgericht in Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt) vor. Fitzek muss sich wegen Verstoßes gegen das Versicherungsaufsichtsgesetz vor Gericht verantworten. Er steht im Verdacht, über eine Million Euro veruntreut zu haben.
 
    Der selbst ernannte "König von Deutschland", Peter Fitzek, vor Gericht (dpa-Zentralbild)
    Reichsbürger sind in der Regel gesellschaftliche Außenseiter: Arbeitslose, die Unternehmen in die Pleite geführt haben, verhaltensauffällige Personen, deren Nachbarn nichts mit ihnen zu tun haben wollen. Anders im sächsischen Bautzen. Hinter "Wir sind Deutschland" und ähnlichen Bündnissen stehen hier stadtbekannte Honoratioren. Der bekannteste Unternehmer der Stadt, Jörg Drews, hat in der Zeitschrift geschrieben, auf Kundgebungen geredet, Verschwörungstheoretiker wie den Schweizer Daniele Ganser eingeladen. Darauf angesprochen, dass von der Website von "Wir sind Deutschland" auf Reichsbürgergruppen verlinkt wurde, sagte Drews 2017 (*) dem ZDF:
    "Ich verstehe da Ihre Nachhaltigkeit nicht. Ich werde mich von niemandem distanzieren, ich muss es auch nicht. Ich habe mich auch nie darum gekümmert, ich werde das auch nicht. Ich stehe hier als Bürger und mache Veranstaltungen, und ich denke diese Veranstaltungen sind innerhalb des rechtlichen Rahmens, und das muss Ihnen reichen. Das alles ist vom Grundgesetz gedeckt, also was wollen Sie von mir."
    Der Bauunternehmer aus Bautzen
    Das Bauunternehmen von Jörg Drews ist deutschlandweit aktiv, etwa in Dresden an der prestigeträchtigen Augustusbrücke. Sein Unternehmen kaufte den Bahnhof der Stadt Bautzen, Hauptmieter wird der Landkreis. In der Region ist Drews' Firma als Sponsor und Unterstützer zahlreicher Einrichtungen und Vereine omnipräsent. Als Jörg Drews zuletzt anbot, die marode Bautzener Sternwarte finanziell zu unterstützen, gab es Widerspruch der lokalen Grünen: Das Gedankengut des Bauunternehmers bewege sich an der Grenze zur Verfassungswidrigkeit, Drews stehe den Reichsbürgern nahe, er wolle sich nun politischen Einfluss erkaufen, sagte der grüne Stadtrat Claus Gruhl.
    Der Bauunternehmer lehnt ein Interview mit dem Deutschlandfunk ab, erklärte aber im privaten Fernsehsender Ostsachsen TV, den er finanziell unterstützt, dass sein Engagement nichts mit Politik zu tun habe.
    "Man hat sich von unserer Seite nie eine wirkliche Würdigung eingefordert. Aber diese Kritik, die da jetzt dahinter stehen soll, und wie das jetzt im Zusammenhang stehen soll, dass man sich dadurch Vorteile verspricht. Also, Sie sehen, unser Arrangement geht schon eine lange Zeit zurück. Ich hatte eher Anfeindungen als Vorteile davon."
    Wenn Drews sich politisch äußert, dann wolkig und hinter Zitaten von Autoritäten versteckt. Er würde nicht alle Menschen, die bestimmte Fragen stellten, gleich als Reichsbürger beschimpfen, sagt er in einem anderen Video.
    "Wenn zum Beispiel Schäuble – und das hat er ja nachweisbar vorm Unternehmerkongress gesagt –, wir waren seit 1945 nicht einen einzigen Tag souverän, Punkt. Das sagt unser ehemaliger Finanzminister, der sein ganzes Leben in der Politik… Und wenn ich das als unbescholtener Bürger höre, sage ich zumindest, ja, interessiert mich, was sind da die Hintergründe. Oder Diskussionen um den gelben Schein. Wo im April letzten Jahres in Baden-Württemberg die Grünen eine Anfrage gestellt haben, und dann steht in der Antwort drunter, jawohl, der gelbe Schein ist der einzige eindeutige Nachweis der deutschen Staatszugehörigkeit."
    Rückhalt von Vereinen und Institutionen
    Versatzstücke aus der Reichsbürgerideologie seien das, so die Einschätzung des brandenburgischen Verfassungsschützers Michael Hüllen. Der sogenannte gelbe Schein, ein Passersatzpapier, sei ein Agitationsinstrument der Szene. Wer diese Begrifflichkeit nutze, der oute sich als deren Anhänger.
    "Ja, auf jeden Fall. Weil das zur Ideologie der Reichsbürger gehört, dass sie darauf zurückgreifen, das ist so eine Krücke, wo sie das noch einmal nachweisen wollen, aber es gibt mittlerweile kaum noch ein Bundesland, wo dieser gelbe Schein beziehungsweise der Staatsangehörigkeitsausweis Reichsbürgern ausgestellt wird, das ist mittlerweile auch in einigen Urteilen gerichtsfest."
    Teilnehmer der Kundgebung der Pegida in Dresden halten am 15.12.2014 bei der Kundgebung in Dresden ein Schild mit der Aufschrift "Bautzen belegt" hoch.
    "In Bautzen, der sächsischen 40.000-Einwohner-Stadt, vertreten angesehene Mitglieder der Bautzener Gesellschaft krude, dieser Szene zuzurechnende Theorien" (Arno Burgi, dpa)
    Reichsbürger und Selbstverwalter als Außenseiter? In Bautzen, der sächsischen 40.000-Einwohner-Stadt, vertreten angesehene Mitglieder der Bautzener Gesellschaft krude, dieser Szene zuzurechnende Theorien – neben dem Bauunternehmer Jörg Drews auch andere Geschäftsleute. Auch von Ärzten oder anderem medizinischen Personal habe sie solche Thesen gehört, erzählt Birgit Kieschnick. Die Mitarbeiterin des Katasteramtes macht sich Sorgen. Zumal Drews Rückhalt von den Vereinen und Institutionen bekommt, die er finanziell unterstützt. Und von der CDU, die die Mehrheit im Stadtrat stellt.
    Birgit Kieschnick befürchtet, dass Versatzstücke aus der Reichsbürgerideologie weiter in die Stadt einsickern und das Klima nachhaltig vergiften könnten. Einige Eltern hätten sich schon entsprechend beeinflussen lassen.
    "Einigeln in der Angst"
    "Irgendwann sind alle nur noch böse um dich herum, und alle bedrohen dich. Wenn dieses Denken verfängt – und alle wollen auch noch meinen Kindern was Böses. In der Schule, da werden die brutal sexuell aufgeklärt, was ja auch völliger Unsinn ist. Aber ich habe wirklich versucht, dann Gegenargumente oder Fakten zuzuarbeiten. Das kommt aber bei vielen nicht mehr an. Das ist wie ein Einigeln in einer Angst."
    Was tun gegen die wachsende Zahl der Reichsbürger? Sicherheitsbehörden setzen auf eine genaue Beobachtung der Szene, auf Repression und – an allererster Stelle – auf eine Entwaffnung. Seit die Szene vom Verfassungsschutz beobachtet wird, müssen alle Landes- und Kommunalbehörden sämtliche Vorfälle mit Reichsbürgern dokumentieren und weitermelden.
    Vor einigen Jahren noch haben die meisten Behörden den Umtrieben der Reichsbürger zugeschaut, ihre Schulden nicht konsequent eingetrieben und in vielen Fällen die Dinge auf sich beruhen lassen, um sich den Ärger zu sparen. Der Rechtsstaat griff nicht konsequent durch, dies gab der Szene Auftrieb. Doch spätestens seit der Ermordung des Polizisten in Georgensgmünd ist der Druck auf die Szene gestiegen. Der Politologe Jan Rathje bewertet das nicht nur positiv.
    "Propagandaerfolge oder auch wirklich Erfolge wie das Aussitzen einer Schuldzahlung oder einer Zwangsvollstreckung sind so jetzt nicht mehr möglich für dieses Milieu. Das kann dazu führen, aber das wäre hochspekulativ, dass ein Teil sich abwendet und sagt, das verspricht mir keinen Erfolg für meine persönliche Krisenbewältigungsstrategie. Das kann aber auch dazu führen, dass ein Teil sich weiter radikalisiert und sagt, jetzt sehen wir, sie sind tatsächlich hinter uns her, die Jagd beginnt – jetzt erst recht."
    (*) Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle stand ursprünglich eine falsche Jahreszahl.