Reinhard: Guten Morgen, Herr Remme.
Remme: Herr Reinhard, wie bewerten Sie denn das Urteil aus Leipzig?
Reinhard: Ja, zunächst bin ich froh, dass die Rechtmäßigkeit des bisherigen Verfahrens bestätigt worden ist. Denn nichts wäre schlimmer gewesen, wenn die Soldaten, die eingezogen werden oder die jungen Männer, die eingezogen werden, den Eindruck hätten, das wäre wider Gesetz. Und das würde das ganze Verfahren, die an dem Verfahren beteiligt sind, ja alle in eine Richtung schieben, die mit Misstrauen betrachtet werden würden. Ich bin also sehr froh, dass wir hier von vornherein erstmal eine klare rechtliche Basis haben.
Remme: Steht da nicht wieder einmal, wenn man auf den Richterspruch guckt, normales, normales in Anführungszeichen, normales Empfinden gegen eine juristische Sichtweise. Wenn von 400.000 jungen Männer nur 80.000 eingezogen werden, wo ist die Gerechtigkeit?
Reinhard: Nun muss man sehen, dass ein Großteil derer, die nicht eingezogen werden, zunächst einmal aufgrund rein rechtlicher Voraussetzungen, als Ausnahme nicht eingezogen werden, die einfach nach Maßnahmen, die der Staat über die Jahre gebilligt hat, ausgenommen werden, dass ein Teil von denen den Zivildienst macht, der uns ja auch eine wichtige soziale Komponente in diesem Staat ist. Aber die hundertprozentige Gerechtigkeit werden wir nicht bekommen. Wir werden die künftigen Jahrgänge, die eingezogen werden, genau betrachten müssen, denn auch dort ist ein deutliches Abschrumpfen der Jahrgangsstärken der Fall. Die Bundeswehr hat sehr stark aus dem Bereich der neuen Bundesländer profitiert, weil die einen Geburtenüberhang hatten, der ist seit dem Fall der Mauer massiv abgebaut worden. Das heißt, auch drüben in den neuen Bundesländern sind die Jahrgänge deutlich geringer geworden. So dass sich die Frage des wie viel werden eingezogen, alleine durch das Abflachen der Geburtenkurve deutlich nach unten reduzieren wird.
Remme: Ich hatte Herrn Nachtwei nach dem wichtigsten Argument gegen die Wehrpflicht gefragt, welches Argument spricht Ihrer Meinung nach, am deutlichsten dafür?
Reinhard: Ich habe zwei Argumente, an denen ich das fest machen möchte. Das eine ist, dass die Wehrpflicht aus meiner Sicht die intelligenteren Soldaten produziert, weil wir aus der gesamten Bandbreite eines Jahrgangs Männer haben von sehr hohem geistigen Potenzial bis Leuten, die vielleicht nicht ganz so weit oben stehen. Aber aus diesem Bereich haben wir junge Leute, die engagiert sind und wer heute zum Bund geht, als Wehrpflichtiger, ist ja unter den Bedingungen, unter denen wir stehen, schon fast schon ein Freiwilliger. Mit diesen Männern lässt sich eine hohe Motivation und eine hohe Einsatzwilligkeit durchziehen. Das zweite ist, dass man aus diesem höheren geistigen Potenzial etwa jeden zweiten Längerdiener heute rekrutiert, ob das Unteroffiziere sind, ob das Mannschaften sind, aber auch ein Großteil der Offiziere kommt aus dem Bereich des Wehrpflicht. Das heißt, die Wehrpflicht ist sozusagen der Schnupperkurs, in dem ich mich mit der Bundeswehr auseinandersetze und sage, das ist es, da kann ich mich verpflichten, länger dabei zu bleiben.
Remme: Aber heißt das nicht, wenn ich es ein wenig anders und bösartig umschreibe, die Guten, die würden nicht freiwillig kommen, da benutzen wir die Wehrpflicht, um praktisch diesen Pool groß zu gestalten und uns daraus die Besten rauszupicken?
Reinhard: Ja, das was Sie sagen, ist richtig, wir sehen bei unseren Nachbarländern, die die Wehrpflicht aufgegeben haben, dass die soziale Komponente deutlich nach unten geht, das heißt Sie kriegen im Grunde genommen wesentlich stärker Männer, die im zivilen Bereich keinen Job kriegen und für die die Bundeswehr nachher der letzte Notanker ist und damit gehen die sozialen Kompetenzen, aber auch die Fähigkeiten der Armee deutlich nach unten. Und alle meine Freunde, die ich bei den Holländern, Belgiern, Engländern und so weiter gefragt habe, beklagen dieses Absacken ganz massiv.
Remme: Das heißt aber auch, wenn ich Sie dann richtig verstanden habe, dass Sie mit dem dänischen Modell, Wehrpflicht bleibt bestehen, Bedarf wird durch Freiwillige gedeckt, unzufrieden wären?
Reinhard: Das dänische Modell ist ein Modell, was, glaube ich, bei uns viel zu wenige kennen. Das entscheidende Moment gegen das dänische Modell ist für mich, dass der dänische Wehrpflichtige etwa drei mal so viel, drei ein halb mal so viel bekommt wie der deutsche Wehrpflichtige, das heißt, deutlich teurer ist im einzelnen wie bei uns ein Zeitsoldat. Das können wir uns gar nicht leisten.
Remme: Wäre denn nicht, wenn ich auf die Zukunft der Bundeswehr schaue und es immer wieder betont wird, dass wir in Zukunft professionelle Soldaten brauchen, die in kleineren Einheiten, flexibel und weltweit reagieren, spricht das alles nicht dafür, eine Berufsarmee zu haben?
Reinhard: Sie sprechen eben wie auch Herr Nachtwei davon, dass wir nur noch in Zukunft unsere Soldaten im Ausland einsetzen würden. Das ist natürlich für einen Teil gegeben. Aber die Heimatverteidigung ist ja überhaupt nicht in Frage gestellt. Ich meine, die Soldaten, die im Ausland eingesetzt werden, aus den Einsatzkräften oder aus den Stabilitätskräften, können ja wenn es zu Hause brennen würde genauso daheim eingesetzt werden. Kein Mensch von uns weiß, wie sich die Geschichte langfristig entwickeln wird. Ich glaube, wir müssen auch dafür eine Vorsorge treffen und brauchen dafür die Wehrpflicht, nicht zuletzt deswegen, um damit eine Armee bereitstellen zu können, die gegebenenfalls auch aufwachsen kann. Wenn Sie keine Wehrpflicht mehr haben, fällt Ihnen dieses Potenzial im Grunde genommen unter den Tisch. Ich glaube, wir dürfen den Blick nicht nur so einseitig und ausschließlich auf die Auslandseinsätze fokussieren. Und lassen Sie mich dazu noch sagen, dass etwa ein Drittel der Jungs, die heute in den Einsätze sind von Somalia bis jetzt Afghanistan alles Jungs sind, die aus der Wehrpflicht kommen und sich für die Dauer eines Einsatzes als Wehrpflichtige weiter verpflichten ohne die könnten wir die Einsätze gar nicht durchziehen.
Remme: General a.D. Klaus Reinhard, Herr Reinhard, vielen Dank.
Remme: Herr Reinhard, wie bewerten Sie denn das Urteil aus Leipzig?
Reinhard: Ja, zunächst bin ich froh, dass die Rechtmäßigkeit des bisherigen Verfahrens bestätigt worden ist. Denn nichts wäre schlimmer gewesen, wenn die Soldaten, die eingezogen werden oder die jungen Männer, die eingezogen werden, den Eindruck hätten, das wäre wider Gesetz. Und das würde das ganze Verfahren, die an dem Verfahren beteiligt sind, ja alle in eine Richtung schieben, die mit Misstrauen betrachtet werden würden. Ich bin also sehr froh, dass wir hier von vornherein erstmal eine klare rechtliche Basis haben.
Remme: Steht da nicht wieder einmal, wenn man auf den Richterspruch guckt, normales, normales in Anführungszeichen, normales Empfinden gegen eine juristische Sichtweise. Wenn von 400.000 jungen Männer nur 80.000 eingezogen werden, wo ist die Gerechtigkeit?
Reinhard: Nun muss man sehen, dass ein Großteil derer, die nicht eingezogen werden, zunächst einmal aufgrund rein rechtlicher Voraussetzungen, als Ausnahme nicht eingezogen werden, die einfach nach Maßnahmen, die der Staat über die Jahre gebilligt hat, ausgenommen werden, dass ein Teil von denen den Zivildienst macht, der uns ja auch eine wichtige soziale Komponente in diesem Staat ist. Aber die hundertprozentige Gerechtigkeit werden wir nicht bekommen. Wir werden die künftigen Jahrgänge, die eingezogen werden, genau betrachten müssen, denn auch dort ist ein deutliches Abschrumpfen der Jahrgangsstärken der Fall. Die Bundeswehr hat sehr stark aus dem Bereich der neuen Bundesländer profitiert, weil die einen Geburtenüberhang hatten, der ist seit dem Fall der Mauer massiv abgebaut worden. Das heißt, auch drüben in den neuen Bundesländern sind die Jahrgänge deutlich geringer geworden. So dass sich die Frage des wie viel werden eingezogen, alleine durch das Abflachen der Geburtenkurve deutlich nach unten reduzieren wird.
Remme: Ich hatte Herrn Nachtwei nach dem wichtigsten Argument gegen die Wehrpflicht gefragt, welches Argument spricht Ihrer Meinung nach, am deutlichsten dafür?
Reinhard: Ich habe zwei Argumente, an denen ich das fest machen möchte. Das eine ist, dass die Wehrpflicht aus meiner Sicht die intelligenteren Soldaten produziert, weil wir aus der gesamten Bandbreite eines Jahrgangs Männer haben von sehr hohem geistigen Potenzial bis Leuten, die vielleicht nicht ganz so weit oben stehen. Aber aus diesem Bereich haben wir junge Leute, die engagiert sind und wer heute zum Bund geht, als Wehrpflichtiger, ist ja unter den Bedingungen, unter denen wir stehen, schon fast schon ein Freiwilliger. Mit diesen Männern lässt sich eine hohe Motivation und eine hohe Einsatzwilligkeit durchziehen. Das zweite ist, dass man aus diesem höheren geistigen Potenzial etwa jeden zweiten Längerdiener heute rekrutiert, ob das Unteroffiziere sind, ob das Mannschaften sind, aber auch ein Großteil der Offiziere kommt aus dem Bereich des Wehrpflicht. Das heißt, die Wehrpflicht ist sozusagen der Schnupperkurs, in dem ich mich mit der Bundeswehr auseinandersetze und sage, das ist es, da kann ich mich verpflichten, länger dabei zu bleiben.
Remme: Aber heißt das nicht, wenn ich es ein wenig anders und bösartig umschreibe, die Guten, die würden nicht freiwillig kommen, da benutzen wir die Wehrpflicht, um praktisch diesen Pool groß zu gestalten und uns daraus die Besten rauszupicken?
Reinhard: Ja, das was Sie sagen, ist richtig, wir sehen bei unseren Nachbarländern, die die Wehrpflicht aufgegeben haben, dass die soziale Komponente deutlich nach unten geht, das heißt Sie kriegen im Grunde genommen wesentlich stärker Männer, die im zivilen Bereich keinen Job kriegen und für die die Bundeswehr nachher der letzte Notanker ist und damit gehen die sozialen Kompetenzen, aber auch die Fähigkeiten der Armee deutlich nach unten. Und alle meine Freunde, die ich bei den Holländern, Belgiern, Engländern und so weiter gefragt habe, beklagen dieses Absacken ganz massiv.
Remme: Das heißt aber auch, wenn ich Sie dann richtig verstanden habe, dass Sie mit dem dänischen Modell, Wehrpflicht bleibt bestehen, Bedarf wird durch Freiwillige gedeckt, unzufrieden wären?
Reinhard: Das dänische Modell ist ein Modell, was, glaube ich, bei uns viel zu wenige kennen. Das entscheidende Moment gegen das dänische Modell ist für mich, dass der dänische Wehrpflichtige etwa drei mal so viel, drei ein halb mal so viel bekommt wie der deutsche Wehrpflichtige, das heißt, deutlich teurer ist im einzelnen wie bei uns ein Zeitsoldat. Das können wir uns gar nicht leisten.
Remme: Wäre denn nicht, wenn ich auf die Zukunft der Bundeswehr schaue und es immer wieder betont wird, dass wir in Zukunft professionelle Soldaten brauchen, die in kleineren Einheiten, flexibel und weltweit reagieren, spricht das alles nicht dafür, eine Berufsarmee zu haben?
Reinhard: Sie sprechen eben wie auch Herr Nachtwei davon, dass wir nur noch in Zukunft unsere Soldaten im Ausland einsetzen würden. Das ist natürlich für einen Teil gegeben. Aber die Heimatverteidigung ist ja überhaupt nicht in Frage gestellt. Ich meine, die Soldaten, die im Ausland eingesetzt werden, aus den Einsatzkräften oder aus den Stabilitätskräften, können ja wenn es zu Hause brennen würde genauso daheim eingesetzt werden. Kein Mensch von uns weiß, wie sich die Geschichte langfristig entwickeln wird. Ich glaube, wir müssen auch dafür eine Vorsorge treffen und brauchen dafür die Wehrpflicht, nicht zuletzt deswegen, um damit eine Armee bereitstellen zu können, die gegebenenfalls auch aufwachsen kann. Wenn Sie keine Wehrpflicht mehr haben, fällt Ihnen dieses Potenzial im Grunde genommen unter den Tisch. Ich glaube, wir dürfen den Blick nicht nur so einseitig und ausschließlich auf die Auslandseinsätze fokussieren. Und lassen Sie mich dazu noch sagen, dass etwa ein Drittel der Jungs, die heute in den Einsätze sind von Somalia bis jetzt Afghanistan alles Jungs sind, die aus der Wehrpflicht kommen und sich für die Dauer eines Einsatzes als Wehrpflichtige weiter verpflichten ohne die könnten wir die Einsätze gar nicht durchziehen.
Remme: General a.D. Klaus Reinhard, Herr Reinhard, vielen Dank.