"In Myanmar haben erneut Hunderte Demonstrierende gegen die Militärjunta protestiert. In der Stadt Mandalay soll die Polizei auf eine Demonstration von Medizinbeschäftigten geschossen haben. (…) Mehr als 700 Menschen sollen seit dem Putsch im Februar getötet worden sein." Eine Tagesschau-Meldung vom 15. April 2021. Immer wieder gehen Berichte über protestierende junge Frauen und Männer durch die Medien.
Mönche als Schutzschild
Die safrangelb und rot leuchtenden Roben der buddhistischen Mönche und Nonnen in Myanmar waren nur selten inmitten der Demonstrationen zu sehen. Dabei haben die Ordensleute in dem asiatischen Land bisher immer wieder die seit 1962 herrschende Militärjunta kritisiert, die jetzt wieder die junge Demokratiebewegung niederschlagen will.
"Also zum einen: Mönche demonstrieren eigenständig, meistens in kleineren Gruppen von einem eigenen Tempel ausgehend. Da sind dann 20 bis 30 Mönche zu sehen, die die Bewegung des zivilen Ungehorsams unterstützen, mit Plakaten, die die sogenannte Exilregierung oder die zivile Interimsregierung unterstützen und den Putsch ablehnen."
Madlen Krüger ist Religionswissenschaftlerin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg. Sie hat mehrere Jahre in Myanmar gelebt und geforscht. Wenn die Mönche vereinzelt Demos begleiten, dienten sie den Protestlern als Schutzschild, sagt sie.
"Um damit quasi das Militär abzuwehren, weil das Militär und auch die Soldaten und Polizei würde jetzt nicht öffentlich oder sichtbar in dem Moment gegen die Mönche vorgehen."
Stiller Protest
Mönche und Nonnen in Myanmar genießen ein hohes Ansehen, gelten als moralische Instanz. Oft werden sie um Rat gefragt. Zur Safran-Revolution im Jahr 2007 protestierten Zehntausende Ordensleute in ihren gelben und roten Roben auf den Straßen und setzten sich für die notleidende Bevölkerung ein. Monatelang zog sich damals der Konflikt, bei dem auch Mönche niedergeschossen wurden. Das hatte die Bevölkerung nur noch mehr gegen die Militärjunta aufgebracht.
"Also 2007 waren die Proteste hauptsächlich von den Mönchen organisiert. Also ökonomische Probleme, Menschen konnten sich das Essen nicht mehr leisten. Das Öl oder Benzin ist zu teuer geworden, sodass quasi Mönche auf die Straße gegangen sind, das selber organisiert haben. Jetzt sind die Organisatoren nicht mehr die Mönche. Jetzt wird ja die Protestbewegung hauptsächlich von der Jugend organisiert, die jetzt speziell keine eigene Hauptorganisation hat, sondern sich über die sozialen Medien verschiedentlich zusammenruft und verschiedenste Protestaktionen gestaltet. Und daran beteiligen sich Mönche."
Die Mönche sind als Autoritäten gefragt. Nicht alle von ihnen sind aufseiten der Demonstranten. Aber ein Teil der buddhistischen Ordensleute übte in den Klöstern stillen Protest durch Rezitation des Metta-Sutta der liebenden Güte, um auf die Situation einzuwirken.
Almosen sind ein Machtinstrument
Andere Mönche zeigten nach außen deutlich, dass sie die Gewalt der Militärjunta und der Milizen gegen die Protestierenden missbilligen. Auf eigenen Demonstrationen zeigten sie demonstrativ ihre Almosenschalen umgedreht, auf den Kopf gestellt - mit denen sie sonst die Essenspenden für ihre Mahlzeit einsammeln. Manche platzieren ihre umgedrehten Almosenschalen vor ihren Klöstern – ein starkes Symbol. Jeder in Myanmar weiß, was das heißt.
"Die Bedeutung dahinter ist, dass das Umdrehen der Almosenschalen ein legitimes Mittel der Mönche ist, zu protestieren, also auch sich religiös zu positionieren. Nämlich: Man lehnt damit die Spenden der Laien ab - und hier spezifisch auf das Militär bezogen. Also man verwehrt dem Militär das Dana geben. Die Spenden, die so wichtig sind im Buddhismus, weil mit dem Spenden man als Laie gutes Verdienst ansammeln kann."
"Die Bedeutung dahinter ist, dass das Umdrehen der Almosenschalen ein legitimes Mittel der Mönche ist, zu protestieren, also auch sich religiös zu positionieren. Nämlich: Man lehnt damit die Spenden der Laien ab - und hier spezifisch auf das Militär bezogen. Also man verwehrt dem Militär das Dana geben. Die Spenden, die so wichtig sind im Buddhismus, weil mit dem Spenden man als Laie gutes Verdienst ansammeln kann."
Es gehe aber nicht nur ums Essen, sondern um alle Formen der Zuwendung für die Mönche und Nonnen, sagt Madlen Krüger. Die Klöster erhalten Spenden in Form von Buddha-Statuen oder Geldzuwendungen von den Laien. Das Geld wird sofort in Hospitäler investiert oder in Schulen, buddhistische Universitäten und weitere Klosteranlagen.
Die Spender wiederum sind angesehen und können dieses religiöse Verdienst auch an ihre verstorbenen Verwandten übertragen. Wenn Spenden von Militärangehörigen nun abgelehnt werden, ist das ein großer Affront. Deshalb versuchen die Militärs, sich in den Staatsmedien, den staatseigenen Zeitungen vermehrt mit Bildern von Generälen zu präsentieren, die Spenden an Mönche in bekannten Pagoden übergeben.
"Das läuft gleichzeitig, weil das Militär sich quasi dadurch auch als legitim darstellt, als legitime Herrscher sozusagen. Also das ist ein gängiges Mittel, um quasi auch den Zuspruch zu bekommen und sich als buddhistisch und das Land schützend darzustellen."
Protest mit Ostereiern
Neu ist nun, dass der staatlich eingesetzte Mönchsrat, bestehend aus hochrangigen Äbten der verschiedenen buddhistischen Gruppierungen, sich gegen die Aktionen der Militärjunta ausgesprochen hat.
Konkret fordert dieses höchste buddhistische Gremium ein Ende der Gewalt gegen die friedlichen Protestierenden und ihre Verhaftungen. Das gibt der Demokratie-Bewegung weiteren Rückhalt. Der staatliche Mönchsrat wurde nach den Worten der Religionswissenschaftlerin ursprünglich gegründet, damit die Militärs die Ordensgemeinschaften besser kontrollieren können.
Krüger sieht aber neue Allianzen zwischen den Religionen in diesem Konflikt. Die christliche Minderheit, bislang als koloniales Überbleibsel nicht immer gerne gesehen, hatte zu Ostern die Eier mit Protestsymbolen verziert.
"Da wurden auf diesen Eiern quasi kleine Sprüche gemalt. Meistens sind es die Abkürzungen für die Bewegung des zivilen Ungehorsams und die Akronyme für andere Bewegungen, die da unterstützt werden. Ist aber auch eine spannende Geschichte, weil das quasi nochmal verdeutlicht, was in dem Land auch passiert, nämlich eine solche Solidarisierung mit den verschiedensten Gruppen. Weil es ja tatsächlich Eier-Bemalung und Ostersonntag ja eher den Christen zugeschrieben wird, das aber in verschiedensten Bereichen in bestimmten Teilen in Myanmar von den Protestbewegungen organisiert wurde."
Rohingya zeigen Flagge
Die Eier wurden auf den Märkten verkauft. Auch gegenüber der anderen kleinen Minderheit, den Muslimen, entspannt sich das Verhältnis, beobachtet Krüger. Vereinzelt wurden Entschuldigungen für das Verhalten gegenüber den Rohingya laut, die nach Bangladesch vertrieben und zu einem Feindbild aufgebaut worden sind. Auch dort entstehen neue Solidaritäten mit der buddhistischen Mehrheit. Rohingya aus Bangladesch posteten Solidaritätsbilder.
"Was auch etwas Neues ist, dass als Rohingya erkennbare Muslime quasi mit auf die Straße gegangen sind. Das ist etwas, was in der muslimischen Gemeinschaft vermieden wurde, sich in irgendeiner Art und Weise kenntlich, also zu erkennen zu geben, weil das immer sofort mit Ressentiments, Übergriffen und so weiter in Verbindung stand. Und da wirklich als Rohingya in Yangon auf die Straße zu gehen und so gegen das Militär und für die Demokratie zu demonstrieren, das ist eine sehr neue Entwicklung."
Zuletzt hatten sich auch die Nonnen in Myanmar besonders solidarisch gezeigt mit Protestlern, die ihre Arbeit verloren haben. Sie, die sonst mit Almosenschale unterwegs sind, gingen zu den notleidenden Menschen und gaben ihnen Reispakete. Auch christliche Nonnen beteiligten sich an Essensverteilungen.
Ob sich ein drohender Bürgerkrieg abwenden ließe, sei derzeit offen, sagt Madlen Krüger. Im Gegenteil: In dem Vielvölkerstaat seien viele Binnenflüchtlinge, darunter auch viele Demonstranten unterwegs, um in den von ethnischen Minderheiten bewohnten Randgebieten Unterschlupf zu suchen. Die Protestierenden wollten so den Razzien und Festnahmen durch das Militär entkommen.
Sie könnten sich dort mit den bewaffneten Milizen der Minderheiten solidarisieren. Das Militär jedenfalls hat bereits Fakten geschaffen und die Gebiete der Minderheiten von Flugzeugen aus bombardiert. Es soll viele Tote gegeben haben.