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Religion in den USA
Demokraten ohne Gott

2020 wählen die USA einen neuen Präsidenten. Bei den Demokraten bringen sich die Bewerber bereits in Stellung, doch viele von ihnen verzichten auf die übliche religiöse Rhetorik. Ist die Zeit reif für einen Atheisten im Amt des US-Präsidenten – oder ist der säkulare Ton Teil einer Strategie?

Von Katja Ridderbusch |
Der demokratische US-Politiker Beto O'Rourke während einer Wahlkampfveranstaltung im texanischen Plano, am 15.09.2018.
Betont säkular? Der demokratische Präsidentschaftskandidat Beto O'Rourke während einer Wahlkampfveranstaltung im texanischen Plano (AFP / Laura Buckman)
Elizabeth Warren, Beto O’Rourke, Bernie Sanders und der ehemalige Vizepräsident Joe Biden: Sie sind die prominentesten unter den bislang 20 Kandidaten der Demokratischen Partei, die bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr gegen Donald Trump antreten wollen. Was auffällt: In den Videos und Veranstaltungen all dieser Bewerber zur Ankündigung ihrer Kandidatur fehlt das Bekenntnis zu Gott.
"God Bless You" oder "God Bless America": Diese Abschlussformel gehört seit jeher zum Standard im amerikanischen Polit-Sprech, eine Art zivilreligiöses Ritual. Kaum ein Bewerber im Rennen um das Präsidentenamt – ob Republikaner oder Demokrat – hat bislang eine Rede ohne die Bitte um Gottes Segen beendet.
"Bernie Sanders ist einfach nicht religiös"
Eine Trendwende also? Die demonstrativ säkulare Rhetorik sei "die neue Normalität" unter weißen progressiven Demokraten, schreibt der Historiker und Journalist Peter Beinart im Magazin "The Atlantic".
Auch Andra Gillespie, Politikwissenschaftlerin an der Emory-Universität in Atlanta, hat diese Tendenz im Ton einiger, aber nicht aller Demokraten beobachtet. Das habe ganz unterschiedliche Gründe, sagt sie:
"Man muss den persönlichen Hintergrund der Kandidaten berücksichtigen. Bernie Sanders zum Beispiel ist einfach nicht religiös, und das ist bekannt. Wenn sich ein solcher Kandidat plötzlich besonders fromm geben würde, käme das als Anbiederung rüber, als nicht-authentisch."
Die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin Andra Gillespie
Die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin Andra Gillespie (Emory University )
Neben persönlichen Gründen spielen strategische eine wichtige Rolle. Eine Umfrage des Pew-Instituts ergab, dass sich ein Viertel der Amerikaner heute keiner Religion mehr zugehörig fühlt. Unter den 20- bis 40-Jährigen sowie unter weißen demokratischen Wählern sind es sogar mehr als ein Drittel.
"Religiöse Rhetorik ist nicht effektiv"
Gillespie: "Die Demokraten haben erkannt, dass die Zahl der Menschen ohne Religionszugehörigkeit wächst, und darauf reagieren sie. Besonders wenn man versucht, die linke Flanke der demokratischen Wählerschaft zu erreichen, dann ist religiöse Rhetorik einfach nicht effektiv, und es macht mehr Sinn, sich auf andere Themen zu fokussieren."
Hinzu kommt: Anders als ihre Vorgänger propagieren einige der führenden Demokraten Religion nicht mehr als Vehikel der nationalen Einheit, schreibt Journalist Beinart. Sondern als Quelle von Zwietracht und Spaltung.
"We worship an awesome God in the blue states", sagte Obama im Jahr 2004, damals noch Senator von Illinois, und meinte damit, dass der Glaube an Gott Demokraten und Republikanern vereine.
"Partei des Pluralismus"
15 Jahre später ruft Bernie Sanders dazu auf, religiöse Borniertheit und Intoleranz abzulegen – eines der wenigen Male, dass der Sozialreformer und Senator aus Vermont das Thema Religion überhaupt anspricht.
Politikwissenschaftlerin Gillespie ist überzeugt: Die ambivalente Rolle, die Religion heute im öffentlichen Diskurs spielt, habe dazu geführt, dass viele Demokraten besonders sensibel mit dem Thema umgehen.
"Weil die Demokraten als Partei des Pluralismus gelten. Und in Zeiten, in denen Vielfalt – Vielfalt der Geschlechter, der Hautfarben und Ethnien und eben auch der Religion – so ein großes Thema ist, sprechen einige Kandidaten lieber gar nicht über ihren Glauben. Weil sie respektvoll gegenüber unterschiedlichen Religionen sein und keine bevorzugen wollen."
Ganz ohne Religion geht es nicht
Komplett abwesend sei Gott jedoch keinesfalls im Wahlkampf der Demokraten, betont die Forscherin. Einige Kandidaten sprechen offen über ihren Glauben – der Katholik Joe Biden zum Beispiel. Oder die New Yorker Senatorin Kirsten Gillibrand. Oder Pete Buttigieg, der schwule Bürgermeister einer Stadt in Indiana und ehemalige Marine-Offizier.
Denn ganz ohne Religion geht es nicht, will man zwei Wählergruppen erreichen, die für einen Sieg über Donald Trump unbedingt notwendig sind: Afroamerikaner und Latinos. Bei den Midterm-Wahlen 2018 stimmten 90 Prozent der Afroamerikaner und knapp 80 Prozent der Latinos für die Demokraten. Beides Bevölkerungsgruppen, die sehr religiös sind.
So schloss Kamala Harris, Senatorin aus Kalifornien und Tochter eines Jamaikaners, ihre erste Wahlkampfrede mit der Bitte um Gottes Segen. Cory Booker, afroamerikanischer Senator aus New Jersey, ließ sich von seinem Pastor einführen.
Demokraten hadern mit dem Glauben
Andra Gillespie ist nicht überrascht:
"Er gehört seit jeher zur Wahlkampstrategie der Demokraten, nicht-weiße Wähler, insbesondere Afroamerikaner, in einem religiösen Kontext anzusprechen – sei es, dass sie Religion in ihren Wahlkampfreden thematisieren oder dass sie Gottesdienste besuchen und sich unter die Gläubigen mischen."
Die Demokraten und Gott: Dass die Partei in der Frage der Religion ein facettenreiches, bisweilen zerrissenes Bild abgibt, habe durchaus Tradition, sagt Gillespie. Die Demokraten haderten seit langem damit, den richtigen Ton beim Thema Glauben zu finden und sich dabei klar von den Republikanern abzugrenzen.
Deren Wählerschaft gilt als mehrheitlich religiös. Vor allem evangelikale Christen sind treue Wähler von Donald Trump – mit einer Zustimmungsrate von aktuell 70 Prozent.
Comeback religiöser Rhetorik
Zugleich aber wollen die Demokraten das Feld der Religion nicht einfach den Republikanern überlassen, wollen gläubige Wähler nicht verschrecken, sagt Gillespie.
Auch wissen die Demokraten: Zwar ist es mittlerweile für Wähler weniger wichtig, welcher Glaubensgemeinschaft ein Kandidat angehört – ob Protestant, Katholik oder Jude. 1960 musste John F. Kennedy noch wegen seines katholischen Glaubens um Stimmen bangen. Umfragen zeigen aber auch: Ein Atheist hätte wenig Chancen, US-Präsident zu werden. Bis heute.
Aus all diesen Gründen ist die Politikwissenschaftlerin Andra Gillespie überzeugt: Die Abkehr von der religiösen Rhetorik ist bei den meisten demokratischen Kandidaten nur vorübergehend. Im anschwellenden Wahlkampf der kommenden Wochen und Monaten dürfte Gott ein Comeback erleben.
Bei Beto O’Rourke, dem 46-jährigen katholischen Shooting Star der Demokraten aus Texas, ist es schon jetzt so weit. Als er in einem Video seine Bewerbung ankündigte, gab er sich noch betont säkular. Kurze Zeit später aber, bei der ersten Wahlkampfveranstaltung in seiner Heimatstadt El Paso, war Gott wieder dabei:
"Thank you, El Paso, thank you everyone. God bless you, and God bless America."