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Religionslehre in Hessen
Islamunterricht vom Staat statt von DITIB

Für das nächste Schuljahr plant Hessen für 144 Schüler an zwölf weiterführenden Schulen im Land einen Ersatz für den bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht. Dann soll es das staatliche Schulfach "Islamunterricht" geben. Die Kooperation mit dem Moscheeverband DITIB steht auf der Kippe.

Von Ludger Fittkau | 28.02.2019
Auf einer Tafel wird in der Karmeliterschule in Frankfurt am Main Schülern der durch einen roten Pfeil angezeigt, dass in der nächsten Stunde bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht gehalten wird.
Im neuen schwarz-grünen Koalitionsvertrag in Hessen wurde das rein staatliche Schulfach "Islamunterricht" angekündigt (dpa / picture alliance / Frank Rumpenhorst)
Hessen hat das rein staatliche Schulfach "Islamunterricht" als Alternative zum bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht in Kooperation mit DITIB schon vor zwei Monaten festgeschrieben. Nämlich im neuen Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grünen für die Landesregierung.
Das neue Fach ohne Beteiligung des deutsch-türkischen Moscheeverbandes bietet das hessische Kultusministerium im kommenden Schuljahr erstmals in begrenztem Umfang an. Der staatliche "Islamunterricht" umfasst künftig laut einer Mitteilung des Ministeriums - so wörtlich - "die Grundlagen des Islams, die islamischen Glaubensinhalte, die Geschichte, Kultur, Philosophie sowie die Ethik und damit die ganze Vielfalt des Islams."
Alexander Lorz, hessischer CDU-Kultusminister und derzeitiger Vorsitzender der Kultusministerkonferenz:
"Weil mir wichtig ist, dass die muslimischen Schülerinnen und Schüler auf keinen Fall ohne ein entsprechendes Angebot an unseren Schulen bleiben sollen".
Denn der Vertrag zwischen dem Land Hessen und dem Moscheeverband DITIB steht auf der Kippe. Noch hat DITIB eine Frist bis Ende April, um nachzuweisen, dass man von der türkischen Regierung unabhängig ist. Bisher konnte der Moscheeverband diesen Beleg jedoch nicht erbringen, so Hessens Kultusminister Alexander Lorz.
"Dafür sorgen, dass es keinen direkten Durchgriff gibt"
Doch das sei heute notwendiger als vor sechs Jahren, als die Kooperation des Landes mit DITIB begann: "Die Situation ist insofern anders geworden, als sich natürlich die Lage in der Türkei verändert hat. Damit auch die Verbindungen zwischen dem türkischen Staat, zwischen der türkischen Religionsbehörde Diyanet und DITIB, sowohl dem Bundesverband als auch den Landesverbänden einfach eine andere Qualität bekommen hat in den letzten Jahren. Das haben wir an vielen Vorfällen und Phänomenen wahrnehmen können."
Gutachter der hessischen Landesregierung waren zu dem Ergebnis gekommen, dass eine "Weisungskette" von der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet über die deutsche DITIB-Zentrale in Köln bis zum hessischen Verband bestehe.
Einen Durchgriff der türkischen Regierung auf den hiesigen Unterricht befürchtet auch Maike Wiedwald. Sie ist eine der beiden hessischen Landesvorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft - kurz GEW:
"Und wenn wir uns die Türkei angucken, dann sind viele Kolleginnen und Kollegen auch unserer Partnergewerkschaft dort entlassen worden. Inhalte, beispielsweise die Evolutionstheorie in der Biologie sind rausgenommen worden aus Schule, die aber hier einfach fest verankert sind auch in Lehrplänen - zu Recht. Und infolgedessen muss man auch dafür sorgen, dass es keinen direkten Durchgriff gibt."
Aus Sicht des hessischen Kultusministeriums ist das trotz einiger Satzungsänderungen des hessischen DITIB-Landesverbandes bisher nicht gewährleistet.
Der hessische DITIB- Vorsitzende Salih Özkan stand dem Deutschlandfunk aus zeitlichen Gründen nicht für ein Interview zur Verfügung. Man fühle sich allerdings von verschiedenen Seiten funktionalisiert, kritisiert Salih Özkan beim kurzen Telefonkontakt. Man hoffe sehr, dass die lange Zeit reibungslose Kooperation mit dem Land Hessen doch über 2019 hinaus fortgesetzt werden könne.
Zukunft als Kooperationspartner offen
Hessens Kultusminister Alexander Lorz teilt die Meinung, dass die auch mit Zustimmung von DITIB bisher vom Land eingestellten Religionslehrer ihre Arbeit gut gemacht haben:
"Ja, man muss ja auch dazu sagen: Es sind unsere Lehrer. Es sind staatliche Lehrkräfte, deutsche Beamte, die das an einer deutschen Universität studiert haben, die entsprechenden Abschlüsse gemacht haben. Und deswegen - das Potenzial werden wir auch weiter nutzen. Es geht ausschließlich um die Frage, ob DITIB als Institution, als Religionsgemeinschaft weiterhin für den Religionsunterricht in Frage kommt. Aber an dem, was unsere Lehrkräfte konkret im Unterricht machen, ist nichts auszusetzen."
Die aktuelle Botschaft aus Hessen lautet also: Der Islam wird weiter Unterrichtsfach sein. Doch womöglich schon bald nicht mehr mit DITIB als Kooperationspartner.