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Relikt aus Kaisers Zeiten

Auf Druck der EU-Kommission hat der Bund nach fast 100 Jahren die Abschaffung des Branntweinmonopols beschlossen. Für die meisten landwirtschaftlichen Brennereien hat der Wegfall der damit verbundenen Subventionen jedoch enorme finanzielle Konsequenzen.

Von Katharina Mutz | 30.09.2013
    Die Monopolverwaltung zahlte den Bauern doppelt so viel wie der weiterverkaufte Alkohol auf dem Markt einbrachte.
    Die Monopolverwaltung zahlte den Bauern doppelt so viel wie der weiterverkaufte Alkohol auf dem Markt einbrachte. (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Auf Druck der EU-Kommission hat der Bund nach fast 100 Jahren die Abschaffung des Branntweinmonopols beschlossen. Für die meisten landwirtschaftlichen Brennereien hat der Wegfall der damit verbundenen Subventionen jedoch enorme finanzielle Konsequenzen.

    "Des, was wir jetzt da hören, des ist die Gärung in den Gärbottichen. In den Gärbottichen entstehen Gase – da wird Zucker in Alkohol umgewandelt - und diese Gase müssen dann entweichen."

    Es riecht süßlich in der hofeigenen Brennerei von Johann Wurm in Straubing. Eine Mischung aus Alkohol- und Hefeduft liegt in der Luft. In den großen Gärbottichen blubbert die Maische, aus der später Rohalkohol mit 85 Volumenprozent Alkohol entsteht.

    "Das ist unser Hefefass. Da wird die sogenannte Satzhefe jeden Tag frisch angesetzt. Da wird ein Teil vom vorherigen Tag weggetan und dann wird die für den nächsten Tag wieder hergenommen."

    Seit 50 Jahren hat das Alkoholbrennen Tradition in der Familie Wurm. 150.000 Liter Rohalkohol fließen hier jedes Jahr aus der Destille – damit zählt Wurms Brennereigenossenschaft Alburg zu den mittelgroßen Brennereien in Deutschland. Für den landwirtschaftlichen Betrieb von Johann Wurm ist der Alkohol aus selbst angebautem Weizen, Kartoffeln oder Mais eine wichtige Einnahmequelle. Bislang. Denn jetzt ist Schluss. Die Bundesregierung lässt das noch aus Kaiserzeiten stammende Monopol für Branntwein auslaufen. Sie folgt damit einer Vorgabe der EU. Für Wurm ein harter Schlag:

    "Dass das Monopol endet, bedeutet für uns: Die ganze Maschineneinrichtung, das ist für uns alles Schrott, das ist nicht mehr brauchbar. Und vom wirtschaftlichen her bedeutet das für unseren Betrieb eine Einbuße von circa einem Drittel."

    Bislang hat Wurm seinen gesamten Rohalkohol an die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein verkauft. Dort wurde der Alkohol aufbereitet, gereinigt und weiterverkauft – an Spirituosenfirmen, Apotheken oder die Kosmetikbranche. Für Wurm und rund 550 andere kleine und mittlere Brennereien bundesweit bedeutete das Monopol ein sicheres Einkommen.

    Für den Staat hingegen war es ein Verlustgeschäft. Denn die Monopolverwaltung zahlte den Bauern doppelt so viel wie der weiterverkaufte Alkohol auf dem Markt einbrachte. De facto eine Subvention – mit rund 80 Millionen Euro pro Jahr unterstützte der Staat so die kleinen und mittleren Brennereien und schützte sie vor dem freien Wettbewerb. Ohne diese Subvention stehen viele landwirtschaftlichen Brennereien nun vor dem Aus, denn mit Weltmarktpreisen können sie nicht konkurrieren. Martin Empl, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Deutscher Kartoffelbrenner:

    "Eine durchschnittliche bayerische Brennerei könnte ungefähr eine Million bis 1, 5 Millionen Flaschen Kartoffelschnaps produzieren. Diese dann kostendeckend zu vermarkten unter Konkurrenzbedingungen, wie sie derzeit sind, sehe ich als nicht möglich an. Mit der Industrie können wir aus Kostengründen nicht konkurrieren, wir sind viel zu klein dazu."

    Um die Gewinneinbußen abzumildern, bekommen die betroffenen Brennereien in den nächsten fünf Jahren vom Staat Ausgleichszahlungen. Klein- und Obstbrennereien dürfen in einer Übergangsfrist noch bis 2017 weiterbrennen, dann ist auch für sie Schluss. Johann Wurm muss seine 50 Jahre alte Brennerei schon jetzt dichtmachen. Ohne die staatliche Unterstützung weiter zu brennen, würde sich nicht lohnen. Dass auf seinem Hof nun bald keine Maische mehr brodeln wird, stimmt ihn wehmütig:

    "Des ist schon Tradition, des ist klar. Ich bin jetzt 67 Jahre und ich bin mit der Brennerei aufgewachsen. 30, 40 Jahre habe ich das selber gemacht. Für mich und für den Sohn ist das schon ein schwerer Eingriff, und wir müssen mit Wehmut die Brennerei schließen."