Mittwoch, 24. April 2024

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Renault
Vorstandschef Bolloré entlassen

Der französische Autobauer Renault kommt nicht zur Ruhe. Nachdem kürzlich eine geplante Fusion mit Fiat gescheitert ist, gibt es nun einen Wechsel an der Vorstandsspitze. Thierry Bolloré, der als Vertrauter von Ex-Nissan-Chef Carlos Ghosn gilt, muss mit sofortiger Wirkung gehen.

Jürgen König im Gespräch mit Birgid Becker | 11.10.2019
Der bisherige Interimschef bei Renault, Thierry Bollore.
Nur rund ein Jahr stand Thierry Bolloré an der Spitze des französischen Autobauers. (ERIC FEFERBERG / AFP)
Birgid Becker: Weniger überraschend ist heute bei Renault, dem Autokonzern aus Frankreich, der Chef vor die Tür gesetzt worden: Thierry Bolloré, der als Vertrauter von Carlos Ghosn galt, jenes Automanagers, der die Allianz aus Renault und Nissan geschmiedet hatte, einer der ganz großen Namen in der Autobranche war und abstürzte, nachdem Japans Justiz sich an verdächtigen Zahlungen gestört hatte und ihm Untreue vorwarf. Bolloré, der jetzt geschasste Renault-Boss, galt als früherer Vertrauter von Carlos Ghosn – Jürgen König, unseren Frankreich-Korrespondenten habe ich kurz vor der Sendung zu den Gründen gefragt – wobei der Hinweis auf die Nähe zwischen Ghosn und Bolloré schon die halbe Antwort war…
Nähe zu Ghosn problematisch
Jürgen König: Absolut, der Schritt kam überhaupt nicht überraschend. Man ist bei Renault seit Wochen interessiert unter die Ära Ghosn einen wirklichen Schlussstrich zu ziehen. Und Thierry Bolloré, der fürs operative Geschäft verantwortliche Generaldirektor, eben weil er eine Art Kronprinz von Carlos Ghosn war, eine Art Verbündeter, als Nachfolger schon aufgebaut worden war, gerade deswegen störte er diesen Neuanfang. Oder vielleicht muss man besser sagen: die Wiederauffrischung der Allianz von Renault und dem japanischen Partner Nissan, die störte Thierry Bolloré doch ganz gewaltig, eben durch seine Geschichte, durch seinen Ruf, doch einen Teil der Ära Carlos Ghosn zu vertreten. Abgesehen davon galt auch sein Verhältnis zum Konzernchef, Jean-Dominique Senard, nicht gerade als das beste. Aber das ist sekundär, das andere ist absolut der Hauptgrund. Der französische Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire sagte heute mit Bezug auf die Entlassung Thierry Bollorés, man wolle jetzt in eine – Zitat – neue Phase der Beziehungen zu Nissan eintreten und das heißt eben nichts anderes als: genau deswegen musste Thierry Bolloré gehen.
Langfristige Nachfolge noch unklar
Becker: Nicht ganz zufällig hat ja vor einem Monat auch der Auto-Partner Nissan den Chef ausgetauscht. Wie ist das jetzt bei Renault, wer folgt auf Bolloré?
König: Also zunächst wird die bisherige Finanzchefin von Renault, Clothilde Delbos, sich ums operative Geschäft kümmern, so wurde das heute mitgeteilt. Jenseits dessen wird man sich einen neuen Generaldirektor suchen. Aus Regierungskreisen ist immer mal wieder und zunehmend lauter zu hören, wie gut doch der Kanadier Ben Smith als neuer Vorstandschef bei Air France/KLM eingestiegen sei. Ben Smith, ein Ausländer, ein Außenseiter, er bekommt hier sehr gute Noten an der Air France-Spitze und also mehren sich die Spekulationen, dass auch für Renault eine derartige, eine vergleichbare Lösung gesucht werden könnte. Namen kursieren nicht; von Headhuntern ist die Rede, die sich schon an die Arbeit gemacht hätten. Wer auch immer das werden wird, es gibt sehr viel zu tun, um diesen Konzern wiederr... sagen wir: in eine gewisse Stabilitätslage zu bringen. Man erinnere sich, es gab - das ist noch nicht so lange her - diese geplatzt Fusion mit Fiat. Sie platzte durch das Veto der französischen Regierung und damals wäre Konzernchef Jean-Dominique Senard um ein Haar zurückgetreten. Jetzt der Rauswurf von Bolloré, also die ganze Konzernspitze steht… ja, wacklig da, und ganz abgesehen davon, dass eben die jüngsten Zahlen auch nicht glänzend waren.
Allianz mit Nissan muss neu belebt werden
Becker: So ganz einfach, Sie haben das Stichwort erwähnt, ist ja die Lage bei Renault im Moment nicht, überhaupt diese Allianz mit Nissan. Wie sieht’s bei der aus und wie stehen Renault und Nissan im Moment da?
König: Also zu sagen, diese Allianz wäre angeschlagen, das wäre fast ein zu schwaches Wort. Die Erschütterungen waren schon sehr heftig. Bei dieser Aufklärung der Ghosn-Affäre da hätten die Franzosen lange Zeit nicht mitgearbeitet, dieser Eindruck, der entstand in Japan. Dieser Vorwurf wird immer wieder erhoben und das sorgte doch für sehr viel böses Blut. Immerhin, diese Entlassung von Thierry Bolloré heute könnte den Weg zu einem, sagen wir, wieder friedlicheren Miteinander ebnen. Sie haben es angedeutet, bei Nissan hat man gerade auch einen früheren Verbündeten von Carlos Ghosn entlassen, Hiroto Saikawa, und entsprechend hatten die Japaner hier Druck gemacht, auf dass eben auch in Frankreich im eigenen Haus für klare Verhältnisse gesorgt wird. Das ist heute geschehen. Und das wird die Gemüter der Allianz etwas beruhigen. Grundsätzlich, wenn man sich erinnert, passten beide Hersteller jahrelang ja sehr gut zusammen. Aber: Das alles trug eben die Handschrift von Carlos Ghosn. Nun muss neues Personal diese Allianz neu beleben und, was immer man da erwarten darf: ein Selbstläufer wird das auf gar keinen Fall.