Donnerstag, 25. April 2024

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Rentenpolitiker Peter Weiß (CDU)
"Beitragssatz auf jeden Fall unter 25 Prozent halten"

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles will das Rentenniveau stabilisieren - auch mit höheren Beiträgen. "Bei zu hohen Abgaben hätte die junge Generation aber keine Freude am Arbeiten mehr", sagte Peter Weiß, Vorsitzender der CDU/CSU-Arbeitnehmergruppe im Bundestag, im DLF.

Peter Weiß im Gespräch mit Mario Dobovisek | 06.10.2016
    Peter Weiß, Vorsitzender der CDU/CSU-Arbeitnehmergruppe im Bundestag
    Peter Weiß, Vorsitzender der CDU/CSU-Arbeitnehmergruppe im Bundestag (Imago/Metodi Popow)
    Nahles hatte gesagt, dass zur Sicherung des Rentenniveaus über 2030 hinaus die Beiträge auf 22 Prozent könnten - und dort nicht stehen bleiben müssten. Derzeit sind es 18,7 Prozent. "Es gibt weitgehenden Konsens, dass man Regeln aufstellen muss für ein Mindestniveau", sagte Weiß. Das habe natürlich Auswirkungen auf die Beitragssätze. "Doch wenn man irgendwann 26, 28 Prozent in der Zukunft hätte, ist das zu zu hoch. Wir brauchen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Beitragssatz und Rentenniveau." Er forderte, dass die Beiträge unter 25 Prozent bleiben.
    Paritätische Verteilung der Beiträge soll bleiben
    Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen zurzeit jeweils 9,35 Prozent des Bruttogehalts in die Rentenversicherung ein, die sich zudem über den Bundeszuschuass finanziert. "Der Zuschuss ist an den Beitrag gekoppelt. Ich kann mir vorstellen, dass man zur Abmilderung des Beitragssatzes in den 2030er und 2040er Jahren den Zuschuss erhöht", sagte Weiß. An der paritätischen Verteilung wolle man festhalten.
    Die Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung sei keine Lösung des Problems, sagte Weiß. Allerdings forderte er, gerade Selbstständige zu einer Form der Altersvorsorge zu verpflichten, da seinen Angaben nach derzeit 17 Prozent von ihnen in der Grundsicherung landen. Die oft kritiserte kapitalgedeckte Vorsorge wie Riester oder die betriebliche Altersvorsorge müssen seiner Ansicht nach eine Perspektive haben. Bei der betrieblichen Altersvorsorge stellte er einen Gesetzentwurf in Aussicht.

    Das Interview in voller Länge:
    Mario Dobovisek: Mitgehört hat wie gesagt Peter Weiß. Er ist Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe in der Unions-Fraktion im Bundestag und auch deren Rentenpolitiker. Guten Morgen, Herr Weiß!
    Peter Weiß: Guten Morgen.
    Dobovisek: Hören wir uns noch einmal gemeinsam an, was Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles da in der ARD gesagt hat mit Blick auf die Rentenpläne, die sie bald vorstellen will.
    O-Ton Andrea Nahles: "Wenn wir uns darauf verständigen, dass das Rentenniveau stabilisiert werden wird, dann müssen wir auch ehrlich sein: Das wird mehr kosten. Also es wird dann auch ausgewiesen werden von mir, dass eben die Beiträge nicht auf den 22 Prozent stehen bleiben, die wir jetzt im Gesetz festgelegt haben."
    Dobovisek: Fassen wir das zusammen: Stabiles Rentenniveau, aber höhere Beiträge. Ein Weg, den Sie und die Union mitgehen wollen, Herr Weiß?
    Ausgewogenes Verhältnis zwischen Beitragssatz und Rentenhöhe
    Weiß: Wir haben derzeit ja nur eine Regelung, welches Mindestniveau die gesetzliche Rente einhalten muss bis zum Jahr 2030. Und über was jetzt diskutiert wird ist die Frage, müssen wir nicht schon bald auch eine gesetzliche Regelung treffen, wie es nach dem Jahr 2030 weitergehen soll. Und da gibt es, glaube ich, weitgehenden Konsens, dass man auch da Regeln aufstellen muss zu einem Mindest-Sicherungsniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung, und das hat selbstverständlich auch seine Auswirkungen auf die Beitragssätze. Derzeit ist ja die Regel, dass der Beitragssatz bis zum Jahre 2030 nicht über 22 Prozent steigen darf, und man kann sich vorstellen, wenn einmal Beitragssätze von 26, 28, möglicherweise 30 Prozent in der Zukunft drohen würden, dass das selbstverständlich zu hoch ist. Und deswegen muss für die Frage, was passiert nach dem Jahr 2030 - das ist ja noch lange hin -, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Beitragssatz und Rentenhöhe gefunden werden.
    Beitragssatz muss unter 25 Prozent bleiben
    Dobovisek: Wo liegt bei Ihnen die Schmerzgrenze für die Beitragssätze?
    Weiß: Ich glaube, dass schon Beiträge von 26 und 28 Prozent so hoch sind, dass die junge Generation, die dann im Arbeitsleben stehen wird, sicherlich keine Freude am Arbeiten hat bei so hohen Abgaben, und deswegen muss man den Beitragssatz auf jeden Fall schon unter 25 Prozent halten.
    Dobovisek: Das heißt aber, die Rentenbeiträge werden auf jeden Fall steigen, das höre ich da heraus, so oder so, weil sonst das Rentenniveau nicht haltbar ist. - Gucken wir uns die Verteilung der Kosten an. Das ist ja normalerweise bisher gut aufgeteilt zwischen Arbeitnehmern, Arbeitgebern und eben dem Bundeszuschuss. Wird sich an dieser Verteilung etwas ändern?
    Prognose für die Zukunft hänge von wirtschaftlicher Entwicklung ab
    Weiß: In der bisherigen gesetzlichen Regelung ist ja der Bundeszuschuss an den Beitrag gekoppelt. Sprich: Steigt der Beitrag, steigt auch der Bundeszuschuss. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass zur Abmilderung des Beitragsanstiegs in den 2030er- und 2040er-Jahren man auch noch mal den Bundeszuschuss zusätzlich erhöht. Jetzt sind das Planungsdaten für eine Zeit, die ja noch weit weg ist.
    Das Entscheidende wird ja sein, wie sich die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten in Deutschland fortsetzt. Schauen Sie, wir haben zurzeit einen Beitragssatz von 18,7 Prozent in der gesetzlichen Rentenversicherung. Wenn Sie den Rentenversicherungsbericht von vor fünf Jahren nachlesen: Die damalige Schätzung sah für dieses Jahr 19,9 Prozent als Beitragssatz vor. Die wirtschaftliche Entwicklung war wesentlich besser. Wir haben einen niedrigeren Beitrag. Wir haben in diesem Jahr sogar eine Steigerung des Rentenniveaus aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung und der guten Entwicklung am Arbeitsmarkt. Das könnte sich nächstes Jahr sogar wiederholen. Also es geht um eine Prognose für die Zukunft, die natürlich sehr stark von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängt.
    "Wir wollen an der paritätischen Finanzierung der Rente festhalten"
    Dobovisek: Arbeitnehmer und Arbeitgeber, um an diesem Punkt noch mal einzuhaken, zahlen zu gleichen Teilen in die Rentenkassen ein. Wenn die Sätze steigen, könnte ja jemand auf die Idee kommen und die Krankenkassenbeiträge als Blaupause nehmen. Der Arbeitgeberanteil ist da eingefroren worden, die Mehrkosten zahlen allein die Arbeitnehmer. Wie wollen Sie eine solche Entwicklung bei der Rente verhindern?
    Weiß: Ich sehe nirgendwo, dass ein solcher Vorschlag zur Diskussion steht, sondern wir wollen an der paritätischen Finanzierung der Rente festhalten.
    Dobovisek: Es bleibt also bei der Solidarität sozusagen?
    Weiß: Ja!
    Dobovisek: Stichwort Solidarität. Bevor wieder an einzelnen Stellschrauben gedreht wird, an den Sätzen und den Beiträgen, es gibt ja auch eine große Gruppe von Beschäftigten, die nicht in die Rentenkasse einzahlen müssen, Selbständige zum Beispiel, Beamte, auch Sie als Bundestagsabgeordneter. Ist das solidarisch?
    Weiß: Man kann natürlich auch alle Erwerbstätigen in die Rentenversicherung aufnehmen. Das ändert aber an der Finanzentwicklung der Rentenversicherung nichts.
    Dobovisek: Es würde zumindest mehr Beiträge geben, die verteilt werden können.
    Weiß: Ja. Aber das heißt ja auch mehr Ausgaben.
    Gefahr der Altersarmut bei Selbstständigen
    Dobovisek: Die Ausgaben sind ja trotzdem da, weil diejenigen, die nicht in die Rentenkasse einzahlen, nicht genügend abgesichert sind, Stichwort Altersarmut, die schlittern genau da rein, und Andrea Nahles geht bei Selbständigen von einer Zahl von drei Millionen Menschen aus, die genau von diesem Risiko betroffen sind.
    Weiß: Vollkommen richtig ist: Es gibt ein sozialpolitisches Problem, das wir lösen müssen. Wir sehen, dass bei etwa zehn Prozent Selbständige oder ehemalige Selbständige, muss man sagen, im Rentenalter wir in der Grundsicherung allerdings 17 Prozent ehemalige Selbständige haben mit steigender Tendenz, also viele Selbständige sich nicht fürs Alter abgesichert haben, und deswegen fordert auch die CDU, dass wir Selbständige künftig verpflichten, fürs Alter vorzusorgen oder eine Altersvorsorge nachzuweisen, weil wir nicht hinnehmen können, dass offensichtlich ein beachtlicher Teil nicht ausreichend fürs Alter vorsorgt. Diese Frage, die, glaube ich, muss für die Zukunft auf jeden Fall gelöst werden.
    Dobovisek: Auch Beamte und Bundestagsabgeordnete?
    Weiß: Beamte und Bundestagsabgeordnete und rund ein Drittel von Selbständigen mit zum Beispiel einem berufsständischen Versorgungswerk-Anteil sind ja in einem System von Alterssicherung. Wenn Sie die in die gesetzliche Rentenversicherung reinholen, das wollte ich vorhin auch mal sagen, was eine beliebte Forderung ist, dann ändert das an der Finanzlage der Rentenversicherung nichts. Und Aufgabe des Gesetzgebers ist es, da Vorschriften zu machen, wo eine sozialpolitische Notwendigkeit besteht, drohende Altersarmut zu vermeiden.
    "Bei betrieblicher Altersvorsorge wird bald ein Gesetzentwurf vorliegen"
    Dobovisek: Auf welches Niveau darf Ihrer Meinung nach das Rentenniveau sinken? Derzeit liegt es bei knapp 48 Prozent.
    Weiß: Diese Frage kann man nur beantworten, wenn man gleichzeitig weiß, wie sich die zusätzliche Altersversorgung entwickeln wird, und da haben wir eigentlich ein noch viel schärferes Problem, nämlich sowohl die private kapitalgedeckte Altersvorsorge, also das Riester-Sparen, als auch die betriebliche Altersvorsorge haben seit dem Jahr 2009 kaum noch ein Wachstum, und deshalb macht es nur Sinn, ein Gesamtrentenkonzept vorzulegen, in dem ich für alle Formen von Altersvorsorge eine Perspektive für die Zukunft entwickeln kann.
    Bei der betrieblichen Altersvorsorge sind wir, glaube ich, in den Gesprächen, die auch zwischen der Bundesarbeitsministerin und dem Bundesfinanzminister geführt worden sind, so weit, dass hier bald einen Gesetzentwurf vorliegen wird, mit dem wir der betrieblichen Altersvorsorge noch mal einen tüchtigen Push geben, bei dem wir vor allen Dingen für Geringverdiener die betriebliche Altersvorsorge attraktiver und finanzierbarer machen. Und deshalb ist die entscheidende Frage die: Ich muss das Gesamt- Versorgungsniveau im Alter mir anschauen, wie das in der Zukunft sich entwickelt, um eine solche Niveau-Frage zu klären.
    Dobovisek: Dann sind wir darauf gespannt, Herr Weiß. - Peter Weiß ist Rentenpolitiker der Fraktion von CDU und CSU im Deutschen Bundestag. Ich danke Ihnen für das Interview.
    Weiß: Ich danke.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.