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Rentenreformvorschläge der Rürup-Kommission in der Kritik

Spengler: Die Rentenbeiträge drohen weiter zu steigen. Erst Anfang des Jahres wurden sie erhöht, von 19,1 auf 19,5 Prozent des Bruttoeinkommens. Nun befürchten Mitglieder der Rürup-Kommission, dass schon im kommenden Jahr 19,9 Prozent erreicht werden könnten. Um die Rentenprobleme in den Griff zu bekommen, hatte Regierungsberater Rürup letzte Woche vorgeschlagen, das Renteneintrittsalter schrittweise zu erhöhen, von 65 auf 67 Jahre ab dem Jahr 2011. Edmund Stoiber lehnte den Rürup-Vorschlag schon ab, ebenso Hermann-Josef Arentz, der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Arentz.

    Arentz: Guten Morgen, Herr Spengler.

    Spengler: Herr Arentz, nach den Erfahrungen mit diversen anderen Kommissionen, an deren Empfehlungen sich der Kanzler ja auch nicht unbedingt gehalten hat: Wie ernst nehmen Sie Rürups Rente mit 67?

    Arentz: Man muss es immerhin so ernst nehmen, dass darüber jetzt eine vernünftige inhaltliche Diskussion stattfindet, denn immerhin hat sich ja schon die zuständige Rentenministerin Frau Schmidt den Vorschlag von Rürup zu eigen gemacht. Wobei ja der Rürupsche Vorschlag gleich zwei innere Fehler enthält. Der eine Punkt ist, dass der drohende Anstieg der Rentenversicherungsbeiträge im nächsten Jahr ja überhaupt nicht damit aufgelöst würde, wenn ab dem Jahre 2010 das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahre angehoben würde, denn die jetzt drohenden Steigerungen bei den Rentenbeiträgen sind in der immer weiter steigenden Arbeitslosigkeit begründet und nicht etwa in der demographischen Struktur. Das ist der eine Teil. Der andere Teil ist, dass bei der hohen Arbeitslosigkeit von sechs Millionen Menschen und bei der absoluten Chancenlosigkeit älterer Arbeitsloser auf dem Arbeitsmarkt der Rürup-Vorschlag Rente mit 67 in Wirklichkeit nichts anderes bedeutet als den Menschen, die doch früher in Rente gehen müssen, noch höhere Abschläge von ihrer Rente aufzubrummen. Das heißt, wir drücken das Rentenniveau mit diesem Vorschlag weiter runter, und das finde ich unsozial. Und dann sollte man das Kind im übrigen auch offen beim Namen nennen, was ja die Regierung bis jetzt nicht tut.

    Spengler: Herr Arentz, malen Sie dieses Bild nicht aus parteipolitischen Gründen allzu schwarz? Es soll ja erst ab 2010, 2011 gelten und dann auch schrittweise. Bis dahin könnte eine kluge Politik doch etliche neue Arbeitsplätze für Ältere entstehen lassen.

    Arentz: Wenn dem so wäre, könnte man ja im Jahre 2008 oder im Jahre 2009 über einen solchen Vorschlag nachdenken. Aber was wir im Moment erleben ist doch, dass im Grunde jedes Jahr die Zahl der Arbeitslosen steigt, zweitens inzwischen die Unternehmen mit Menschen, die Mitte oder Ende Vierzig sind, sagen, die können wir nicht mehr einstellen, die sind zu alt. Und wenn die Leute Mitte Fünfzig oder spätestens Ende Fünfzig sind, werden sie durch Vorruhestandsprogramme aus den Unternehmen herausgedrängt. Deswegen sage ich, die vernünftige Lösung, die realistische Lösung für die demographischen Rentenprobleme muss darin liegen, dass wir schrittweise vom heutigen Renteneintrittsalter, was bei knapp 60 Jahren liegt, in Richtung 65 kommen. Das wäre notwendig, das wäre vernünftig, aber dafür muss man nicht die Menschen kopfscheu machen.

    Spengler: Herr Arentz, das ist schon richtig, dass das reale Renteneintrittsalter im Prinzip bei 60 liegt, aber um, wie Sie sagen, zu 65 zu kommen, muss man da nicht schon formell 67 ins Gesetz schreiben?

    Arentz: Nein, das müssen Sie nicht. Sie müssen nur sehen, dass der wirklich gravierende sozialpolitische Unfug der massenhaften Vorruhestandsprogramme beseitigt wird. Übrigens von Programmen, die ja durch die Beitragszahler für Arbeitslosenversicherung im wesentlichen finanziert werden, also im wesentlichen auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen werden. Das ist der eine Punkt, und der andere Punkt ist, die Unternehmen müssen auch mehr investieren in die Weiterbildung der Arbeitnehmer, denn es geht ja darum, die Beschäftigungsfähigkeit auch der älteren Arbeitnehmer bis zum 65. Lebensjahr aufrecht zu erhalten. Da ist in der Vergangenheit viel zu wenig für getan worden.

    Spengler: Das scheint mir aber so zu sein, dass dort die beiden großen Parteien, wenn ich an die interne SPD-Reformdiskussion denke, jetzt an einem Strang ziehen, weil es ja diese massenhaften Vorruhestandsprogramme in Zukunft nicht mehr geben soll. Wenn die Rürup-Vorschläge, so wie Sie sagen, so schlecht sind, warum hat Ihr Parteifreund Friedrich Merz dann gesagt, Rürup habe gute Vorschläge gemacht, über die es sich lohne zu diskutieren?

    Arentz: Friedrich Merz hat zur Frage des Renteneintrittsalters meines Wissens nach überhaupt nichts gesagt. Die einzige deutlich vernehmbare Stimme jetzt am Wochenende zu der Frage Rente mit 67 ist vom bayerischen CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber gekommen. Er hat völlig zu Recht gesagt, dass dieser Vorschlag in der jetzigen Situation absurd ist.

    Spengler: Merz hat im ARD-Morgenmagazin gesagt, Rürup habe gute Vorschläge gemacht, über die es sich lohne zu diskutieren.

    Arentz: Ich habe es Ihnen ja auch zu Anfang gesagt: Man muss es so ernst nehmen, dass man darüber diskutiert, aber man muss nicht zu dem Ergebnis kommen, es heute zu beschließen.

    Spengler: Haben wir nicht sowieso noch etwas Zeit? SPD-Chef Müntefering hat gestern im Deutschlandfunk gesagt, dass die Bundesregierung möglicherweise nicht mehr vor der Bundestagswahl 2006 über eine Rentenreform und die Rente mit 67 entscheiden werde.

    Arentz: Die Bundesregierung muss sich natürlich darüber klar werden, was sie will. Ursprünglich sollte die Rürup-Kommission nach dem Willen der Bundesregierung im Herbst ihre Pläne wohlüberlegt formuliert vorlegen. Dann ist der Rürup-Kommission mächtig Feuer unterm Hintern gemacht worden, und es ist gesagt worden, ihr müsst jetzt ganz schnell und ganz sofort etwas zur Reform der Rentenversicherung vorlegen. Frau Schmidt hat noch vor wenigen Monaten gesagt, dass wir bis zum Jahre 2015 keine Reformen mehr im Rentenrecht brauchen. Das ist ein solch furchtbares Durcheinander bei der Bundesregierung, dass man sagen muss, da weiß die rechte nicht, was die linke tut und umgekehrt. Was wir brauchen ist eine Rentenreform, die auf der einen Seite die Eigenvorsorge deutlicher hervorhebt als das bei Riester ist. Das ist der eine Punkt, und der andere Punkt ist, dass wir verstärkt familienfreundliche Elemente ins Rentenrecht hinein nehmen müssen. Ich meine, wir müssen die Rente umbauen vom Zwei-Generationen-Vertrag zum Drei-Generationen-Vertrag, wo also auch die Kinder eine wichtigere Rolle spielen. Meiner Meinung nach müssten wir versuchen, Eltern, die Kinder erziehen, während der Erziehungszeit bei den Beiträgen zur Rentenversicherung deutlich zu entlasten. Das wäre ein notwendiger und wichtiger Reformschritt, auch um langfristig den Menschen in Deutschland wieder mehr Mut zu Kindern zu machen.

    Spengler: Danke schön. Das war Hermann-Josef Arentz, der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse.

    Link: Interview als RealAudio