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Republik Moldau
Zwischen russischer Zollunion und EU-Annäherung

Die Bevölkerung Moldawiens unterstützt den pro-europäischen Kurs ihrer Regierung keineswegs geschlossen. Russlands Gegenangebot zum Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU heißt Zollunion: ein enges Wirtschaftsbündnis mit dem ebenfalls rohstoffreichen Kasachstan, mit Weißrussland und möglicherweise weiteren GUS-Staaten.

Von Andrea Rehmsmeier | 22.04.2014
    Blick ins Parlament der Republik Moldau
    Blick ins Parlament der Republik Moldau (picture alliance / Dumitru DoruMol)
    An der Windschutzscheibe ziehen spätwinterlich graue Weinfelder vorüber, hier und da muss das Auto einen Pferdekarren überholen. Wer die schicken Boulevards der moldauischen Hauptstadt Chisinau in Richtung Süden verlässt, den führt eine holprige Landstraße in eine der ärmsten Gegenden Europas. Gehört das Agrarland Moldau in die Europäische Union? Oder doch eher in eine Russland-dominierte Wirtschaftsunion? Oleg, der Fahrer, stellt sich diese Frage seit Jahren.
    "Immer ändert sich alles, es gibt keine Stabilität weit und breit. Und niemand weiß, wo die Reise hingeht – ob nach Europa oder nach Russland. Am Ende geht es ja sowieso nach dem Parlament und nach dem Staat."
    Ein Referendum durchzuführen, hat die Regierung in Chisinau immer verweigert. Der Ausgang wäre ungewiss, sagen Meinungsumfragen. Die autonome Provinz Gagausien hat es dennoch gewagt. Im Februar hat die Gebietsverwaltung - gegen den Willen der Zentralregierung – seine Bevölkerung befragt: Soll sich die Republik Moldau der Europäischen Union oder lieber der von Putin vorgeschlagenen Zollunion anschließen? Das Ergebnis fiel geradezu verdächtig eindeutig aus: 98,5 Prozent pro Russland. Ein authentisches Stimmungsbild, glaubt ein junger Mann, der über den Marktplatz des Verwaltungszentrums Gagausiens, Comrat, schlendert.
    "Ich bin sehr gegen die EU. Erst zwingen sie dich, bei ihnen Schulden zu machen, und die muss man dann zurückzahlen. Und später kann man in der Weltpresse nachlesen, was mit denen passiert, die sich mit der EU verbündet haben. Ich bin für die Zollunion, ich habe dafür gestimmt."
    Skepsis gegenüber der EU
    Gagausien ist eine Provinz mit Eigenheiten: Gerade mal 160.000 Menschen leben hier. Viele Angehörige der turksprachigen Minderheit verdienen ihr Geld als Gastarbeiter in Russland, für sie würde eine Zollunion die Grenzbürokratie erheblich erleichtern. Das Oberhaupt nennen die Gagausen in ihrer Turksprache "Baschkan". Michail Formuzal ist eigentlich alles andere als ein Anti-Europäer. Sein Sohn studiert in Deutschland. Dennoch: Auch er ist pro Russland.
    "In den Supermarktregalen in Deutschland habe ich Wein für 1,50 Euro gesehen. Unser Wein kostet hier schon umgerechnet zwei Euro - würden wir exportieren, dann kämen die Kosten für Logistik, Marketing und Verkauf in Europa noch drauf! In Europa sind wir nicht konkurrenzfähig. In Russland aber sind unsere Weine bekannt und beliebt. Wer jetzt sagt: 'Heute unterschreiben wir das Assoziierungsabkommen mit der EU, und schon morgen werden wir gut leben!' – der betrügt das Volk."
    In der Hauptstadt Chisinau sieht das Meinungsbild anders aus. Im Presseraum des moldawischen Parlaments drängeln sich Journalisten, die Live-Übertragung aus dem Sitzungssaal zeigt hitzige Debatten. Denn die Gefahr von Störmanövern aus Moskau hängt wie ein Damoklesschwert über Moldaus EU-Integrations-Kurs. Die russische Regierung reagiert auf die Annäherung mit Zuckerbrot und Peitsche. Sie straft mit Import-Embargos für Wein und Lebensmittel und lockt mit Gaspreis-Rabatten. Doch das moldauische Parlament wird von pro-europäischen Fraktionen dominiert. Als Lehre aus der Krimkrise hat Ministerpräsident Iurie Leanca umso nachdrücklicher den EU-Beitritt für sein Land gefordert. Ana Gutu, Leiterin der parlamentarischen Kommission für EU-Integration, ist überzeugt: Noch in diesem Jahr wird die Republik Moldau das Assoziierungsabkommen unterzeichnen.
    "Bis heute hat die Republik Moldau von Russland nichts bekommen, außer: extrem teures Gas. Hinter der EU aber steht ein System, und das ist unabhängig - von der Tageslaune eines Staatschefs. Als vollwertiges EU-Mitglied – das wir ja hoffentlich einmal sein werden – könnte man uns nicht mehr damit erpressen, dass man uns kein Gas mehr liefert. So, wie es Russland tut."