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Reserven von Lebensversicherungen auf dem Prüfstand

Bisher mussten deutsche Lebensversicherer ihre Kunden an Reserven für festverzinste Wertpapiere beteiligen. Mit einer Gesetzesvorlage soll sich das ändern. Doch im Vermittlungsausschuss von Bundestag und -rat wurde die Entscheidung vertagt. Welche Rechte hätten die Verbraucher im Falle einer Gesetzesänderung?

Von Stefan Maas | 30.01.2013
    Noch immer ist nicht abschließend geklärt, ob Versicherungskonzerne zukünftig bei der Auszahlung einer Lebensversicherung einen Teil des Geldes, das bislang den Kunden zusteht, einbehalten dürfen oder nicht. Denn der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat das Thema gestern Abend zunächst an eine Arbeitsgruppe weiterverwiesen. Die soll bis Ende Februar einen Lösungsvorschlag erarbeiten.

    Gestritten wird um die sogenannten Bewertungsreserven. Seit 2008 müssen die Versicherer ihre Kunden zur Hälfte daran beteiligen. Bei der Auszahlung der Versicherung machen sie etwa fünf Prozent des Gesamtvolumens aus, rechnet das Bundesfinanzministerium vor. Diese Bewertungsreserven sind theoretische Gewinne. Sie ergeben sich aus der Differenz zwischen dem Kaufpreis eines Papiers und dem aktuellen Kurs. Und die ist wegen der niedrigen Zinsen und den entsprechend hohen Kursen gerade besonders groß. Heißt also, die Unternehmen müssen gerade bei Fälligkeit einer Police viel zahlen. Geht es nach dem Willen der schwarz-gelben Koalition, dürfen die Unternehmen deshalb demnächst bei der Auszahlung einer Versicherung fünf Prozent des Kundenanteils an diesen Reserven zurückhalten.

    Für Axel Kleinlein, den Vorsitzenden des Bundes der Versicherten ist das nicht akzeptabel:

    "Wenn den Kunden über Jahre hinweg gesagt wird, dass Reservepuffer aufgebaut werden für die schlechten Zeiten, in den schlechten Zeiten aber eben nicht unterstützt wird, sondern im Gegenteil die Überschussbeteiligung noch weiter heruntergefahren wird, dann ist das eine Frechheit."

    Ausgangspunkt des Problems ist, dass die Unternehmen ihren Kunden in der Vergangenheit hohe Erträge versprochen haben. Wegen der dauerhaft niedrigen Zinsen, die es für festverzinsliche Papiere wie etwa Staatsanleihen gibt, fällt es ihnen nun zunehmend schwerer, gute Renditen zu erwirtschaften. Sie müssten also, erklären die Versicherungen, zu viel Geld ausgeben für Lebensversicherungen, die in den nächsten Jahren fällig werden – und weil sie dabei ihre Reserven angreifen, bleibe für Kunden, deren Verträge noch lange laufen, weniger übrig.

    "Man darf hier nicht die Versicherungsnehmer, die einzelnen, die einen Vertrag unterzeichnet haben und die Versichertengemeinschaft der Zukunft alleine gegeneinander ausspielen, sondern es muss in dem Dreieck, Versicherungskonzerne, Versicherungsnehmer und Versichertengemeinschaft gemeinsam getragen werden, was da an Problemlösungen notwendig ist."

    Sagt Volker Beck, erster parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen Bundestagsfraktion und ebenfalls Mitglied im Vermittlungsausschuss. Das Gesetz, wie es die Bundesregierung plant, entlaste einseitig die Versicherungskonzerne, erklärt Niels Nauhauser, Referent für Altersvorsorge bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Vielen Versicherungen gehe es finanziell gut. Und auch ohne das Geld, was die Versicherer von ihren Kunden zukünftig einhalten wollen, gebe es bereits Mechanismen, die griffen, könnte ein Versicherer seine Garantieversprechen nicht einhalten.

    "Was die Versicherer wohl stören wird an den derzeitigen Regeln ist, dass sie dann mit eigenem Geld für diese Garantien einstehen, denn das Geld, das in dem Sicherungstopf 'Protector' liegt, haben sie ja selbst aus vergangenen Gewinnen eingezahlt. Und wenn das aufgebraucht würde, müsste man in Zukunft ja wieder einen Teil des Gewinnes zur Seite legen, um diesen Topf wieder zu füllen."

    Nun aber versuchten die Unternehmen die finanziellen Lasten auf ihre Kunden abzuwälzen, statt eigenen Mittel dafür einzusetzen. Sollte es im Vermittlungsausschuss wieder keine Lösung geben und alles so bleiben wie es ist, gebe es für Kunden zunächst keinen Handlungsbedarf, sagt Michael Wortberg von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, aber:

    "Wenn die Regelungen so kommen, wie die Bundesregierung das möchte, wenn also die Bewertungsreserven gekürzt werden, dann sollten Leute, deren Verträge in den nächsten Monaten regulär auslaufen würden, unbedingt prüfen, ob es nicht Sinn macht, vorzeitig zu kündigen, denn bei diesen Plänen haben wir Unterlagen gesehen, wo die Leute mehrere Tausend Euro gesehen haben."