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Restitutionsbericht in Frankreich
Angst vor leeren Museen

26 Artefakte hat Frankreichs Staatspräsident Macron an das westafrikanische Benin zurückgegeben. Damit folgte er den Empfehlungen des Restitutionsberichtes von Bénédicte Savoy und Felwine Sarr. Im Pariser Musée du Quai Branly fürchtet man weitere Konsequenzen des Gutachtens.

Von Barbara Kostolnik | 27.11.2018
    Exponate im Musee Quai du Branly in Paris werden für den Rücktransport in die Ursprungsländer verpackt Foto: Barbara Kostolnik, ARD
    Exponate im Musee Quai du Branly in Paris werden für den Rücktransport in die Ursprungsländer verpackt (Barbara Kostolnik / ARD)
    "Fendre l’air" - die Luft zerteilen, heißt die neueste Ausstellung im Musée du Quai Branly: Direktor Stéphane Martin hat sie persönlich konzipiert. Es geht um japanische Flechtarbeiten aus Bambus, ein filigranes und widerständiges Material. Das aber einen entscheidenden Vorteil hat, erklärt der Direktor der Asien-Abteilung, Julien Rousseau:
    "Viele Werke, die hier ausgestellt werden, gehören dem Museum und wurden kürzlich erworben, der größte Teil sind Leihgaben aus Privatsammlungen und aus Museen wie dem Museum für Moderne Kunst in Tokio, das sehr viele Flechtarbeiten besitzt."
    Die leidige Frage einer vielleicht problematischen Provenienz stellt sich hier also nicht: Aus Japan haben eher wenige "unsauber erworbene" Objekte ihren Weg ins Museum gefunden. Von dieser Seite droht keine Gefahr.
    Gerne hätte die ARD Museumsdirektor Martin zu dem Savoy-Sarr-Bericht über koloniale Raubkunst befragt: Martins Museum besitzt etwa 70.000 Objekte aus den Subsahara-Staaten, 45.000 von ihnen könnte im Laufe der nächsten Jahre die Rückgabe drohen. Martin aber ließ den Termin platzen. Es sei etwas Dringendes dazwischengekommen.
    "Savoy-Sarr-Bericht mag Museen nicht"
    Dem französischen Radio Europe1 bestätigte Martin immerhin, dass der Bericht durchaus sein Museum gefährden könnte:
    "Man könnte es so sehen, dass wir wahrscheinlich unser Museum leeren und dann dicht machen müssen, wenn man der Logik dieses Berichts folgt", bestätigte Martin auf Nachfrage. "Dieser Bericht mag die Museen nicht besonders. Er arbeitet auf eine bemerkenswerte Weise die Ressentiments heraus, die afrikanische Intellektuelle gegenüber der Kolonialisierung hegen, die westliche Museen mit den Symbolen der Kolonialherrschaft auf eine Stufe stellen, die man beseitigen sollte."
    Martin machte aus seinem Herzen keine Mördergrube, der Bericht behagt ihm nicht besonders. Was auch an dem Vergleich deutlich wird, den er wählte, um seine Malaise zu illustrieren:
    "In allen Museen gibt es Werke, die man lieber an anderen Orten haben möchte. Wie viele Matisses befinden sich zum Beispiel in Russland, der Großteil! Aber für mich ist wichtig, dass wir eine Gemeinschaft der Museen weltweit bilden, wo wir alles teilen, wo die Werke zirkulieren und die Menschen auch."
    Bislang nur Augenmerk auf Afrika
    Die Einbahnstraße der Kolonialzeit einfach vergessen, als die Werke nämlich hauptsächlich Richtung Europa zirkulierten mit der Folge, dass sich die Afrikaner dorthin bewegen müssen, um ihr kulturelles Erbe mit eigenen Augen zu sehen, das ist nicht das Anliegen des Berichts. Der zudem erst der Anfang ist. Der Direktor der Asien-Abteilung weiß das auch:
    "Im Moment betrifft dieser Bericht nur den afrikanischen Kontinent. Andere Kontinente sind nicht betroffen, für den Moment"
    Und dennoch wird sich das Musée du Quai Branly verändern.
    Die Statuen aus dem westafrikanischen Benin, die laut Präsidenten-Beschluss in allernächster Zeit ihren ursprünglichen Besitzern ausgehändigt werden sollen, werden gerade im Quai Branly vermessen. Sie dürften bald an einem anderen Ort zu besichtigen sein, für den europäische Besucher weit reisen müssen: in Benin.