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Retro und Recycling
Die Frieze Art Fair London macht gute Geschäfte

Sex Work, Skulpturenpark und super Geschäfte – auf der Frieze Art Fair in London gebe es "keine Spur von Brexit-Blues", sagte Kunstkritikerin Louise Brown im Dlf. Die Messe zeigt Neon-Bambis, Jagdtrophäen sowie Altbewährtes von Koons und Co.

Luise Brown im Gespräch mit Susanne Luerweg | 06.10.2017
    Ein Auktionssaal in dem Personen, vor einem Bild sitzend, Gebote abgeben
    Die Auktionen in London sind vom Brexit nicht betroffen (imago)
    Susanne Luerweg: Wer kein Betongold hat, kauft Kunst um sein Geld anzulegen, so die Maxime einiger Zeitgenossen mit zu viel Geld. Ein Umschlagplatz für angesagte zeitgenössische Kunst ist die Frieze Art Fair, die auch in diesem Jahr wieder am Rande des Londoner Regent Parks in einem Festzelt ausgerichtet wird. Seit 2003 können Künstler und Galeristen hier regelmäßig den Wert ihrer Ware überprüfen. Seit ein paar Jahren gibt es einen Ableger in New York und einige Beiboote wie die Frieze Masters oder den in diesem Jahr schon im Sommer eröffneten Skulpturenpark in London. Louise Brown ist für uns über die diesjähriger Londoner Frieze gegangen und hat unter anderem nach provokanter Kunst und innovativen Ansätzen Ausschau gehalten.
    Frau Brown, in ersten Kritiken ist zu lesen- so provokant und vor allem so innovativ ist das alles gar nicht: Wenn Jeff Koons sich an einem 700 jahre alten Giotto Gemälde abarbeitet, so einige Rezensenten, dann wird die Frieze Art Fair ihrem Anspruch nicht mehr gerecht. Haben Sie das auch so erlebt?
    Luise Brown: Ich war seit ein paar Jahren nicht mehr auf der Messe gewesen, deswegen war das ganz schön jetzt noch mal hinzugehen. Ich muss sagen abgesehen von Teppichboden und der Tatsache, dass die Messe weitaus größer geworden ist, hat sich für mich auf den ersten Eindruck nicht so wirklich viel verändert.
    Da stand, als man gerade reinkam, Jay Joplin, das ist so ein ganz großer Macher in der Kunstwelt in London, Chef der White Cube Gallery, umgeben von Sammlern. Da waren die teuren Handtaschen, Klamotten, da waren die üblichen Star-Künstler bei den großen Galerien, von Picasso bei der Gagosian Gallery bis hin zu Sarah Lucas bei Sadie Coles. Und da war auch die übliche Unterhaltungskunst: irgendwelche Buddhas, die sich um die eigene Achse drehten, Videos mit Muppet Show Figuren, Bambi als Skulptur. Ein fiktives Museum by Hauser und Wirth. Aber eben auch, wenn man so ganz genau hinguckt, auch mal was starkes und innovatives. Das hat man auch gesehen.
    "Das Subtile, Bescheidenere fiel auf"
    Luerweg: Genau, ich wollte gerade nachfragen. Gab es denn die Highlights? Und welche waren das für Sie?
    Brown: Ja, das musste man schon genau hingucken. Für mich persönlich eine junge Künstlerin aus Argentinen, Amalia Pica. Sie war zu sehen bei der Londoner Herald Street Gallery, das waren so kleine Skulpturen aus Metall und Muscheln in der Form von Jagdgeweihen. Und die waren ziemlich hoch an der Wand angebracht, sodass man die erst beim zweiten Blick entdeckt hat. Dann bei der Galerija Gregor Podnar aus Berlin: Die Werke der deutsch-italienischen Künstlerin Irma Blank geboren 1934. Ja, Gemälde kann man eigentlich nicht sagen, sie malt mit Kugelschreibern auf Leinwand.
    Und dann in der Fokus-Abteilung - das ist quasi die Abteilung für junge Kunst - eine Galerie aus Kolumbien mit so wunderbaren Graphit-Zeichnungen. Und eher das Subtile, Bescheidenere fiel auf, neben der ganzen poppigen Kunst.
    Ein Werk des kanadischen Künstlers Jon Rafman mit dem Titel "Trans Dimensional Serpent" auf der 2016 Frieze Art Fair in London.
    Ein Werk des kanadischen Künstlers Jon Rafman mit dem Titel "Trans Dimensional Serpent" auf der 2016 Frieze Art Fair in London. (imago / ZumaPress)
    Luerweg: Und wie waren die Geschäfte? Waren die auch bescheiden, regierte da der Brexit-Blues oder wurde tatsächlich ordentlich verkauft?
    Brown: Ganz bestimmt nicht. Von Brexit-Blues keine Spur. Und ich habe auch viele Galleristen darauf angesprochen und die haben mich alle nach dem Motto angeguckt: Was wollen Sie eigentlich? 'Depressionen habe ich nicht', sagte einer. Und jeder Gallerist mit dem ich gesprochen habe, hatte an dem Tag verkauft und das war mittags am ersten Tag. Bei der Societé Berlin zum Beispiel, eine Gallerie die erstmals von der Fokusabteilung in die etabliertere gewechselt ist, hatte an diesem Morgen schon zwei Werke für 20 000 Pfund verkauft. Und ich habe auch schon gehört, dass dieses Werk von Jeff Koons für zwei Millionen Pfund schon über den Tisch gegangen ist.
    "Die Sammlung an feministischer Kunst war spannend zu sehen"
    Luerweg: Da müssen wir uns also keine Sorgen machen. In diesem Jahr gibt es ja nicht nur einen Skulpturenpark, der schon im Sommer eröffnet wurde, quasi als Beiboot, sondern auch noch eine Sonderausstellung mit dem wunderbaren Titel "Sex Work", was verbirgt sich denn dahinter?
    Brown: Genau, als dort wurden Werke von neun Künstlerinnen präsentiert, die radikale feministische Kunst aus den 60er, 70er und 80er Jahren geschaffen haben. Dazu gehören: Betty Tompkins und Birgit Jürgenssen, also Künstlerinnen aus Polen, aus Großbritannien und Österreich, New York. Und diese Sammlung an feministischer Kunst war schon spannend zu sehen. Um das zusammenzufassen, wie einer Besucherin gesagt hat. 'Nicht nur männliche, sondern auch weibliche Geschlechtsteile.' Es gab ja auch lange, keine große Nachfrage nach radikaler, feministischer Kunst. Und viele Galerien, die diese Kunst ausgestellt haben, hatten auf dem Markt sehr zu kämpfen. Viele Werke durften auch nicht gezeigt werden. Das war ganz schön.
    Auf der anderen Seite wirkte es auch so ein bisschen wie ein verzweifelter Versuch der Messe - diesem super-kommerziellen Event - einen radikaleren Anschein zu geben, mit neuer Kunst, die eben 40 Jahre alt ist.
    Luerweg: Luise Brown über die Frieze Art Fair in London, die noch bis Sonntag in der britischen Hauptstadt stattfindet. Frau Brown, vielen Dank für das Gespräch.
    Brown: Vielen Dank auch.