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"Rettung auf Zeit, aber keine Dauerlösung"

Angesichts der Airbus-Krise hat der ehemalige Präsident von Boeing Deutschland, Horst Teltschik, vor der Einmischung der an dem Großkonzern EADS beteiligten Regierungen gewarnt. Würden die Regierungen sich heraushalten, "könnte das Unternehmen normal geführt werden wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen und wäre damit viel flexibler und bewegungsfähiger", sagte Teltschik.

Moderation: Klaus Remme |
    Klaus Remme: Auch wenn gestern zum ersten Mal Journalisten mitfliegen durften, die Hochglanzbilder beim "role out" des A380 sind weitgehend vergessen. Der Stolz über den Super-Airbus ist bei vielen Mitarbeitern einer Angst um den Arbeitsplatz gewichen. Lieferschwierigkeiten beim Großraumflugzeug haben den ganzen Konzern in eine Krise gestürzt, der die Airbus-Muttergesellschaft EADS mit einem rigiden Sparprogramm begegnen will. Allein in Deutschland stehen 8.000 Jobs auf der Kippe, so deutsche Betriebsräte, die eine Begünstigung französischer Standorte befürchten, dies auch, weil der französische Staat 15 Prozent der EADS-Aktien hält und die Bundesregierung bisher keine einzige. Am Telefon ist jetzt Horst Teltschik. Manche kennen ihn aus der Politik als Berater von Helmut Kohl, andere als Industriemanager mit Erfahrungen bei BMW oder zuletzt bis zum vergangenen Jahr als Präsident von Boeing Deutschland. Außerdem ist er Organisator der Münchener Sicherheitskonferenz, die morgen beginnt. Guten Morgen Herr Teltschik!

    Horst Teltschik: Guten Morgen Herr Remme!

    Remme: Herr Teltschik zeigt dieser Streit, dass das Bild von Airbus als europäischem Unternehmen eigentlich nie gestimmt hat und nationale Interessen immer den Ausschlag gegeben haben?

    Teltschik: Ja. Das war immer so, dass nationale Interessen im Vordergrund standen. Wenn vier Regierungen an einem Unternehmen mitwirken, in welcher Form auch immer, werden natürlich, vor allem wenn Krisen auftreten, nationale Interessen zum Ausdruck kommen.

    Remme: Michael Glos hat EADS vor einigen Tagen mit Blick auf einen Airbus-Stellenabbau mit dem Entzug deutscher Rüstungsaufträge gedroht. Wie viel Substanz hat die Drohung aus Ihrer Sicht?

    Teltschik: Diese Drohung hat sehr wenig Substanz. Es war glaube ich auch mehr eine Erinnerung als eine Drohung, denn die Verträge sind ja längst abgeschlossen und bekanntlich sind Verträge heilig. Zweitens gibt es ja kaum eine Alternative. Das heißt die Bundesregierung müsste dann zukünftig Systeme in den USA kaufen, was sie ja weitgehend ablehnen. Das heißt solche Warnungen oder Erinnerungen oder Drohungen, wie immer Sie das nennen wollen, helfen einem Unternehmen wenig. Es geht jetzt darum, dass das Unternehmen möglichst rasch ein neues Produkt auf den Markt bringt und das Großraumflugzeug möglichst bald verkaufbar ist, damit es dem Unternehmen wieder sehr gut geht.

    Remme: Tausende von Mitarbeitern bangen um die Jobs. Werden die hier in Deutschland in Konkurrenz zu ihren französischen Kollegen das Nachsehen haben?

    Teltschik: Wissen Sie das Problem von Airbus ist natürlich, dass zwei Führungskräfte hier zusammenwirken: einmal von Deutschland und einmal von Frankreich. Ich habe die Erfahrung schon in der Politik gemacht, dass die Franzosen immer versuchen, gerade im Hightech-Bereich die dominante Rolle zu übernehmen und zu spielen. Deshalb ist es immer schwierig, sich mit den Franzosen zu verständigen. EADS hat aber mit Tom Enders einen sehr erfahrenen und auch international erfahrenen Vorstandsvorsitzenden, so dass ich sicher bin, dass die deutschen Interessen nicht zu kurz kommen.

    Remme: Man hört aber jetzt - Sie haben die unterschiedlichen Auffassungen der Industriepolitik angesprochen - die Forderung, die Bundesregierung solle ebenfalls selbst Anteile an EADS erwerben, um wie es heißt auf Augenhöhe zu sein. Macht das Sinn? Ist das die Lösung?

    Teltschik: Nein. Ich würde das in der Tat für einen Fehler halten, denn das Problem von Airbus ist ja, dass die französische Regierung Anteile hat und damit glaubt, bis in Personalentscheidungen sich einmischen zu können. Deshalb ist das Unternehmen immer wieder vor der großen Schwierigkeit, notwendige Maßnahmen sowohl personeller Art wie struktureller Art immer mit den Regierungen in gewisser Form abstimmen zu müssen. Wenn die Regierungen sich heraushalten würden, dann könnte das Unternehmen normal geführt werden wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen und wäre damit viel flexibler und bewegungsfähiger. So müssen sie ständig auf Politiker Rücksicht nehmen, die letztlich vom Geschäft nichts verstehen.

    Remme: Das macht sicherlich Sinn, was Sie sagen. Dennoch ist ja die Tatsache, dass Frankreich Anteile hat und somit größeren Einfluss hat, zunächst einmal eine gute Nachricht für die Arbeitsplätze dort.

    Teltschik: Das stelle ich schon in Frage, denn wenn ein Unternehmen ins Straucheln gerät und eine Regierung glaubt, sie müsse dieses Unternehmen zwingen, von Restrukturierungen und damit zum Teil von Arbeitsplatzabbau abzuhalten, dann ist das vielleicht eine Rettung auf Zeit, aber keine Dauerlösung. Wissen Sie was die Europäer auch lernen müssen? Sie klagen alle über den globalen Wettbewerb. Als Airbus so erfolgreich startete und zum größten Flugzeugproduzenten der Welt wurde, war Boeing, der andere große Wettbewerber, gezwungen, über 50.000 Arbeitsplätze abzubauen. Das hat in Europa keinen gestört. Das ist nun mal so! Wettbewerb zwingt beide Seiten, bestmöglich zu sein und die besten Produkte auf den Markt zu bringen und das Unternehmen so effizient als möglich zu leiten. Wenn man da Fehler in der Vergangenheit gemacht hat, dann rächen sich die, aber die müssen dann bereinigt werden. Das kostet gelegentlich auch Arbeitskräfte, die aber beim Erfolg wieder zurückgeholt werden können.

    Remme: Herr Teltschik, die "Süddeutsche Zeitung" titelt heute Morgen, Super-Airbus solle in Hamburg bleiben. Bestätigt ist nichts. Ist aber die Umstrukturierung der Montage in dieser Phase der Produktentwicklung bei jetzt schon erheblicher Lieferverzögerung überhaupt denkbar?

    Teltschik: Das hat ja der Vorstandsvorsitzende Herr Enders bereits angekündigt, dass man die Produktion der Flugzeuge neu ausrichten will.

    Remme: Aber noch nicht für den A380?

    Teltschik: Das ist auch schwierig. Die Produktion ist ja bereits angelaufen. Von daher ist es in der Tat schwierig zu sagen, wir verlegen jetzt kurzfristig die Produktion auf andere Standorte. Das wird wahrscheinlich am besten möglich sein mit den neuen Modellen wie zum Beispiel mit der A350, die ja jetzt entwickelt werden soll.

    Remme: Ist die seit Jahren übliche Fertigung der Modelle also hier an ein Ende gekommen?

    Teltschik: So ist das! Schauen Sie sich den Wettbewerber Boeing an. Boeing hat eine Reihe von Produktionen ausgegliedert. Sie haben große Zulieferer weltweit geordert. Das heißt sie machen nicht mehr alles selbst, sondern sie lassen vieles anfertigen und zuliefern. Das heißt auch Airbus wird einen Weg gehen müssen, einiges auszugliedern und viel mit einer neuen Struktur von Zulieferern zu arbeiten.

    Remme: Herr Teltschik, als Sie als Präsident von Boeing Deutschland noch im Amt waren, waren Sie angesichts der Erfolgsaussichten mit Blick auf den A380 durchaus skeptisch. Glauben Sie, dass das was wir jetzt sehen vorübergehende Anfangsprobleme sind, oder dass dieses Flugzeug auf Dauer eine Hypothek für Airbus bleibt?

    Teltschik: Ich hoffe nicht. Wenn der A380 kein Erfolg werden sollte, wäre das ein Riesen-Problem für EADS. Man kann EADS nur wünschen, dass dieses Großraumflugzeug ein wirklicher Erfolg wird. Boeing hat aber von Anfang eine andere Markteinschätzung gehabt. Sie sind davon ausgegangen, dass in den nächsten 20 Jahren der Marktanteil für Großraumflugzeuge insgesamt nur drei Prozent beträgt. Das heißt in diesem kleinen Marktsegment muss der A380 erfolgreich sein. Sie haben jetzt Bestellungen von rund 166 Flugzeugen. Sie brauchen nach eigenen Aussagen aber über 250 Bestellungen. Die Zahlen schwanken ständig. Das heißt sie müssen eine ganze Wegstrecke gehen, bis sie überhaupt die Kosten wieder hereinholen, die diese Entwicklung gekostet hat. Das ist ein Problem, aber wie gesagt man kann es Airbus nur wünschen, dass dieser Erfolg eintritt, denn sonst stehen sie vor erheblichen Turbulenzen.