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Rettung des Babcock-Konzerns möglich?

Remme: Von den theoretischen Überlegungen zum Arbeitsmarkt hin jetzt zur Praxis, zu den Bemühungen um eine Rettung des Babcock-Konzerns. Die Verhandlungen haben bis in die Nacht gedauert, sollen heute zu einem Ende gebracht werden. Zu welchem Ende, das weiß noch niemand. Am Telefon ist Dieter Jansen. Er ist Betriebsrat bei Babcock. Guten Morgen Herr Jansen!

    Jansen: Guten Morgen Herr Remme.

    Remme: Herr Jansen, die Belegschaft steht zur Zeit natürlich unter großer Anspannung. Kann überhaupt regulär gearbeitet werden?

    Jansen: Die Kollegen versuchen vielleicht zu verdrängen, indem sie arbeiten, was hier im Hause abläuft und was sich bei den Banken und in Nordrhein-Westfalen bei Ministerpräsident Clement abspielt.

    Remme: Werden Sie informiert? Was läuft ab? Wissen Sie was abläuft?

    Jansen: Was heute abläuft weiß ich nicht. Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Wir waren gestern Abend bis spät in die Nacht hier und haben natürlich auf ein Ergebnis im positiven Sinne gewartet, was leider nicht eingetroffen ist. Die Verhandlungen sollen heute weiter gehen. Welches Ergebnis zu erwarten ist, das kann man nach dem, was sich gestern dort abgespielt hat, beim besten Willen wirklich nicht deuten.

    Remme: Höre ich da Verbitterung?

    Jansen: Verbitterung auf alle Fälle! Verbitterung sage ich deswegen: Wenn man das hier in den 14 Tagen erlebt hat und das, was sich gestern abgespielt hat, dieses Auf und Ab, Zuversicht und dann wieder, dass es nach unten ging, dann macht das schon verzweifelt. Das können Sie mir glauben. Die Belegschaft stand ja gestern hier bei uns unten auf dem Hof und hat gewartet, dass Herr Clement kommt und ein positives Signal bringt. Die waren schon ganz schön fertig, als sie um halb sieben nach Hause geschickt wurden, weil noch kein Ergebnis vorlag.

    Remme: Wie viele Jobs stehen auf dem Spiel, Herr Jansen?

    Jansen: Weltweit sind 22.000 Menschen davon betroffen und in Deutschland rund 13.- bis 15.000, davon in Nordrhein-Westfalen 8.600. Wenn man die Familien mit einbezieht, dann kann man sich ja ausrechnen, welche Dramatik sich dahinter verbirgt.

    Remme: Gestern die Bilder im Fernsehen: Gottesdienst bei Babcock. Haben Sie die Hoffnung auf andere Hilfe aufgegeben?

    Jansen: Nein! Wir sind auf jeden Strohhalm angewiesen, der uns gereicht wird, der uns unterstützt und uns vor allen Dingen moralisch beisteht. Da war der Gottesdienst, der gestern abgehalten wurde, schon ein wirklich positives Zeichen, dass die Menschen, die dort zusammen kamen, Hoffnung hatten und gemeinsam dafür beten, dass alles gut geht.

    Remme: Gerhard Schröder war gestern in Oberhausen, der Bundeskanzler praktisch direkt um die Ecke. Hätten Sie ein paar Worte an die Belegschaft erwartet?

    Jansen: Er hat gestern mit Vertretern des Betriebsrates zusammengesessen und hat mit denen auch gesprochen. Anschließend, als er dort heraus kam, hat er gesagt, dass Clement doch freie Hand hat, was die Bürgschaft betrifft, sich dort zu bewegen. Er hat zwar keine Höhe gesagt, aber er hat Clement dort ein bisschen freie Hand gegeben, damit dort Bewegung ins Spiel kommt.

    Remme: Es gab in den vergangenen Tagen auch Kritik von Arbeitnehmern am Betriebsrat. Er sei in den vergangenen Monaten zu passiv gewesen. Muss der Betriebsrat sich diesen Vorwurf gefallen lassen, Herr Jansen?

    Jansen: Gut, das mag aus Sicht der Belegschaft so aussehen. Nur welche Dramatik dahinter steckt, wie viele Gespräche stattgefunden haben, um das alles so auf die Reihe zu bekommen, wie es sich heute dargestellt hat. Letztendlich kann man auf die Straße gehen und demonstrieren, aber man muss etwas erreichen. Ich glaube, dass wir Dienstag auf die Straße gegangen sind und nach Düsseldorf gefahren sind hat gezeigt, dass vor allen Dingen die Staatsanwaltschaft und die Gerichte sich bewegt haben, diese 143 Millionen Schadensersatzklage vom Tisch zu nehmen, die man gegen Babcock – also gegen Steinmüller, aber wir sind ja die Nachfolgefirma – erhoben hat. Das ist am Dienstag vom Tisch genommen worden auf Druck dieser Belegschaft. Ich glaube der Zeitpunkt war richtig, dass wir dort Zeichen gesetzt haben.

    Remme: Wird es weitere Demonstrationen geben?

    Jansen: Müssen wir abwarten, wie es heute aussieht. Wenn heute natürlich etwas Negatives heraus kommt, was wir alle nicht hoffen, dann werden wir natürlich weitere Überlegungen anstellen, dass wir nächste Woche noch etwas unternehmen werden. Davon gehe ich fest aus. Das haben wir zwar noch nicht ins Auge gefasst, weil wir die Hoffnung nicht aufgegeben haben, aber wir werden das Wochenende abwarten. Dann werden wir uns am Montag zusammensetzen und unterhalten, wie es weiter geht.

    Remme: Herr Jansen, wie ist Babcock in diese Lage geraten?

    Jansen: Das ist eine gute Frage. Ende vergangenen Jahres hatte Professor Lederer in einer Belegschaftsversammlung mitgeteilt, er will von der Belegschaft Geld haben, damit er die Firma zu 100 Prozent kaufen kann. Das haben wir natürlich aus dem einfachen Grund verneint: wir haben ja schon mal ein Opfer gebracht, das noch nicht zurückgezahlt worden ist. Daraufhin hat er – davon gehe ich mal fest aus – Kontakt in die USA aufgenommen, um von dort Geldgeber zu finden. Die hat er ja auch gefunden. Dann hat er im Februar oder März die ganze Sache veräußert. Dann ist es in der Hauptversammlung ja zu ich will nicht sagen Tumulten gekommen, aber es war eine sehr lebhafte und aufgebrachte Hauptversammlung, die sich das hatte nicht bieten lassen. Ich sage mal, der Professor Lederer hat alles von langer Hand vorbereitet, dieses Geschäft wegzugeben.

    Remme: Vielen Dank! – Das war der Betriebsrat von Babcock, Dieter Jansen. Wir werden die Entwicklungen bei Babcock den Tag über verfolgen, sowohl in den aktuellen Sendungen als auch in den Wirtschaftssendungen.

    Link: Interview als RealAudio