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Rettung oder Tod auf Raten

Die "Frankfurter Rundschau" bleibt erhalten. Neuer Mehrheitseigner ist die Frankfurter Societät, 35 Prozent hat der FAZ-Verlag erworben. Ob diese "Sanierungsfusion" das Überleben der FR sichert, wird auch davon abhängen, ob sie ihre linksliberale Ausrichtung wird beibehalten können.

Von Anke Petermann |
    28 Redakteure bleiben, fast 400 Beschäftigte wechseln sukzessive in eine Transfergesellschaft, für höchstens ein halbes Jahr. Rettung oder Tod auf Raten? Vom "Happyend" für die FR spricht allein die "Frankfurter Neue Presse". Aber die wird ja auch von der Societät als neuem Mehrheitseigner der Rundschau herausgegeben.

    Dass in Frankfurt am Main über die Erosion der lokalen Zeitungslandschaft nicht mehr unabhängig geschrieben wird, ist die erste Konsequenz der neuen Presse-Einfalt von drei Blättern unterm gemeinsamen Dach der FAZIT-Stiftung. Die konservative "Frankfurter Allgemeine Zeitung" wird mit diesem Konstrukt Mutter und Schwester der "Rundschau" zugleich. Die Zukunft der FR hängt auch davon ab, ob die auf unter 70.000 Leser geschrumpfte Abonnentenschaft glaubt, was FAZ-Geschäftsführer Tobias Trevisan verspricht.

    "Die politische Ausrichtung wird sich nicht verändern. Wir wollen das auch nicht. Die politische Ausbildung wird linksliberal bleiben, so wie sie heute ist."

    So steht es im Redaktionsstatut und den Anstellungsverträgen, garantieren soll es auch die Karl Gerold Stiftung. Mit zehn Prozent bleibt die frühere FR-Eigentümerin beteiligt und bestimmt auch darüber mit, wer Arnd Festerling als Chefredakteur ersetzt. Der will langfristig den Posten an vorderster Front abgeben, die FR aber vorerst als unabhängiges Qualitätsblatt weiterführen:

    "Wir werden am Anspruch gemessen und werden ihn erfüllen, ich glaub' daran."

    Nach zwölfjähriger Dauerkrise mit Entlassungen, Landesbürgschaft und Outsourcing samt Auslagerung des Mantelteils nach Berlin klagen Leser der Rundschau allerdings:

    "Dass sie immer neoliberaler geworden ist, aber da haben wir genug Zeitungen, und deswegen kann ich das vollkommen verstehen, dass die Leute von der Rundschau Abstand genommen haben."

    "Ich empfinde persönlich in den letzten Jahren einen starken Qualitätsverlust. In der Masse der Seiten ist unheimlich viel informativer Leerraum, den man sinnvoller füllen könnte."

    Dass die FR ihr linksliberales Profil ausgerechnet unterm Dach des FAZ-Konzerns schärfen und mit der Hälfte der bislang fest angestellten Redakteure wieder hintergründiger wird, bezweifeln Medienexperten, sprechen von "Rumpfredaktion". Hans Homrighausen, Geschäftsführer der Frankfurter Societät GmbH und der neuen Frankfurter Rundschau GmbH, kontert:

    "Wir nennen die nicht ja nicht Rumpfredaktion, das ist ja ein bisschen diffamierend. Für uns ist das die Kernredaktion. Unser Weg ist der, dass wir den Kreis der zugelieferten redaktionellen Dienstleistungen ausweiten wollen, dass wir verstärkt mit Dienstleistern arbeiten möchten und müssen, um das Blatt am Ende erhalten zu können. Die Kernredaktion, die wir sehen, wird dieses organisieren."

    Im Klartext heißt das: Die "Frankfurter Rundschau" soll mit einer Minderheit an tariflich bezahlten Redakteuren und einer Mehrheit an freien und Leih-Journalisten vom Pressedienst Frankfurt gemacht werden, die nicht mehr den Tarif für Zeitungsredakteure bekommen. Im Jahr 2008 hatte die Auslagerung bei der FR begonnen, damals begleitet von wütendem Proteste gegen Sozialabbau und Tarifflucht. Nach Insolvenz und Zitterpartie muckt fünf Jahre später kaum noch jemand auf. Obwohl die Gewerkschaft Ver.di befürchtet, dass die schlecht bezahlte Leiharbeit langfristig durch noch schlechter bezahlte Werkverträge ersetzt werden könnte - zum Beispiel bei der Besetzung der Außenredaktionen. Und wie geht es weiter mit dem überregionalen Mantelteil? FAZ-Geschäftsführer Tobias Trevisan:

    "In den nächsten drei Monaten werden wir die Zusammenarbeit mit der Redaktionsgemeinschaft in Berlin fortsetzen. Was sicher ist, ist, dass wir auch die Verantwortung für die überregionale Berichterstattung wieder näher an die Chefredaktion, also nach Frankfurt, heranholen wollen. Wir wollen die Identität der Zeitung stärken und sicher nicht schwächen."

    Klingt gut, könnte aber bedeuten, dass auch die mehr als 40 tariflich bezahlten Mitarbeiter der Redaktionsgemeinschaft mit der "Berliner Zeitung" dann durch kostengünstigere Leih-Journalisten ersetzt werden.