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Rettungsinsel für New Orleans

Umwelt. - Nicht allein das zögerliche Eingreifen der Bundesregierung, sondern auch adäquate Vorsorge hätte die Katastrophe in New Orleans eingrenzen können. So hatten Wissenschaftler bereits eine sturmflutsichere Zone vorgeschlagen, die aber nie umgesetzt wurde.

Von Volker Mrasek | 06.09.2005
    Er sei sehr, sehr frustriert, sagt Joseph Suhayda heute. Viele Menschenleben in New Orleans hätten gerettet werden können, und wichtige Teile der städtischen Infrastruktur wären jetzt noch intakt, wenn sein Konzept für den Katastrophenfall verwirklicht worden wäre, glaubt der inzwischen emeritierte Professor von der Staatsuniversität Louisiana in Baton Rouge:

    "Wir nennen das Konzept den "sicheren Hafen". Wir hätten eine Kernzone in der City mit einem Extra-Hochwasserschutz umgeben. Sie wäre deshalb nicht überflutet worden. Ein Areal mit Pumpwerken und Krankenhäusern darin, mit dem Superdome, dem Geschäftszentrum und den Regierungsbehörden. Sie alle wären sicher hinter einem Schutzwall gewesen."

    Aus einer Umfrage vor einigen Jahren wussten die Experten der Hochschule, dass jeder vierte Einwohner von New Orleans die Stadt nicht verlassen würde - trotz Hurrikan-Warnung und trotz der Aufforderung zur Evakuation. Für den Ernstfall rechneten die Forscher deshalb mit über 100.000 nicht geflohenen Bewohnern. Sie alle, versichert Suhayda, hätten Zuflucht im sicheren City-Hafen gefunden, und das im Zweifelsfall für Tage und Wochen:

    "Wenn man eine Karte von New Orleans zur Hand nimmt, dann erkennt man im Zentrum den so genannten Halbmond. Das ist ein großes Stadtviertel in einer Schleife des Mississippi. Der Fluss ist die südliche Grenze. Und nördlich des Halbmondes verläuft von Ost nach West der Highway 61. Am Mississippi-Ufer sind die vorhandenen Deiche bereits hoch genug. Wir hätten zusätzliche Hochwasser-Barrieren nur im Norden entlang des Highways errichten müssen. So hätten wir einen "sicheren Hafen" bekommen."

    Die Barriere entlang der Stadtautobahn hätte knapp 20 Kilometer lang sein müssen und fast zehn Meter hoch. Ein solcher Schutzwall hätte selbst eine Sturmflut wie im Fall eines Hurrikans der Stärke 4 oder 5 ohne Schaden überstanden, jedenfalls nach den Berechnungen ...

    "Man hätte eine Betonmauer errichten können, oder dichte Spundwände, oder auch einen Erdwall von der Sorte, wie man ihn heute zu Lärmschutzzwecken aufschüttet. Es gab mehrere Optionen. Jedenfalls haben wir nichts vorgeschlagen, was technisch unmöglich oder noch nie zuvor gemacht worden ist."

    Joseph Suhayda war bis vor drei Jahren Direktor des Forschungsinstituts für Wasserressourcen an der Staatsuni in Baton Rouge. Inzwischen ist der Ozeanograph und Ingenieur emeritiert. Doch für seine Idee vom sicheren Hafen in der City von New Orleans kämpft er bis heute - allerdings vergeblich. Vor fünf Jahren stellte Suhayda das Konzept erstmals vor. Er referierte darüber auf Fachkonferenzen, er stellte es Politikern, Stadtplanern und Katastrophenschutz-Managern in New Orleans vor.

    Die, sagt der Wasserexperte, seien auch zum Teil sehr angetan gewesen. Doch an höherer Stelle fand der Plan keine Zustimmung - beim Ingenieur-Korps der US-Armee. Und das ist nun einmal für den Hochwasser- und Hurrikanschutz in den USA zuständig. Doch noch immer sieht Suhayda eine Chance, dass das Konzept verwirklicht wird. Vielleicht ist sie jetzt - nach Katrina - sogar größer geworden. Sofern New Orleans überhaupt wieder aufgebaut werden kann:

    "Ingenieure halten sich auch nur an Instruktionen. Und was jetzt geschehen muss ist, dass der Kongress entscheidet: New Orleans bekommt einen Schutz gegen Hurrikans bis hin zur Kategorie 5. Auch dann könnte man unser Konzept zum Vorbild nehmen, und ich sage: Lasst uns mit den Bereichen der City beginnen, die sich am schnellsten schützen lassen. Das wäre schon innerhalb eines Jahres zu schaffen. Man könnte sogar daran denken, mehrere sichere Häfen einzurichten. Das wäre dann wie bei einem Ozeanriesen: Bei einem Wassereinbruch laufen nicht gleich alle Abteilungen des Schiffes voll. Man muss sich noch einmal klar machen, was wir gerade erlebt haben: Zwei Deichbrüche haben ausgereicht, um ganz New Orleans zu überfluten!"

    Unter Umständen kommt jetzt wirklich Bewegung in die Sache. Das Ingenieur-Korps der Armee hat dieser Tage mitgeteilt, man teste nun die Möglichkeiten, den Hurrikan- und Hochwasserschutz für New Orleans zu verbessern.