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Rettungsschiffe im Mittelmeer
Droht eine Dauerblockade der Häfen?

Hilfsorganisationen befürchten, dass Italien und Malta ihre Häfen für Rettungsboote mit Geflüchteten dauerhaft blockieren könnten. Für die Menschen an Bord hätte das dramatische Auswirkungen. Auch die private Seenotrettung könnte dadurch in Gefahr geraten.

Von Karin Bensch | 14.06.2018
    Das Rettungsschiff Aquarius, hier am 27. Juni 2017
    Das Rettungsschiff Aquarius durfte nicht in die Häfen von Italien und Malta einlaufen (Lena Klimkeit/dpa)
    Wir befürchten, dass es sich bei der Blockade des Rettungsschiffs Aquarius nicht um einen Einzelfall handelt, sondern dass sich das wiederholen wird, sagt Ryan Schroeder von der Internationalen Organisation für Migration – kurz IOM.
    Die neue italienische Regierung, vor allem der fremdenfeindliche Innenminister Matteo Salvini von der Partei Lega Nord, scheint die Arbeit privater Seenotretter im Mittelmeer auf diese Weise beenden zu wollen. Ich sehe die Gefahr, dass Italien und Malta Rettungsschiffe mit Flüchtlingen an Bord dauerhaft blockieren werden, meint auch der SPD-Europapolitiker Arne Lietz.
    "Die Malteser haben ihrerseits sich klar dafür ausgesprochen, keine Flüchtlinge auszunehmen. Dort gab es einen Deal mit Italien."
    Spekulationen über Geheimdeal
    Es gibt Spekulationen über einen Geheimdeal. Danach soll Italien die Erlaubnis bekommen haben, vor Malta nach Öl zu bohren. Im Gegenzug sollen die Italiener zugesagt haben, Flüchtlinge nicht nach Malta, sondern ins eigene Land zu bringen. Eine offizielle Erklärung gibt es nicht. Offiziell wurde aber auch nie erklärt, warum seit Längerem so gut wie keine Geretteten mehr nach Malta gebracht werden.
    "Nichtsdestotrotz ist es unsicher, ob die Italiener humanitäre Seenotrettung weiterhin unterstützen. Das muss man bei der aktuellen Regierung abwarten", sagt der SPD-Entwicklungspolitiker Arne Lietz.
    Die Organisation für Migration ist der Meinung: Eine Dauerblockade der Häfen in Italien und auf Malta hätte dramatische Auswirkungen. Sollten in Zukunft Rettungsschiffe lange auf dem Meer herumfahren müssen, weil es keinen sicheren Hafen gibt, in den sie einlaufen dürfen, wird das für die Geretteten an Bord, die sowieso schon erschöpft und verletzlich sind, sehr viel Stress bedeuten, meint Ryan Schroeder.
    Dass Spanien Hilfe angeboten habe, sei löblich. Das Land liege aber zu weit entfernt vom zentralen Mittelmeer. Die Lösung liegt bei den Ländern, die sich näher an der Rettungszone befinden. Italien, Malta und vielleicht noch Frankreich müssen enger zusammenarbeiten und sich untereinander koordinieren, fordert Ryan Schroeder.
    Druck auf Frankreich wächst
    Eine dauerhafte Hafenblockade in Italien und auf Malta würde den Druck auf Frankreich wohl deutlich erhöhen. Ein wenig war bereits spürbar: Die Regionalregierung der französischen Insel Korsika hatte dem Rettungsschiff "Aquarius" einen sicheren Hafen angeboten. Die Zentralregierung in Paris hatte sich dagegen auffallend zurückgehalten. Wenn die separatistischen Korsen in Zukunft solidarisch mit Bootsflüchtlingen sein wollen, die Franzosen auf dem Festland aber nicht, ist Streit vorprogrammiert.
    Es ist eine Katastrophe, das die europäischen Länder es noch immer nicht schaffen, eine gemeinsame Seenotrettung zu gewährleisten, meint der SPD-Europaabgeordnete Arne Lietz. Gerade deshalb hofft er:
    "Dass die Möglichkeit weiter besteht, Seenotrettung auch über Nichtregierungsorganisationen zu ermöglichen."
    Doch es ist fraglich, wie lange private Seenotrettung funktionieren kann, wenn die Länder, die am nächsten liegen, nicht mehr bereit sind, ihre Häfen für ankommende Flüchtlinge zu öffnen.