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Rheinland-Pfalz ohne Beck

Christian Baldauf, CDU-Fraktionschef im Mainzer Landtag, hat dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) vorgeworfen, das Land zu vernachlässigen. Beck halte sich mehr in Berlin auf, was ihn so sehr fordere, dass er "seinen Laden nicht mehr im Griff" habe, so Baldauf.

Jürgen Liminski im Gespräch mit Christian Baldauf |
    Jürgen Liminski: Hartnäckig hält sich das Gerücht, der SPD-Vorsitzende Kurt Beck werde nach der Bundestagswahl auf jeden Fall nach Berlin gehen - entweder als Kanzler oder als Fraktions- beziehungsweise Oppositionschef. Das ist übrigens der Weg, den auch Helmut Kohl in den 70er Jahren ging. Für Rheinland-Pfalz stellt sich aber so oder so die Frage, ob es eine Alternative zu Kurt Beck gibt, selbst wenn Kurt Beck in Mainz bleiben sollte. Das ist eine Frage, die sich vor allem der CDU stellt und hier wiederum dem Fraktionschef im Mainzer Landtag und Vorsitzenden der CDU in Rheinland-Pfalz, Christian Baldauf. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Baldauf.

    Christian Baldauf: Guten Morgen!

    Liminski: Herr Baldauf, die Alternativfrage hat zwei Komponenten: zum einen eine inhaltliche und zum anderen eine machtpolitische. Fangen wir mit der letzteren an. Sie hängt zusammen mit dem künftigen Weg von Kurt Beck. Sehen Sie ihn in Berlin oder in Mainz?

    Baldauf: Nachdem ich ihn bei den Terminen nicht mehr allzu oft in Mainz und in Rheinland-Pfalz sehe, muss ich davon ausgehen, dass er sich mehr in Berlin aufhält. Er hat eine Position übernommen, die aus meiner Sicht ihn fordert, ganz fordert, und damit vernachlässigt er das Land Rheinland-Pfalz. Wir merken das hier. Er hat seinen Laden nicht mehr im Griff. Er hat auch keinen Kompass. Er redet mal so, mal so. Seine Meinung wechselt er zwischenzeitlich öfter als sein Hemd.

    Liminski: Wir müssen jetzt noch keinen Wahlkampf machen, Herr Baldauf. So wie es im Moment aussieht ist eine Mehrheit für Union und FDP in Rheinland-Pfalz aber fraglich. Haben Sie schon mal Gespräche mit den Grünen geführt, so dass Sie sagen könnten, auch eine Jamaika-Konstellation ist für Mainz denkbar? Wie wir vorhin gehört haben, scheint Schwarz-Grün in Hamburg gediegen und ordentlich anzulaufen.

    Baldauf: Das ist - wir haben 2011 die Wahl - sicherlich noch zu früh. Das müssen wir abwarten. Ob es in Hamburg eventuell auch noch zu einer Zerreißprobe wegen des Kohlekraftwerkes kommt, muss man abwarten. Ich vertrete die Auffassung, mit demokratischen Parteien muss man reden - Wiedervorlage ein Tag nach der Wahl. Unser Ziel, unser Anspruch ist derjenige, stärkste Partei zu sein und damit auch regieren zu können.

    Liminski: Die Koalitionsfrage ist immer auch eine Frage der jeweiligen Programme. Wo sehen Sie, das heißt die CDU, programmatisch die Alternative zur SPD? Beck ist ja recht erfolgreich. Immerhin hat er die absolute Mehrheit der Sitze geholt. Wie stehen Sie zum Beispiel zum Atomausstieg?

    Baldauf: Wir haben in der letzten Woche in Maria Laach eine Klausurtagung abgehalten und uns noch mal klar zu einem Energiemix, der die Kernenergie mit beinhaltet, bekannt. Ohne unbescheiden sein zu wollen: Die Idee kam ja auch von uns, von mir, zu sagen, wir nutzen die Kernenergie als Brückentechnologie, um die erneuerbaren Energien weiter zu entwickeln, zu erforschen, die Hälfte der Gewinne, die bei der Kernenergiegewinnung und Stromerzeugung entstehen, dann zu nutzen, um diese Forschung und um die Entwicklung voranzutreiben. Es ist aber blauäugig zu meinen, dass wir soziale Preise, was für die Menschen ja ein ganz wichtiger Aspekt ist, im Energieerzeugungssektor halten können, wenn wir die Kernenergie aus sicheren Kraftwerken in Deutschland nicht mehr produzieren, sondern sie dann aus anderen unsichern Kraftwerken importieren.

    Liminski: Wie sieht es mit dem Mindestlohn aus?

    Baldauf: Der Mindestlohn ist für uns kein Thema. Dabei bleibt es auch. Das liegt im Wesentlichen daran: Es gibt den Mindestlohn ja schon. Jeder hat einen Anspruch auf einen Mindestsatz. Wir sollten aber nicht in dieser Form Regeln treffen, die nur denen schaden, die gering qualifiziert oder gar nicht qualifiziert sind, weil der Preis bestimmt sich auch nach dem Produkt. Dann kann ich nicht vorne die Produkte so teuer machen, indem ich die Lohnkosten so hoch setze, dass keiner das Produkt mehr kauft. Das schadet denen, die nicht qualifiziert sind oder gering qualifiziert sind.

    Liminski: Das wird der FDP gefallen, was Sie gerade gesagt haben. Nicht gefallen wird ihr wahrscheinlich aber, dass der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Rüttgers sich für ein Konjunkturprogramm ausgesprochen hat. Ist das auch für Sie ein Thema?

    Baldauf: Für mich ist das beste Konjunkturprogramm immer dasjenige, das den Menschen mehr Geld in der Tasche belässt. Wir haben in Deutschland momentan die Situation, dass die Binnenmarktkonjunktur nicht so anläuft, wie sie soll. Im Klartext: die Menschen haben nicht genug Geld in der Tasche, um hier auch Geld auszugeben, um hier Produkte zu erwerben. Deshalb bin ich der Meinung, ist das beste Konjunkturprogramm dasjenige, das wir auch im letzten Wahlkampf vertreten haben. Wir brauchen dringend eine Steuerentlastung bei den Menschen, auch bei den Unternehmen, und wir brauchen eine Entlastung im Sozialversicherungsbereich. Deshalb müssen auch die Kosten bei der Arbeitslosenversicherung, die Beitragssätze gesenkt werden. Wir brauchen flexiblere Renteneintrittsalter und die rheinland-pfälzische CDU hat sich auch nicht damit einverstanden erklärt, den Gesundheitsfonds mit tragen zu wollen - aus dem einfachen Grunde, weil wir der Auffassung sind, dass die Beitragssätze nicht sinken werden, sondern im Gegenteil steigen werden. Das ist nicht gut für die Konjunktur. Daran muss man arbeiten. Also: Steuersenkungen, Sozialabgabensenkungen - das beste Konjunkturprogramm.

    Liminski: Das wird den Berlinern auch in der CDU nicht gefallen.

    Baldauf: Ich weiß, dass in Berlin durchaus meine Meinung auf sehr offene Ohren stößt innerhalb der CDU. Wir sind in einem Korsett einer Großen Koalition auch gefangen, und ich kann der SPD nur dringend raten, mit uns gemeinsam - Gerhard Schröder hat das ja übrigens schon begonnen - mit uns gemeinsam den Weg weiterzugehen, die Menschen zu entlasten, die Leistungsträger zu entlasten, diejenigen, die ja auch die Steuern erwirtschaften und die auch die Sozialabgaben abführen, also an die zu denken, die wirklich auch morgens aufstehen, so wie wir beide jetzt hier, die das Interview haben, und arbeiten gehen.

    Liminski: Familienpolitisch hat Rheinland-Pfalz einiges auf den Weg gebracht unter Beck. Trotzdem geht es den Familien nicht gut. Sehen Sie da noch Nachholbedarf?

    Baldauf: Dem ist so. Unabhängig von den steigenden Energiekosten, die ja auch Familien ganz erheblich belasten, haben wir in der Großen Koalition feststellen müssen: Die Eigenheimzulage wurde gestrichen, das Kindergeld gekürzt, Pendlerpauschale ist gekürzt worden, Mehrwertsteuer wurde erhöht, also auch für Produkte, die Familien benötigen. Elterngeld, da sind auch Kürzungen für Ärmere vorgenommen worden. Ich merke insgesamt, dass die Familienpolitik noch nicht ausreichend zur Geltung kommt. Wir müssen Familien mehr entlasten. Wenn wir wollen, dass wieder junge Menschen auch mehr Kinder haben und keine Existenzängste haben müssen, wenn sie denn Kinder haben, dann müssen wir diesen jungen Menschen Perspektiven geben und Familien mehr schützen.

    Liminski: Auch das wird man in Berlin vielleicht nicht gerne hören. Herr Baldauf, die Landtagswahl findet planmäßig erst 2011 statt, aber Wahlkampf ist schon für das nächste Jahr angesagt, für die Europa- und Bundestagswahlen. Werden Sie im Wahlkampf unabhängig von künftigen Koalitionsoptionen Ihre Position vertreten?

    Baldauf: Das sehe ich als Selbstverständlichkeit an. Ich muss Wählerinnen und Wählern ja auch die Möglichkeit geben, Positionen zu wählen, Linien zu wählen, aus meiner Sicht nachhaltige Linien zu wählen. Deshalb bleibt natürlich ein Korsett, das auch entsprechend durchzusetzen ist. Für mich steht im Vordergrund die Subsidiarität. Für mich steht im Vordergrund die Solidarität mit denen, die sich nicht selbst helfen können. Alle anderen müssen sich aber selbst helfen. Und wir brauchen mehr Freiheit für die Bürgerinnen und Bürger. Das werde ich auch weiterhin vertreten und ich bin guter Dinge. Wenn wir das glaubwürdig und nachhaltig vertreten - und auch Kirchhof war richtig -, werden uns die Menschen auch wählen.

    Liminski: Das heißt, mit Ihrer Position streben Sie eine absolute Mehrheit an?

    Baldauf: Jede Partei, die in einen Wahlkampf zieht, muss ja diesen Anspruch an sich erheben. Ich habe ja auch noch nicht erlebt, dass ein Fußballteam in ein Spiel geht und verlieren will oder nur unentschieden spielen will. Gut, unentschieden vielleicht, aber verlieren will keiner. Nein! Natürlich muss der Anspruch gegeben sein und wenn das Ziel nicht erreicht werden kann, dann kann man sich im nächsten Schritt über Koalitionen unterhalten, über Gemeinsamkeiten unterhalten, über Dinge, die man dann auch miteinander abwägen kann. Aber das ist eine Frage: Wiedervorlage ein Tag nach der Wahl. Zunächst geht es darum, für seine richtigen Ideen auch zu kämpfen und eine Mehrheit zu holen.