Elke Durak: Man hätte es ja eigentlich schon früher erwarten können angesichts des enormen Drucks, der auf den Richtern des Saddam-Prozesses lastet, von vielen Seiten. Der Vorsitzende Richter, Mohamed Amin, will sein Amt aufgeben, hieß es am Wochenende. Vielleicht aber überlegt er es sich noch. Aber, kann man es ihm verdenken? Es hat schon mehrere Tote gegeben in diesem Prozess. Anschläge wurden verübt und versucht. Massive Einschüchterungsversuche extrem gewaltbereiter Extremisten.
Ich will darüber sprechen mit Birgit Svensson, Kollegin. Ich erreiche sie in Amman, sie bereiste des Öfteren den Irak und hat von dort berichtet. Frau Svensson, mal abgesehen davon, ob es tatsächlich nun zum Rückzug dieses Richters kommt: Welchen Grund führt er jetzt offiziell an?
Birgit Svensson: Also er gibt offiziell an, dass der Druck auf ihn zugenommen hat, dass er unerträglich geworden ist und dass er deshalb sein Rücktrittsgesuch eingereicht hat.
Durak: Und welchen Hintergrund vermuten Sie konkret?
Svensson: Ich glaube nicht, dass es so sehr die Sicherheitsmaßnahmen sind. Okay, es sind zwei Verteidiger ermordet worden, die an diesem Prozess teilgenommen haben. Aber der Richter selber ist eigentlich in der grünen Zone eigentlich relativ sicher untergebracht und ich glaube nicht, dass es so sehr die Angst um sein Leben ist. Ich glaube vielmehr, dass es eine Richtungsentscheidung ist, wie der Prozess weitergehen soll.
Durak: Inwiefern Richtungsentscheidung?
Svensson: Er hat einen ganz neuen Rechtsstil, ein ganz neues Rechtssystem einführen wollen beziehungsweise den Anfang gemacht. Man muss sich mal vorstellen, wie unter Saddam die Prozesse abliefen, innerhalb von drei Minuten wurden Menschen zum Tode verurteilt, ohne dass ein Angeklagter gehört worden ist, ohne dass ein Angeklagter überhaupt zu Wort kam, ohne richterlichen Beistand beziehungsweise juristischen Beistand, ohne alles. Und das erwarten halt jetzt viele auch von diesem Prozess, dass Saddam das Gleiche zuteil wird. Und da geht eben der Richter Amin nicht mit.
Durak: Das heißt, Richter Amin will halbwegs demokratisch vorgehen und das wird ihm zum Vorwurf gemacht?
Svensson: Ja. Dass er zu sanft ist, dass er zu lasch ist, dass er die Leute zu sehr zu Wort kommen lässt. Schon nach der ersten Verhandlung - da war ich noch in Bagdad - gab es Stimmen und Kritik, die besagten, dass er zu lasch war, dass er zum Beispiel den Scharfrichter, der links von Sadam sitzt, zu sehr zu Wort hat kommen lassen - der hat sich zum Beispiel darüber aufgeregt, dass ihm die Wortra, das ist dieses Tuch entweder weiß-schwarz kariert oder weiß-rot kariert, abgenommen wurde, daraufhin hat der Richter dann verfügt, dass ihm das wieder gegeben wird und die Verhandlung wurde um 30 Minuten verschoben. Da war dann sehr starke Kritik in den irakischen Zeitungen schon zu lesen. Dass er also zu lasch und zu nachsichtig mit den Angeklagten umging. Danach gab es also einen Monolog von Saddam in der darauffolgenden Verhandlung, den er auch nicht unterbrochen hat. Saddam erschien dann überhaupt nicht in der Gerichtsverhandlung. All das wurde ihm zur Last gelegt.
Durak: Frau Svensson, ist das überhaupt noch ein Prozess von Irakern über Iraker, wenn es denn so viel Unzufriedenheit gibt?
Svensson: Ich denke, dass das auch eine politische Dimension hat. Die Kurden wollen also schon ein neues Rechtssystem einführen im Irak, was den westlichen, rechtsstaatlichen Normen entspricht. Die Schiiten wollen eigentlich Rache, wollen ihn hängen sehen, das haben die Leute auf der Straße gesagt, sie wollen Sadam verurteilt sehen und das geht ihnen einfach nicht schnell genug.
Durak: Welchen Einfluss haben neben diesen Problemen die gewaltbereiten Extremisten, die ja Anschläge verübt haben und die Richter, Juristen, Beteiligten mit dem Tode bedrohen?
Svensson: Ich glaube nicht, dass sie auf das Verfahren Einfluss haben oder auf die Art und Weise, wie die Verhandlung geführt wird. Sie versuchen, sie zu stören, sie haben auch am Anfang immer Mörsergranaten auf das vermeintliche Gerichtsgebäude abgeschossen, aber ich glaube nicht, dass das Einfluss hat auf das Verfahren schlechthin. Was der Richter jetzt erreichen möchte, ist: Sagt ja zu meiner Verhandlungsführung - sagt Ihr nein, dann gehe ich.
Durak: Wie lange wird der Prozess noch dauern, was denken Sie?
Svensson: Oh, ich glaube, der dauert noch eine Weile. Wir haben ja jetzt erst den ersten Fall, der verhandelt wird. Dieses schiitische Dorf, 148 Leute wurden umgebracht in Dudscheil, was nördlich von Bagdad ist. Es gibt noch zwölf andere Verfahren, die zum Zuge kommen sollen. Die Kurden pochen auch darauf, dass ihre Sachen verhandelt werden. Wir haben es ja jetzt mit einer schiitischen Geschichte zu tun. Es wird also noch eine Zeit lang dauern.
Durak: Wird es weiter Kritik daran geben, dass die Beteiligten im Prozess - also Richter - zu sehr auf Amerika schauen?
Svensson: Die Amerikaner machen natürlich Druck, auch die Amerikaner machen Druck auf Amin. Ob das das Ausschlaggebende war, warum er jetzt sein Rücktrittsgesuch eingereicht hat, weiß ich nicht. Aber ich denke, dass es auch dazukommt. Sie haben 75 Millionen Dollar für diesen Prozess ausgegeben. Und sie wollen jetzt natürlich auch Fortschritte sehen. Und für sie geht das zu langsam.
Ich will darüber sprechen mit Birgit Svensson, Kollegin. Ich erreiche sie in Amman, sie bereiste des Öfteren den Irak und hat von dort berichtet. Frau Svensson, mal abgesehen davon, ob es tatsächlich nun zum Rückzug dieses Richters kommt: Welchen Grund führt er jetzt offiziell an?
Birgit Svensson: Also er gibt offiziell an, dass der Druck auf ihn zugenommen hat, dass er unerträglich geworden ist und dass er deshalb sein Rücktrittsgesuch eingereicht hat.
Durak: Und welchen Hintergrund vermuten Sie konkret?
Svensson: Ich glaube nicht, dass es so sehr die Sicherheitsmaßnahmen sind. Okay, es sind zwei Verteidiger ermordet worden, die an diesem Prozess teilgenommen haben. Aber der Richter selber ist eigentlich in der grünen Zone eigentlich relativ sicher untergebracht und ich glaube nicht, dass es so sehr die Angst um sein Leben ist. Ich glaube vielmehr, dass es eine Richtungsentscheidung ist, wie der Prozess weitergehen soll.
Durak: Inwiefern Richtungsentscheidung?
Svensson: Er hat einen ganz neuen Rechtsstil, ein ganz neues Rechtssystem einführen wollen beziehungsweise den Anfang gemacht. Man muss sich mal vorstellen, wie unter Saddam die Prozesse abliefen, innerhalb von drei Minuten wurden Menschen zum Tode verurteilt, ohne dass ein Angeklagter gehört worden ist, ohne dass ein Angeklagter überhaupt zu Wort kam, ohne richterlichen Beistand beziehungsweise juristischen Beistand, ohne alles. Und das erwarten halt jetzt viele auch von diesem Prozess, dass Saddam das Gleiche zuteil wird. Und da geht eben der Richter Amin nicht mit.
Durak: Das heißt, Richter Amin will halbwegs demokratisch vorgehen und das wird ihm zum Vorwurf gemacht?
Svensson: Ja. Dass er zu sanft ist, dass er zu lasch ist, dass er die Leute zu sehr zu Wort kommen lässt. Schon nach der ersten Verhandlung - da war ich noch in Bagdad - gab es Stimmen und Kritik, die besagten, dass er zu lasch war, dass er zum Beispiel den Scharfrichter, der links von Sadam sitzt, zu sehr zu Wort hat kommen lassen - der hat sich zum Beispiel darüber aufgeregt, dass ihm die Wortra, das ist dieses Tuch entweder weiß-schwarz kariert oder weiß-rot kariert, abgenommen wurde, daraufhin hat der Richter dann verfügt, dass ihm das wieder gegeben wird und die Verhandlung wurde um 30 Minuten verschoben. Da war dann sehr starke Kritik in den irakischen Zeitungen schon zu lesen. Dass er also zu lasch und zu nachsichtig mit den Angeklagten umging. Danach gab es also einen Monolog von Saddam in der darauffolgenden Verhandlung, den er auch nicht unterbrochen hat. Saddam erschien dann überhaupt nicht in der Gerichtsverhandlung. All das wurde ihm zur Last gelegt.
Durak: Frau Svensson, ist das überhaupt noch ein Prozess von Irakern über Iraker, wenn es denn so viel Unzufriedenheit gibt?
Svensson: Ich denke, dass das auch eine politische Dimension hat. Die Kurden wollen also schon ein neues Rechtssystem einführen im Irak, was den westlichen, rechtsstaatlichen Normen entspricht. Die Schiiten wollen eigentlich Rache, wollen ihn hängen sehen, das haben die Leute auf der Straße gesagt, sie wollen Sadam verurteilt sehen und das geht ihnen einfach nicht schnell genug.
Durak: Welchen Einfluss haben neben diesen Problemen die gewaltbereiten Extremisten, die ja Anschläge verübt haben und die Richter, Juristen, Beteiligten mit dem Tode bedrohen?
Svensson: Ich glaube nicht, dass sie auf das Verfahren Einfluss haben oder auf die Art und Weise, wie die Verhandlung geführt wird. Sie versuchen, sie zu stören, sie haben auch am Anfang immer Mörsergranaten auf das vermeintliche Gerichtsgebäude abgeschossen, aber ich glaube nicht, dass das Einfluss hat auf das Verfahren schlechthin. Was der Richter jetzt erreichen möchte, ist: Sagt ja zu meiner Verhandlungsführung - sagt Ihr nein, dann gehe ich.
Durak: Wie lange wird der Prozess noch dauern, was denken Sie?
Svensson: Oh, ich glaube, der dauert noch eine Weile. Wir haben ja jetzt erst den ersten Fall, der verhandelt wird. Dieses schiitische Dorf, 148 Leute wurden umgebracht in Dudscheil, was nördlich von Bagdad ist. Es gibt noch zwölf andere Verfahren, die zum Zuge kommen sollen. Die Kurden pochen auch darauf, dass ihre Sachen verhandelt werden. Wir haben es ja jetzt mit einer schiitischen Geschichte zu tun. Es wird also noch eine Zeit lang dauern.
Durak: Wird es weiter Kritik daran geben, dass die Beteiligten im Prozess - also Richter - zu sehr auf Amerika schauen?
Svensson: Die Amerikaner machen natürlich Druck, auch die Amerikaner machen Druck auf Amin. Ob das das Ausschlaggebende war, warum er jetzt sein Rücktrittsgesuch eingereicht hat, weiß ich nicht. Aber ich denke, dass es auch dazukommt. Sie haben 75 Millionen Dollar für diesen Prozess ausgegeben. Und sie wollen jetzt natürlich auch Fortschritte sehen. Und für sie geht das zu langsam.