Koczian: "Ihr da oben", das sind zum Beispiel das Präsidium der SPD und alle die ihr angehörigen Ministerpräsidenten, die gestern und heute tagen, um den Parteitag in drei Wochen vorzubereiten. "Wir da unten", das sind zum Beispiel die Tausende Bergbauarbeiter, die am Wochenende in Köln gegen die SPD demonstrierten, ein zumindest bemerkenswerter Moment in der Geschichte der Gruppierung, die sich als Arbeiterpartei verstand. Am Telefon ist Detlev von Larcher, Sprecher des Frankfurter Kreises, den man gemeinhin als linke Sozialdemokraten bezeichnet. Guten Morgen Herr von Larcher!
Von Larcher: Schönen guten Morgen Herr Koczian.
Koczian: Trifft die Demonstration in Köln nur eine regionale Interessenlage oder geht es doch um die tiefere Frage quo vadis SPD?
Von Larcher: Die Demonstration in Köln ist verursacht vor allen Dingen durch eine Bestimmung aus den Gesetzen der aktuellen Steuerreform, die wir jetzt am Freitag verabschiedet haben. Da geht es um die Förderung von hoch wirksamen Kraftwerken. Ich glaube, die Bergleute sind beunruhigt worden durch die öffentliche Debatte darüber. Ich glaube nicht, dass der Bergbau durch dieses neue Gesetz wirklich gefährdet ist. Die Bergleute sind aber sowieso beunruhigt, weil ja großer Stellenabbau angekündigt worden ist, auch ganz unabhängig von diesem Gesetz.
Koczian: Was würden Sie denn Wolfgang Clement raten? Er muß ja demnächst Wahlen gewinnen.
Von Larcher: Wolfgang Clement weiß sicher selber, was er zu tun hat. Ich vermute, dass es nicht ganz richtig ist, wenn er nun selber sich an die Spitze derjenigen setzt, die dieser Befürchtung Ausdruck geben, weil meiner Überzeugung nach der Bergbau dadurch wirklich nicht gefährdet ist. Ich glaube, die SPD hat in der letzten Woche durch die Verabschiedung der ökologischen Steuerreform, des Haushaltssanierungsgesetzes - und in der nächsten Sitzungswoche werden wir den Haushalt verabschieden - gezeigt, dass sie eben doch handlungsfähig ist und geschlossen handeln kann. Das haben uns viele nicht zugetraut. Wir konnten deswegen geschlossen zustimmen, weil es uns gelungen ist, einige der Forderungen durchzusetzen, die wir gehabt haben, einige Erleichterungen im sozialen Bereich. Wir haben im Steuerplanungsgesetz noch einige Steuerschlupflöcher geschlossen. Wenn wir vor dem Bundesparteitag - und davon gehe ich aus -, möglicherweise nach der heutigen Präsidiumssitzung hören, in welche Richtung nun konkret bei der Besteuerung der großen Vermögen gedacht wird, dann wird klar, dass die SPD wieder auf dem richtigen Kurs ist, Innovation und soziale Gerechtigkeit. Wenn das der Bundesparteitag klar macht und besiegelt, dann glaube ich, wird es auch mit der SPD in Wahlen wieder aufwärts gehen können.
Koczian: Nun meinte Gerhard Schröder, "Wir gegen uns" müsse aufhören. Das ist ja ein kommoder Standpunkt, denn er heißt ja auch: hier die immerhin gewählte Führung, dort die Gefolgschaft. Kann so Sozialdemokratie funktionieren?
Von Larcher: So funktioniert Sozialdemokratie nicht, aber Sie sehen es ja auch daraus, dass viele Regionalkonferenzen jetzt abgehalten werden, dass das die Parteiführung auch nicht so sieht. Mit der SPD geht es eben nicht so, dass oben gesagt wird was gemacht wird und unten applaudiert wird, sondern die Basis diskutiert mit. Das wird sich auf dem Bundesparteitag auch zeigen. Wir haben ja in allen europäischen sozialdemokratischen Parteien eine interessante Diskussion. Die könnte man vergröbert so beschreiben, dass die einen sagen, wenn wir in der Regierung sind haben wir dafür zu sorgen, die Gesellschaft den Gesetzmäßigkeiten der Wirtschaft anzupassen, und die anderen sagen, nein, auch im Zeichen der Globalisierung ist es Aufgabe der Politik, den gestaltenden Rahmen zu ziehen, in dem sich auch die Marktwirtschaft zu bewegen hat. Das gilt allerdings dann nicht mehr nur national, sondern vor allen Dingen europäisch und international. Man könnte die Position so beschreiben: Auf der einen Seite ist das Blair-Schröder-Papier. Das steht für die erste Position. Auf der anderen Seite steht das Papier, was Jospin mit der sozialistischen Internationale in der vergangenen Woche vorgelegt hat. Diese Diskussion wird, wie gesagt, in der ganzen europäischen Sozialdemokratie geführt, und damit wir sie in die richtige Richtung beeinflussen, haben wir Linken uns jetzt auch europäisch organisiert. Wir haben eine Vereinigung "die soziale Republik" in Paris gegründet, die auf diese Debatte innerhalb der eigenen Parteien und auch im Rahmen der SPI, der sozialen demokratischen Partei in Europa, Einfluß nehmen will.
Koczian: Ist das nun eine organisierte Opposition in der SPD, in der Sozialdemokratie?
Von Larcher: Nein, das ist nicht eine organisierte Opposition, sondern die breiten Volksparteien nennt man ja deswegen breite Volksparteien, weil sie eben ein ganz breites Spektrum umfassen. Es ist eben eine Gesprächsebene für die Linken in den sozialdemokratischen Parteien, um sich zu koordinieren. Ich finde, das ist ein Beitrag dazu, auch die notwendige Diskussion auf europäischer Ebene voranzutreiben, weil es ja in der Tat um sehr viel mehr Koordination der verschiedenen Politikbereiche in Europa gehen muß, wenn der Anspruch gewahrt bleiben soll, dass die Politik den Rahmen absteckt, dass die politisch gewählten Vertreter in den Parlamenten entscheiden und nicht irgendwelche anonymen Marktkräfte.
Koczian: Kommen wir noch einmal auf die deutsche Ebene zurück. Die deutlichste Warnung, auch weil sie sehr seriös formuliert war, kam ja von Rudolf Scharping. Nun ist Scharping nicht irgendwer, was weiter zur Frage führt: Kommuniziert die Führung in adäquater Weise miteinander?
Von Larcher: Gerade im Moment tut sie es ja wohl! Sie haben ja selber gesagt, wer seit gestern in Berlin zusammensitzt. Ich glaube, die Bemerkung Rudolf Scharpings war nicht sehr hilfreich. Ich finde es nicht sehr hilfreich, wenn ein stellvertretender Parteivorsitzender an der Zukunftsfähigkeit seiner eigenen Partei öffentlich zweifelt. Das gehört in der Tat in das Gremium, das jetzt zusammensitzt, und ich hoffe sehr, dass dort wirklich alle unterschiedlichen Auffassungen offen diskutiert werden und dass der Parteitag wirklich in der Weise vorbereitet wird, wie ich es eingangs beschrieben habe, und dass dann auch alle, die dort versammelt sind, an diesem Strick in der gleichen Richtung ziehen.
Koczian: Nun wissen wir ja seit heute Nacht - das als Beispiel -, dass vom Global-Budget, um das so sehr gekämpft wurde, abgerückt wird. Ist dies denn so ein Beispiel? Da wird etwas verteidigt, und dann kommt der große alte Manitu der Sozialpolitik der SPD, Rudolf Dreßler, und ändert das. Oder ist das schlicht die Kapitulation vor den Machtverhältnissen, dass nämlich der Bundesrat mitbestimmen muß?
Von Larcher: Ich habe das nicht gehört, was Sie jetzt gerade beschrieben haben. Ich habe heute Nacht geschlafen. Wenn das so ist? - Ich vermute mal, es geht jetzt wirklich um die Vorbereitung der Verhandlungen mit dem Vermittlungsausschuß und dem Bundesrat. Dass man dort aufeinander zugehen muß, das ist das normale demokratische Verfahren, das wir immer gehabt haben. Wenn der Bundesrat zustimmungspflichtig ist, das heißt wenn ein Gesetz nur zu Stande kommt, wenn auch der Bundesrat letztendlich ja sagt, dann muß es solche Verhandlungen geben und dann muß man die Positionen so miteinander verhandeln, dass eben dann in beiden Körperschaften, im Bundesrat und im Bundestag, eine Mehrheit zu Stande kommt. Da sind Kompromisse unabweisbar. Dann muß man sich ansehen, wie diese Verhandlungen laufen, und dann muß der Bundestag auch entscheiden, ob er einem Kompromiß zustimmt, der Bundesrat ebenfalls. In diesen Zusammenhang gehört sicherlich diese Debatte.
Koczian: Nun besteht im Bundestag selbst ja links kein Vakuum. Links wächst kräftig die PDS heran, meist auf Kosten der SPD. In der Mitte aber gewinnt die CDU Terrain zurück unter Verdrängung der Freien Demokraten. Aber wenn niemand auch genau weiß, was eigentlich links ist, müßte sich die SPD nicht wieder als linke Partei dann verstehen, so wie Sie es in Ihrer Gruppierung geschildert haben?
Von Larcher: Ich glaube in der Tat, dass wir durch die Debatten in der allerjüngsten Vergangenheit dazu beigetragen haben, dass manche Menschen gesagt haben, ob die soziale Gerechtigkeit bei der SPD noch wirklich gut aufgehoben ist wissen wir nicht. Wir haben dadurch, glaube ich, besonders in den neuen Ländern - darauf weist ja Herr Stolpe immer hin - Platz geschaffen für die PDS. Ich halte das für eine ganz schlechte Entwicklung, denn natürlich möchte ich gerne, dass viele, viele PDS-Wähler wieder die Sozialdemokraten wählen. Deswegen ist es um so wichtiger, dass wir klar machen, dass für uns der Sozialstaat etwas ganz wichtiges und vom Grunde her bestimmendes für unsere Politik ist und dass wir diesen Sozialstaat ausbauen, umbauen auf die Ansprüche der modernen Zeit, aber dass wir ihn auf gar keinen Fall abbauen wollen.
Koczian: Aber was könnten Sie denn Gregor Gysi vorwerfen, wenn er genau das gleiche fordert was Sie fordern?
Von Larcher: Dem Gregor Gysi kann ich nicht vorwerfen, dass er aus sozialdemokratischen Programmen abschreibt. Ich kann das nur feststellen und kann daneben sagen, wir Sozialdemokraten müssen dafür sorgen, dass die Menschen sehen und dann auch glauben, dass wir eben für die soziale Gerechtigkeit die Partei sind, die sich immer dafür eingesetzt hat und auch in Zukunft einsetzen wird. Dann ist die PDS halt ein Konkurrent wie andere Parteien auch. Wir dürfen halt da nicht den Platz lassen, den wir gelassen haben.
Koczian: Fehlt vielleicht Oskar Lafontaine mit seiner Denkweise jetzt im Rückblick gesehen, oder wurde dadurch doch ein Konflikt beseitigt?
Von Larcher: Ich finde es nach wie vor sehr schade, dass Oskar das Handtuch geworfen hat. Die Art und Weise wie er es getan hat habe ich auch ihm gegenüber kritisiert. Er war eine wichtige Stimme, die gehört worden ist. Deswegen kann man sagen, er fehlt! Allerdings ist es nicht so, dass wenn einer geht die ganze Gruppe dann zusammenbricht.
Koczian: Letzte Frage: Verdrossenen SPD-Anhängern mag es ja an Symbolen fehlen. Symbole fassen ja Politik zusammen. Und jetzt vom bürgerlichen Standpunkt aus gesehen: rote Fahnen an sich bedeuten ja noch nichts Schlimmes. Also mehr rote Fahnen und mehr "Brüder zur Sonne, zur Freiheit empor" statt Papiere mit Tony Blair oder wem auch immer?
Von Larcher: Ich glaube nicht, dass Symbole helfen. Ich glaube, dass konkrete Politik hilft und dass konkrete Politik dann auch richtig erklärt werden muß und erläutert werden muß. Wenn wir beides zusammen tun, dann gibt es auch wieder eine große Zukunft für die SPD.
Koczian: Im Deutschlandfunk war das der SPD-Bundestagsabgeordnete Detlev von Larcher.
Von Larcher: Schönen guten Morgen Herr Koczian.
Koczian: Trifft die Demonstration in Köln nur eine regionale Interessenlage oder geht es doch um die tiefere Frage quo vadis SPD?
Von Larcher: Die Demonstration in Köln ist verursacht vor allen Dingen durch eine Bestimmung aus den Gesetzen der aktuellen Steuerreform, die wir jetzt am Freitag verabschiedet haben. Da geht es um die Förderung von hoch wirksamen Kraftwerken. Ich glaube, die Bergleute sind beunruhigt worden durch die öffentliche Debatte darüber. Ich glaube nicht, dass der Bergbau durch dieses neue Gesetz wirklich gefährdet ist. Die Bergleute sind aber sowieso beunruhigt, weil ja großer Stellenabbau angekündigt worden ist, auch ganz unabhängig von diesem Gesetz.
Koczian: Was würden Sie denn Wolfgang Clement raten? Er muß ja demnächst Wahlen gewinnen.
Von Larcher: Wolfgang Clement weiß sicher selber, was er zu tun hat. Ich vermute, dass es nicht ganz richtig ist, wenn er nun selber sich an die Spitze derjenigen setzt, die dieser Befürchtung Ausdruck geben, weil meiner Überzeugung nach der Bergbau dadurch wirklich nicht gefährdet ist. Ich glaube, die SPD hat in der letzten Woche durch die Verabschiedung der ökologischen Steuerreform, des Haushaltssanierungsgesetzes - und in der nächsten Sitzungswoche werden wir den Haushalt verabschieden - gezeigt, dass sie eben doch handlungsfähig ist und geschlossen handeln kann. Das haben uns viele nicht zugetraut. Wir konnten deswegen geschlossen zustimmen, weil es uns gelungen ist, einige der Forderungen durchzusetzen, die wir gehabt haben, einige Erleichterungen im sozialen Bereich. Wir haben im Steuerplanungsgesetz noch einige Steuerschlupflöcher geschlossen. Wenn wir vor dem Bundesparteitag - und davon gehe ich aus -, möglicherweise nach der heutigen Präsidiumssitzung hören, in welche Richtung nun konkret bei der Besteuerung der großen Vermögen gedacht wird, dann wird klar, dass die SPD wieder auf dem richtigen Kurs ist, Innovation und soziale Gerechtigkeit. Wenn das der Bundesparteitag klar macht und besiegelt, dann glaube ich, wird es auch mit der SPD in Wahlen wieder aufwärts gehen können.
Koczian: Nun meinte Gerhard Schröder, "Wir gegen uns" müsse aufhören. Das ist ja ein kommoder Standpunkt, denn er heißt ja auch: hier die immerhin gewählte Führung, dort die Gefolgschaft. Kann so Sozialdemokratie funktionieren?
Von Larcher: So funktioniert Sozialdemokratie nicht, aber Sie sehen es ja auch daraus, dass viele Regionalkonferenzen jetzt abgehalten werden, dass das die Parteiführung auch nicht so sieht. Mit der SPD geht es eben nicht so, dass oben gesagt wird was gemacht wird und unten applaudiert wird, sondern die Basis diskutiert mit. Das wird sich auf dem Bundesparteitag auch zeigen. Wir haben ja in allen europäischen sozialdemokratischen Parteien eine interessante Diskussion. Die könnte man vergröbert so beschreiben, dass die einen sagen, wenn wir in der Regierung sind haben wir dafür zu sorgen, die Gesellschaft den Gesetzmäßigkeiten der Wirtschaft anzupassen, und die anderen sagen, nein, auch im Zeichen der Globalisierung ist es Aufgabe der Politik, den gestaltenden Rahmen zu ziehen, in dem sich auch die Marktwirtschaft zu bewegen hat. Das gilt allerdings dann nicht mehr nur national, sondern vor allen Dingen europäisch und international. Man könnte die Position so beschreiben: Auf der einen Seite ist das Blair-Schröder-Papier. Das steht für die erste Position. Auf der anderen Seite steht das Papier, was Jospin mit der sozialistischen Internationale in der vergangenen Woche vorgelegt hat. Diese Diskussion wird, wie gesagt, in der ganzen europäischen Sozialdemokratie geführt, und damit wir sie in die richtige Richtung beeinflussen, haben wir Linken uns jetzt auch europäisch organisiert. Wir haben eine Vereinigung "die soziale Republik" in Paris gegründet, die auf diese Debatte innerhalb der eigenen Parteien und auch im Rahmen der SPI, der sozialen demokratischen Partei in Europa, Einfluß nehmen will.
Koczian: Ist das nun eine organisierte Opposition in der SPD, in der Sozialdemokratie?
Von Larcher: Nein, das ist nicht eine organisierte Opposition, sondern die breiten Volksparteien nennt man ja deswegen breite Volksparteien, weil sie eben ein ganz breites Spektrum umfassen. Es ist eben eine Gesprächsebene für die Linken in den sozialdemokratischen Parteien, um sich zu koordinieren. Ich finde, das ist ein Beitrag dazu, auch die notwendige Diskussion auf europäischer Ebene voranzutreiben, weil es ja in der Tat um sehr viel mehr Koordination der verschiedenen Politikbereiche in Europa gehen muß, wenn der Anspruch gewahrt bleiben soll, dass die Politik den Rahmen absteckt, dass die politisch gewählten Vertreter in den Parlamenten entscheiden und nicht irgendwelche anonymen Marktkräfte.
Koczian: Kommen wir noch einmal auf die deutsche Ebene zurück. Die deutlichste Warnung, auch weil sie sehr seriös formuliert war, kam ja von Rudolf Scharping. Nun ist Scharping nicht irgendwer, was weiter zur Frage führt: Kommuniziert die Führung in adäquater Weise miteinander?
Von Larcher: Gerade im Moment tut sie es ja wohl! Sie haben ja selber gesagt, wer seit gestern in Berlin zusammensitzt. Ich glaube, die Bemerkung Rudolf Scharpings war nicht sehr hilfreich. Ich finde es nicht sehr hilfreich, wenn ein stellvertretender Parteivorsitzender an der Zukunftsfähigkeit seiner eigenen Partei öffentlich zweifelt. Das gehört in der Tat in das Gremium, das jetzt zusammensitzt, und ich hoffe sehr, dass dort wirklich alle unterschiedlichen Auffassungen offen diskutiert werden und dass der Parteitag wirklich in der Weise vorbereitet wird, wie ich es eingangs beschrieben habe, und dass dann auch alle, die dort versammelt sind, an diesem Strick in der gleichen Richtung ziehen.
Koczian: Nun wissen wir ja seit heute Nacht - das als Beispiel -, dass vom Global-Budget, um das so sehr gekämpft wurde, abgerückt wird. Ist dies denn so ein Beispiel? Da wird etwas verteidigt, und dann kommt der große alte Manitu der Sozialpolitik der SPD, Rudolf Dreßler, und ändert das. Oder ist das schlicht die Kapitulation vor den Machtverhältnissen, dass nämlich der Bundesrat mitbestimmen muß?
Von Larcher: Ich habe das nicht gehört, was Sie jetzt gerade beschrieben haben. Ich habe heute Nacht geschlafen. Wenn das so ist? - Ich vermute mal, es geht jetzt wirklich um die Vorbereitung der Verhandlungen mit dem Vermittlungsausschuß und dem Bundesrat. Dass man dort aufeinander zugehen muß, das ist das normale demokratische Verfahren, das wir immer gehabt haben. Wenn der Bundesrat zustimmungspflichtig ist, das heißt wenn ein Gesetz nur zu Stande kommt, wenn auch der Bundesrat letztendlich ja sagt, dann muß es solche Verhandlungen geben und dann muß man die Positionen so miteinander verhandeln, dass eben dann in beiden Körperschaften, im Bundesrat und im Bundestag, eine Mehrheit zu Stande kommt. Da sind Kompromisse unabweisbar. Dann muß man sich ansehen, wie diese Verhandlungen laufen, und dann muß der Bundestag auch entscheiden, ob er einem Kompromiß zustimmt, der Bundesrat ebenfalls. In diesen Zusammenhang gehört sicherlich diese Debatte.
Koczian: Nun besteht im Bundestag selbst ja links kein Vakuum. Links wächst kräftig die PDS heran, meist auf Kosten der SPD. In der Mitte aber gewinnt die CDU Terrain zurück unter Verdrängung der Freien Demokraten. Aber wenn niemand auch genau weiß, was eigentlich links ist, müßte sich die SPD nicht wieder als linke Partei dann verstehen, so wie Sie es in Ihrer Gruppierung geschildert haben?
Von Larcher: Ich glaube in der Tat, dass wir durch die Debatten in der allerjüngsten Vergangenheit dazu beigetragen haben, dass manche Menschen gesagt haben, ob die soziale Gerechtigkeit bei der SPD noch wirklich gut aufgehoben ist wissen wir nicht. Wir haben dadurch, glaube ich, besonders in den neuen Ländern - darauf weist ja Herr Stolpe immer hin - Platz geschaffen für die PDS. Ich halte das für eine ganz schlechte Entwicklung, denn natürlich möchte ich gerne, dass viele, viele PDS-Wähler wieder die Sozialdemokraten wählen. Deswegen ist es um so wichtiger, dass wir klar machen, dass für uns der Sozialstaat etwas ganz wichtiges und vom Grunde her bestimmendes für unsere Politik ist und dass wir diesen Sozialstaat ausbauen, umbauen auf die Ansprüche der modernen Zeit, aber dass wir ihn auf gar keinen Fall abbauen wollen.
Koczian: Aber was könnten Sie denn Gregor Gysi vorwerfen, wenn er genau das gleiche fordert was Sie fordern?
Von Larcher: Dem Gregor Gysi kann ich nicht vorwerfen, dass er aus sozialdemokratischen Programmen abschreibt. Ich kann das nur feststellen und kann daneben sagen, wir Sozialdemokraten müssen dafür sorgen, dass die Menschen sehen und dann auch glauben, dass wir eben für die soziale Gerechtigkeit die Partei sind, die sich immer dafür eingesetzt hat und auch in Zukunft einsetzen wird. Dann ist die PDS halt ein Konkurrent wie andere Parteien auch. Wir dürfen halt da nicht den Platz lassen, den wir gelassen haben.
Koczian: Fehlt vielleicht Oskar Lafontaine mit seiner Denkweise jetzt im Rückblick gesehen, oder wurde dadurch doch ein Konflikt beseitigt?
Von Larcher: Ich finde es nach wie vor sehr schade, dass Oskar das Handtuch geworfen hat. Die Art und Weise wie er es getan hat habe ich auch ihm gegenüber kritisiert. Er war eine wichtige Stimme, die gehört worden ist. Deswegen kann man sagen, er fehlt! Allerdings ist es nicht so, dass wenn einer geht die ganze Gruppe dann zusammenbricht.
Koczian: Letzte Frage: Verdrossenen SPD-Anhängern mag es ja an Symbolen fehlen. Symbole fassen ja Politik zusammen. Und jetzt vom bürgerlichen Standpunkt aus gesehen: rote Fahnen an sich bedeuten ja noch nichts Schlimmes. Also mehr rote Fahnen und mehr "Brüder zur Sonne, zur Freiheit empor" statt Papiere mit Tony Blair oder wem auch immer?
Von Larcher: Ich glaube nicht, dass Symbole helfen. Ich glaube, dass konkrete Politik hilft und dass konkrete Politik dann auch richtig erklärt werden muß und erläutert werden muß. Wenn wir beides zusammen tun, dann gibt es auch wieder eine große Zukunft für die SPD.
Koczian: Im Deutschlandfunk war das der SPD-Bundestagsabgeordnete Detlev von Larcher.