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Riechende Haut
Duftrezeptoren können bei der Wundheilung helfen

Etwa 350 verschiedene Riechrezeptor-Typen gibt es in der menschlichen Nasenschleimhaut. Jeder davon kann einen anderen chemischen Stoff in der Atemluft wahrnehmen. Doch Riechrezeptoren gibt es nicht nur in der Nase. Biologen an der Universität Bochum haben bestimmte Duftsensoren auch in anderen Geweben gefunden, zum Beispiel in der Haut.

Von Magdalena Schmude | 12.08.2014
    Ein Mann kratzt sich die Haut am Rücken am Freitag (17.09.2010) in der Poliklinik für Hautkrankheiten am Universitätsklinikum Münster (UKM). Experten diskutieren beim 2. Münsteraner Pruritussymposium Leitlinien für verbesserte Patientenversorgung. Das Kompetenzzentrum Pruritus am UKM ist bundesweit die erste Einrichtung für Patienten mit chronischem Juckreiz.
    Im Laborversuch schließt sich die Wunde in einer dünnen Hautschicht etwa dreißig Prozent schneller, wenn der Riechrezeptor auf den Zellen durch Sandorle aktiviert worden ist. (picture-alliance/dpa/ Friso Gentsch )
    "Es ist ja ganz schwer, Düfte in Worte zu fassen, wenn ich ehrlich bin. Es gibt genaue Beschreibungen natürlich von Sandelholz, also so ein bisschen indisch-orientalisch, also es ist ein bisschen schwer zu beschreiben."
    Hanns Hatt ist Zellphysiologe und beschäftigt sich schon lange mit Düften und den dazu passend Riechrezeptoren. Sandelholzöl oder genauer Sandorle, eine synthetische Version des Naturstoffs, wird vom Rezeptor OR2AT4 erkannt. Diesen Rezeptor haben Hans Hatt und sein Team zusammen mit etwa zwanzig anderen Duftsensoren in Keratinozyten gefunden, einem Zelltyp der Oberhaut.
    Duftrezeptoren in fast allen getesteten Zelltypen gefunden
    Überraschend war dieser Fund für den Biologen nicht. Denn bei einem groß angelegten Versuch hatten die Bochumer Forscher systematisch in verschiedenen menschlichen Geweben nach Duftrezeptoren gesucht und sie in fast allen getesteten Zelltypen nachgewiesen. In Leber, Niere, Herz - und der Haut.
    "Und dann haben wir natürlich gesagt, Haut ist ja spannend, weil die kommt ja ganz oft direkt in Kontakt mit chemischen Stoffen, schauen wir uns doch die erst mal an."
    Auch wenn OR2AT4 ein Riechrezeptor ist: In der Haut musste er eine andere Funktion haben. Denn hier ist er nicht wie in der Nase mit dem Riechzentrum im Gehirn verbunden. Um untersuchen zu können, was in den Hautzellen passiert, wenn der Rezeptor aktiviert wird, muss man allerdings wissen, welcher Stoff an ihn bindet.
    Für die Forscher meist eine langwierige Aufgabe, weil nur für einen geringen Teil der Rezeptoren bekannt ist, welchen Stoff sie erkennen und auch die Struktur eines Rezeptors keine Informationen darüber liefert. Deshalb bleibt oft nur Versuch und Irrtum.
    "Das ist ein mühsamer Weg, muss man ehrlich sagen. Das kostet oft schon ein halbes Jahr Arbeit. Man muss tausende von Düften drauf schmeißen und schauen, welcher kann den aktivieren."
    Riechrezeptoren helfen bei der Wundheilung
    Im Fall von OR2AT4 hatten die Forscher Glück und schnell ein passendes Gegenstück gefunden. Sandorle, ein synthetischer Sandelholz-Duft, kann an den Rezeptor binden und ihn aktivieren. Weitere Untersuchungen zeigten dann, dass die Aktivierung im Inneren der Zelle ein Signal auslöst, das zur Steigerungen des Stoffwechsels führt.
    Dadurch wachsen die Zellen schneller und teilen sich öfter. Außerdem wird die Migration verstärkt. Kratzten die Forscher in eine dünne Schicht aus Hautzellen in einer Zellkulturschale einen schmalen Strich, wanderten die neu gebildeten Zellen schneller in die freie Fläche hinein. Ganz ähnlich funktioniert auch die Wundheilung.
    "Also wenn ich mir so einen Schnitt in die Haut mache, dann klafft die ja auseinander, und dann müssen die Hautzellen natürlich möglichst schnell möglichst viel werden, also sich teilen und möglichst schnell wieder aufeinander zu wandern.
    Im Laborversuch schließt sich die Wunde in einer dünnen Hautschicht etwa dreißig Prozent schneller, wenn der Riechrezeptor auf den Zellen durch Sandorle aktiviert worden ist. Bisher wird der Duftstoff in Parfüms und Räucherstäbchen eingesetzt. Als medizinischer Wirkstoff in Cremes und Salben könnte er jetzt auch die Hautregeneration verbessern oder bei schlecht heilenden Wunden helfen, ist Hanns Hatt überzeugt. Das Patent für diese Anwendung hat mittlerweile eine Firma von der Ruhr-Universität gekauft.