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Riester-Modell zur privaten Altersvorsorge

Lange: Die Verhandlungen über ein "Bündnis für Arbeit" sie waren bislang hauptsächlich ein Forum für Positionsbestimmungen, für wage Willenserklärungen und für Formelkompromisse mit fragwürdiger Substanz. Nun scheinen die Verhandlungen aber an einem wichtigen Thema doch über den kritischen Punkt gekommen zu sein. Gestern stellte Arbeitsminister Walter Riester nach Gesprächen mit Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften ein Modell für die künftige private Altersvorsorge vor, das im Grundsatz von beiden Tarifparteien mitgetragen wird. Was es damit auf sich hat wollen wir nun mit Dieter Hundt erörtern, seines Zeichens Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Guten Morgen Herr Hundt!

    Hundt: Guten Morgen Herr Lange.

    Lange: Herr Hundt, eine staatliche Sparprämie für die private Altersvorsorge bei kleinen und mittleren Einkommen, außerdem betriebliche und branchenweite Tariffonds zur Förderung der Altersteilzeit. Ist das nun der Stein der Weisen, mit dem die Altersvorsorge für eine lange Zeit gesichert werden kann?

    Hundt: Ich sehe es als erforderlich an, dass wir unsere derzeitige umlagefinanzierte, beitragsfinanzierte Altersvorsorge ergänzen durch kapitalgedeckte private und betriebliche Zusatz-Altersversorgungen. Gestern sind nun einige Eckpunkte für eine Lösung diskutiert worden. Ich bin insgesamt optimistisch, dass wir Erfolge auf diesem Wege erzielen werden. Ich warne aber auf der anderen Seite davor: Es sind noch eine Vielzahl von Hindernissen aus dem Weg zu räumen.

    Lange: Das ist eine Einigung im Grundsatz, so hieß es gestern ja noch ganz vorsichtig. Erwarten Sie denn aus Ihren eigenen Reihen oder aus den Gewerkschaften gravierenden Widerspruch?

    Hundt: Es gibt noch beträchtliche Probleme. Beispielsweise ist aus Sicht der deutschen Wirtschaft und der deutschen Arbeitgeber unbedingt erforderlich, dass sich die Gewerkschaften von der derzeit vereinzelt bezogenen Position trennen, dass das gesetzliche Eintrittsalter in die Rentenversicherung verändert werden soll. Dieses geht mit uns auf gar keinen Fall, genauso wenig wie eine Lösung über Tariffonds. Dieses lehnen wir ab. Ich sehe aber gleichwohl - ich wiederhole dieses - interessante Möglichkeiten tarifvertraglicher Regelungen im Zusammenhang mit einer Ausweitung der Altersteilzeit, mit einer privaten betrieblichen Vorsorge als Ergänzung zur gesetzlichen Rentenversicherung.

    Lange: Verstehe ich das denn richtig, dass diese Sparförderung auf die jüngeren Arbeitnehmer zielt und dass die Tariffonds auf die älteren Beschäftigten gemünzt sind, die nicht mehr genug Erwerbsjahre vor sich haben, um nennenswert Kapital anzusparen?

    Hundt: Es wird möglicherweise eine gewisse Differenzierung stattfinden müssen, aber dieses sind eben Elemente, die im Moment noch nicht geklärt sind. Da ist die Frage einer staatlichen Förderung. Derartige Dinge haben wir heute ja auch schon in Form beispielsweise der vermögenswirksamen Leistungen. Meine Position ist, dass wir ein geändertes Steuersystem haben müssen, dass wir zu einer nachgelagerten Versteuerung derartiger Versicherungen kommen müssen. Das heißt, dass die Beiträge zunächst steuerfrei einbezahlt werden und erst bei Auszahlung versteuert werden.

    Lange: Nun ist ja diese Sparprämie eine Form der Subvention, von der zunächst mal die Versicherungskonzerne profitieren. Und dass das ganze für den Bund nicht kostenneutral ausfallen wird, davon darf man ja sicher auch ausgehen. Aber diese beiden "Kröten" würden Sie gegebenenfalls schlucken?

    Hundt: Ich wiederhole: Wir haben sehr, sehr viele Details, die im Moment völlig unklar sind. Das ist gestern ein Modell gewesen, das der Arbeitsminister präsentiert hat. Wir können uns vorstellen, dass man darüber redet. Unser Modell ist vom Prinzip her ein anderes. Wir wollen eine Verknüpfung einer moderaten Tarifentwicklung über einen längeren Zeitraum mit einer beschäftigungswirksamen Lösung, und dieses in einer Kombination mit einer zusätzlichen und verstärkten kapitalgedeckten betrieblichen Altersvorsorge über eben Ausweitung der Altersteilzeit und der Möglichkeit, dann Rentenabschläge bei vorzeitigem Austritt aus dem Erwerbsleben ganz oder teilweise zu kompensieren beziehungsweise eine zusätzliche Altersversorgungskomponente für den einzelnen zu haben.

    Lange: Da finden Sie sich aber in dem Modell, das gestern vorgestellt worden ist, durchaus wieder?

    Hundt: Wir finden uns grundsätzlich in dem Modell wieder, müssen über die Details, über die einzelnen Punkte einer derartigen Regelung sicherlich noch sehr, sehr viel nachdenken und auch mit den Gewerkschaften und der Politik verhandeln.

    Lange: Lassen Sie uns noch einmal auf diese Tariffonds zu sprechen kommen. Die sind nun einerseits Sache der Tarifparteien, sagt der Arbeitsminister. Andererseits hat Ihr Hauptgeschäftsführer Göhne erklärt, es seien nur individuelle Regelungen für einzelne Betriebe möglich. Wie verträgt sich das miteinander?

    Hundt: Tariffonds sind grundsätzlich nicht möglich. Wir lehnen diese ab. Wir kriegen dort wieder eine Ungleichgewichtigkeit zwischen verschiedenen Mitgliedern, zwischen verschiedenen Firmen. Wir haben dann die Gefahr, dass Beschäftigte und Unternehmen in diesen Tariffonds einzahlen würden, ohne dass sie beziehungsweise die Beschäftigten dieses Unternehmens daraus dann irgendwann einmal Prämien beziehen. Eine solche ungleichgewichtige Lösung kann nicht gehen. Was wir uns vorstellen ist, auf einer tarifvertraglichen Basis eine Möglichkeit zu schaffen, dass unter Anwendung des Freiwilligkeits-Prinzips in den Unternehmen selbst eine betriebsindividuelle Lösung gefunden werden kann.

    Hundt: Was ist denn dann mit den Firmen, die nicht tariflich gebunden sind, weil sie keinem Arbeitgeber-Verband angehören? Sind die dann draußen vor?

    Hundt: Das ist beispielsweise eine ganz wichtige Frage, die zu klären ist. Wenn derartige betriebliche Lösungen tarifvertraglich vereinbart werden, muss nachgedacht werden, wie Firmen zu behandeln sind, die nicht unter den Tarifvertrag fallen. Die Politik und teilweise die Gewerkschaften denken hier sehr schnell an Allgemeinverbindlichkeits-Erklärungen. Nur der Stein des Weisen ist dieses mit Sicherheit nicht.

    Lange: Die Versicherungswirtschaft hat schon kritisiert, dass mit einem Jahreseinkommen von 60.000 Mark bereits Facharbeiter aus dieser geplanten staatlichen Förderung herausfallen würden. Sind diese Einkommensgrenzen noch zu niedrig bemessen?

    Hundt: Darüber muss geredet werden. Quantitative Überlegungen sind bisher überhaupt nicht angestellt. Ich kann zu diesem Thema im Moment nichts sagen. Das ist alles verfrüht.

    Lange: Das betrifft jetzt auch nicht Ihren ureigenen Bereich, aber könnten Sie sich denn vorstellen, dass eine solche staatliche Förderung privater Vorsorge auch ein Weg sein könnte, um die Erziehungsarbeit beispielsweise von nichtberufstätigen Frauen stärker in der Rente zu berücksichtigen?

    Hundt: Mein Konzept ist, dass diese betriebliche Altersvorsorge von den Beschäftigten finanziert wird, dass dort beispielsweise auch ertragsabhängige Bestandteile eingebracht werden, dass beispielsweise auch Arbeitszeiten aus einem Arbeitszeitkonto, einem langfristigen Arbeitszeitkonto in eine derartige Altersvorsorge übertragen werden können und dass diese einbezahlten Prämien eben steuerfrei möglich sind und die Besteuerung erst nachgelagert bei der Auszahlung beginnt. Alle anderen Modelle, die von diesem Grundkonzept abweichen, müssen im Detail erst diskutiert und auch hinsichtlich ihrer Auswirkungen genau untersucht werden.

    Lange: Arbeitsminister Riester hat gestern deutlich gemacht, dass er keine Chance sieht, das Rentenalter auf 60 herabzusetzen. Ist das nach Ihrer Einschätzung noch ein gravierender Konfliktpunkt, wenn die Regelungen für die Altersteilzeit so wie geplant verbessert werden?

    Hundt: Ich bin der Meinung, dass wir im ersten Bündnis-Gespräch für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit im Dezember des letzten Jahres alle einig waren, Politik, Gewerkschaften und die Wirtschaft, dass die gesetzlichen Altersgrenzen in der Rentenversicherung nicht verändert werden. Um so mehr bin ich erstaunt darüber, dass nun in neuester Zeit vereinzelte Gewerkschaftsvertreter diese Position verlassen und doch eine Absenkung des gesetzlichen Rentenalters fordern. Ich sage: dieses geht nicht, ist nicht finanzierbar. Darüber hinaus kann es auch kein Weg sein, der uns weiterbringt im Rahmen des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit, wenn wir uns jeweils nach drei oder sechs Monaten von gemeinsam vereinbarten Positionen wieder distanzieren.

    Lange: Bis wann werden denn nach Ihrer Einschätzung diese Modelle für eine private Altersvorsorge, wie immer sie jetzt auch ausschaut, aber einmal ausgehend von diesem Kompromissvorschlag, zu realisieren sein?

    Hundt: Das ist im Moment sicherlich schwer zu beantworten. Ich sage aber, wir benötigen in dem Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit jetzt schnell konkrete Ergebnisse. Die Einbringung der Tarifpolitik in Verbindung mit einer Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge ist sicherlich ein zentrales und prioritäres Problem. Deshalb bin ich der Meinung: Wenn wir insgesamt Erfolg haben wollen, müssen konkrete Lösungen zumindest im Sinne einer Grundkonzeption in den nächsten Monaten gefunden werden.

    Lange: Herr Hundt, es steht ein Urteil des Verfassungsgerichts aus zur Besteuerung von Altersbezügen. In welche Richtung würde die Reise gehen, wenn die Richter zu dem Schluss kämen, dass sämtliche Altersbezüge zu besteuern wären und dass alle Rentenbeiträge steuerfrei zu stellen sind?

    Hundt: Meines Erachtens würde dieses den Druck auf den Gesetzgeber noch verstärken, schnell jetzt zu einer nachhaltigen Reform in der Rentenversicherung zu kommen, mit wirklichen Kosteneinsparungen, mit einer Umstellung des Konzepts. Ich werbe immer wieder für eine Umstellung unserer Lebensstandard-Versicherungen in eine Basis-Altersversorgung, die dann eben durch zusätzliche kapitalgedeckte private und betriebliche Vorsorgeelemente ergänzt wird.

    Lange: Und da könnte Ihnen das Verfassungsgericht weiterhelfen?

    Hundt: Ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, so wie es teilweise erwartet wird, würde, wie gesagt, den Druck auf eine derartige Entwicklung verstärken.

    Lange: Das war der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt. Ich danke Ihnen für das Gespräch und auf Wiederhören.