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Riexinger: "Ich bin ein eigenständiger politischer Kopf"

Der neue Kovorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, hält es für ein Klischee, dass er ein Mann Lafontaines sei. Er betont, dass künftig nicht mehr die Differenzen der Parteilager im Vordergrund stehen sollen. Es müsse "eine gemeinsame Meinungsbildung" der Linkspartei hergestellt werden.

Bernd Riexinger im Gespräch mit Jasper Barenberg | 04.06.2012
    Jasper Barenberg: Neue Führung, alter Streit – eine mögliche Formel für den Zustand der Linken nach ihrem Parteitag. Oder aber: Die Spaltung haben die Delegierten zwar abgewendet, und doch ist die Partei gespaltener als je zuvor. Fraktionschef Gregor Gysi verkrachte sich auf offener Bühne mit Oskar Lafontaine, geißelte in Göttingen die abgrundtiefe Feindschaft zwischen den beiden Flügeln.

    O-Ton Gregor Gysi: "In unserer Fraktion im Bundestag herrscht auch Hass, und Hass ist nicht zu leiten. Dann wäre es sogar besser, sich fair zu trennen, als weiterhin unfair mit Hass, mit Tricksereien, mit üblem Nachtreten und Denunziationen eine in jeder Hinsicht verkorkste Ehe zu führen."

    Barenberg: Gregor Gysi auf dem Parteitag in Göttingen. – Jetzt sollen es Katja Kipping richten, die Bundestagsabgeordnete aus Sachsen, und Bernd Riexinger, der Landesvorsitzende aus Baden-Württemberg. Am Telefon ist jetzt die eine Hälfte der neuen Doppelspitze der Linken. Guten Morgen, Bernd Riexinger.

    Bernd Riexinger: Schönen guten Morgen!

    Barenberg: Herr Riexinger, ist es an der Zeit zu akzeptieren, dass die Verschmelzung von westdeutscher WASG und ostdeutscher PDS bis heute nicht gelungen ist?

    Riexinger: Nein! Ich glaube, das kann man so nicht sagen. Man hat auf dem Parteitag deutlich gesehen, dass 95 Prozent der Delegierten der Überzeugung sind, dass wir nur als gesamtdeutsche Partei eine Chance haben.

    Barenberg: Aber zu spüren war das nicht auf dem Parteitag, oder kaum, jedenfalls in den Reden nicht.

    Riexinger: Es war in den Reden nicht zu spüren, aber es war am Klima zu spüren und alle Redner von Delegiertenseite und auch natürlich von der neuen Führung haben genau diesen Zustand betont. Alle wissen, als ostdeutsche Regionalpartei hätte die Linke auf die Dauer keine Chance, weder im Westen, noch im Osten.

    Barenberg: Hat denn der Parteitag gezeigt, dass die Gräben zwischen diesen beiden Lagern, von denen immer die Rede ist, noch tiefer sind, als alle zusammen im Vorfeld das gedacht haben?

    Riexinger: Ich glaube, wir haben eben unterschiedliche Kulturen und auch unterschiedlichen politischen Zustand. Natürlich sind wir in den ostdeutschen Ländern zum Teil Volkspartei, in vielen Kommunalparlamenten und Parlamenten gut verankert, auch in der Bevölkerung, und im Westen befindet sich die Partei natürlich im Aufbau, ist mehr in den Bewegungen verankert und hat im Kern auch noch zu wenig Mitglieder. Diese beiden Traditionslinien müssen natürlich besser zusammengeführt werden. Ich habe aber auch das Gefühl, da wird manchmal etwas hochstilisiert. Die inhaltlichen Barrieren, was wir eigentlich wollen, für welche Politik wir stehen, sind nicht unüberwindbar.

    Barenberg: Sie haben ja mit Ihrer Kandidatur vor allem die des ostdeutschen Reformers Dietmar Bartsch verhindert. Mit welchen Argumenten hat Oskar Lafontaine Sie denn überredet, am Ende dann doch noch anzutreten?

    Riexinger: Na ja, es war nicht Oskar Lafontaine alleine, sondern es waren viele in der Partei, die eben gesehen haben, dass wir einen Vertreter des Gewerkschaftsflügels, einen Vertreter, der die Arbeitnehmerseite vertritt, doch die Mehrheit der Bevölkerung, unbedingt in der Parteiführung haben müssen.

    Barenberg: Sie gelten ja als Mann Oskar Lafontaines. Sie selber sehen sich nicht so?

    Riexinger: Nein. Ich glaube, das ist ein Klischee. Ich mache jetzt schon über 35 Jahre Politik, war Mitbegründer der WASG, als Oskar Lafontaine noch gar nicht in der WASG oder in der Linken war. Also ich bin ein eigenständiger politischer Kopf, das verbindet sich mit meiner Biografie, und nicht irgendwie eine Person Lafontaines.

    Barenberg: Aber Oskar Lafontaine hat Sie ermuntert zu kandidieren?

    Riexinger: Oskar Lafontaine hat mich ermuntert, weil er genau gesehen hat, dass wir den Gewerkschaftsflügel verlieren - Klaus Ernst ist ja nicht mehr angetreten -, dass wir insbesondere im Westen (aber das gilt auch für den Osten) die Millionen von Beschäftigten, die jetzt eben durch die Krise nicht profitiert haben, die im Niedriglohnbereich sind, die in prekäre Verhältnisse abgedrängt werden, Reallohnverluste haben, oder auch befürchten müssen, im Alter arm zu werden, dass wir die vertreten müssen und dass die ein Gesicht haben müssen, das dieser Vertretung auch entspricht.

    Barenberg: Sie haben ja mit 53 Prozent der Delegiertenstimmen nur denkbar knapp gegen Dietmar Bartsch gewonnen. Der hat 45 Prozent bekommen. Wie wollen ausgerechnet Sie im Grunde die Vorbehalte so vieler Parteimitglieder jetzt überwinden helfen?

    Riexinger: Na ja, wenn eine demokratische Wahl stattfindet, dann sind Ergebnisse nun mal knapp. Das liegt, glaube ich, in der Natur der Sache. Viele Delegierten haben das auch als gut empfunden, dass eine Wahl anstand, dass man wählen konnte. Ich habe aber auch deutliche Signale der ostdeutschen Landesparteien bekommen, dass sie mit der neuen Führung zusammenarbeiten werden, und wir werden alles tun, um die Integration der Partei zu verbessern.

    Barenberg: Und wie könnte das funktionieren?

    Riexinger: Na ja, durch mehrere Maßnahmen. Erstens müssen wir dringend wieder zur Politik zurückkehren. Wenn wir 80 Prozent Gemeinsamkeiten haben und 20 Prozent Differenzen, dann müssen wir in erster Linie mit den 80 Prozent Gemeinsamkeiten (und zwar genau in unseren Kernmarken) Politik machen und dürfen nicht die 20 Prozent in den Vordergrund stellen. Diese 20 Prozent müssen dann in respektvoller Art und Weise diskutiert werden und es muss eine gemeinsame Meinungsbildung in der Partei hergestellt werden.

    Und das Zweite ist die klimatische Seite. Wir werden zuhören, wir werden mit allen Kräften in der Partei reden, wir werden ganz sicher an die ostdeutschen Landesparteien Angebote machen und ich glaube, dass wir dann einen wichtigen Beitrag zur Integration leisten können.

    Barenberg: Und das Angebot, auf dem Parteitag miteinander zu reden, das hat nicht geklappt?

    Riexinger: Ich glaube, das war jetzt einfach nötig, auf dem Parteitag eine Entscheidung zu fällen, und man muss ja sehen, dass wir eine Doppelspitze sind, dass wir beide Traditionslinien, sowohl die ostdeutsche als auch die westdeutsche, wobei mir es schwerfällt, in den Kategorien überhaupt zu reden, aufgenommen haben, und ich glaube, wir sind beide vom Typ her Leute, die kommunikativ sind, die zuhören können, die offen sind für die Ideen in allen Bereichen und die von vornherein eine mitgliederorientierte Partei wollen, wo die Mitglieder das Sagen haben, die Mitglieder einbezogen sind, und ich glaube, das ist ein Konzept, das funktionieren wird.

    Barenberg: Sie haben jetzt angedeutet, dass Sie Schwierigkeiten haben, überhaupt in diesen Flügeln zu sprechen oder über Flügel zu sprechen. Nun beschreiben Beobachter von außen das ja immer so, dass es bündniswillige Reformer und Pragmatiker im Osten auf der einen Seite gibt und Anhänger einer strikten Opposition im Westen. Trifft das den Zustand nach Ihrer Auffassung nicht?

    Riexinger: Nein! Ich glaube, das trifft den Zustand nicht. Wir haben ja im Westen auch Landesparteien, die durchaus bereit gewesen wären, mit der SPD zu koalieren, in Hessen zum Beispiel, oder im Saarland. Es lag ja jedes Mal an der SPD, dass sie lieber unter die Decke der CDU geschlüpft ist, als mit den Linken soziale Politik zu machen.

    Barenberg: Welche Rolle sollte Lafontaine in der nächsten Zeit spielen? Sollte er Spitzenkandidat werden für die Bundestagswahl im nächsten Jahr?

    Riexinger: Also nach meinem Wissen hat er das ja ausgeschlossen. Aber ich glaube, er wird eine ganz wichtige Rolle spielen, natürlich im Bundestagswahlkampf. Das wird ja eine zentrale Aufgabe der neuen Führung sein, den Bundestagswahlkampf vorzubereiten, eine Kampagne und mobilisierungsfähige Bundestagswahlvorbereitung zu treffen, und da wird Lafontaine eine große Rolle spielen.

    Barenberg: Bernd Riexinger, an der Seite von Katja Kipping der neue Vorsitzende der Linkspartei. Danke für das Gespräch!

    Riexinger: Ich bedanke mich auch.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.