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Ringstorff warnt vor Kürzung der Fördermittel für Ostdeutschland

Spengler: 600 Milliarden Euro sind seit der Vereinigung in den östlichen Teil Deutschlands transferiert worden und dennoch ist dort immer noch keine tragfähige Wirtschaftsstruktur entstanden. Zwei Zahlen unterstreichen das, die Arbeitslosigkeit beträgt 8,7 Prozent im Westen, aber 19,2 Prozent im Osten. Seit der Arbeitskreis zum Aufbau Ost unter dem früheren Hamburger Bürgermeister Dohnanyi eine Kurskorrektur der Förderpolitik vorgeschlagen hat, wird über das Ob und das Wie leidenschaftlich gestritten. Heute ist der Aufbau Ost Thema im Bundestag, am Telefon bei uns ist der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern und SPD Politiker Harald Ringstorff. Herr Ringstorff, der Bundeswirtschaftsminister hat angekündigt, dass es wegen der Haushaltslöcher möglicherweise etliche Millionen weniger bei den Gemeinschaftsaufgaben (GA) geben könnte. Würden Sie damit klarkommen?

Moderation: Jochen Spengler |
    Ringstorff: Wir haben, glaube ich, deutlich gemacht, dass eine Einsparung von und eine Kürzung der GA-Mittel kontraproduktiv wären für Ostdeutschland. Es besteht nach wie vor eine Unternehmens- und Infrastrukturlücke und insbesondere die Ansiedlungsanstrengungen für neue Unternehmen könnten dadurch nachhaltig gestört werden, wenn es Kürzungen gäbe.

    Spengler: Aber wir müssen ja alle sparen.

    Ringstorff: Ja, aber das fällt uns doppelt auf die Füße, wenn wir in diesem Bereich sparen, denn die Ansiedlung neuer Unternehmen begleitet durch eine entsprechende Infrastruktur, ist eigentlich das Rezept, um Ostdeutschland längerfristig auf eigene Beine zu stellen. Ansonsten würden wir am Dauertropf liegen und ich verweise darauf, dass es einen Solidarpakt II gibt, der ausgehandelt worden ist und dort sind in dem so genannten Korb II die Mittel festgeschrieben, die diesen teilungsbedingten Nachholbedarf finanzieren sollen.

    Spengler: Aber an diesem Solidarpakt II, Herr Ringstorff, da soll ja nach Aussage von Herrn Clement nicht gespart werden. Und eine Sache müssen wir doch feststellen, Sie hängen ja am Dauertropf.

    Ringstorff: Wir hängen am Dauertropf, ja, möchten uns aber gerne von diesem Dauertropf lösen. Es gibt sicherlich verschieden Ursachen dafür und da müsste man dann mit der Zeit gleich nach der Wende, mit den Fehlern gleich nach der Wende beginnen. Da wurde ja vielen suggeriert, alleine über Wachstum ließe sich alles finanzieren und es liefe mehr oder weniger alles alleine, das ist ja nicht eingetreten und die Diskussion über eine Sonderwirtschaftszone Ost hätte man zu dem Zeitpunkt führen müssen und eine andere Diskussion über die Arbeit der Treuhand ist geführt worden, aber die hat zu keiner Veränderung der Praxis geführt, nämlich erst sanieren und dann privatisieren, das wäre vielleicht ein besseres Mittel gewesen, um die fast völlige Deindustrialisierung Ostdeutschlands aufzuhalten.

    Spengler: Sie sagten, Sie hatten die Sonderwirtschaftszone angesprochen, das ist ja ein Begriff, den hat auch Klaus von Dohnanyi wieder ins Gespräch gebracht. Dahinter verbergen sich zum Beispiel niedrige Unternehmenssteuern. Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie das jetzt für zu spät halten?

    Ringstorff: Ich halte das für zu spät, es wird wahrscheinlich auch aus EU-rechtlichen Gründen nicht mehr realisierbar sein. Die neuen Beitrittsländer, die ja teilweise diese Gebiete haben, müssen das zurückführen, ich glaube, da ist die Zeit verschlafen. Es gab ja im Übrigen schon einmal einen Vorschlag von Alt-Bundeskanzler Schmidt, der auf ähnliche Dinge hinauslief, wie sie jetzt Klaus von Dohnanyi vorschlug und da ist viel abgeprüft worden und unter anderem haben sich da auch die Sachsen große Mühe gegeben und eigentlich ist es mit dem Gesetzeswerk und mit den Regeln der Europäischen Union wohl kaum noch vereinbar.

    Spengler: Was sollte man stattdessen jetzt machen, um den Aufschwung Ost effektiver zu machen?

    Ringstorff: Es ist so, dass jetzt die Ostdeutschen, glaube ich, schon etliches getan haben und auch dabei sind, die vorhandene Programme noch einmal zu evaluieren, dort sind auch noch einmal Arbeitsgruppen eingesetzt worden. Aber, mich stört an und für sich die Diskussion so wie sie läuft. Einmal wird suggeriert, dass der Aufbau Ost sich negativ auf den Westen auswirkt und Schuld ist für manches, was im Westen nicht läuft und dann wird weiterhin unterstellt, dass wir Geld mit der Gieskanne ausgeben. Das gab es sicherlich in der ersten Legislaturperiode, also gleich nach der Wende, dass jeder Bürgermeister sein Gewerbegebiet bekam, egal ob er Firmen hatte, die sich dort ansiedeln wollten oder nicht.

    Spengler: Das war die beleuchtete Schafweide?

    Ringstorff: Das waren die beleuchteten Schafsweiden, aber davon sind wir ja lange weg. Es gibt diese Clusterbildung bei uns, wenn ich einmal Mecklenburg-Vorpommern nehme, ein großes Cluster im Bereich Holzwirtschaft, mit allem, was dazu gehört. Das größte Nadelholzverarbeitungszentrum Europas. Oder es gibt die maritime Wirtschaft in der Küstenregion.

    Spengler: Das sind diese Cluster oder Leuchttürme?

    Ringstorff: Oder es gibt, das ist natürlich nicht clustermäßig zusammengefasst, sondern über das ganze Land verbreitet, aber auch ein Leuchtturm, wenn Sie so wollen, weil es über zehn Prozent des Bruttosozialproduktes bringt, das ist der Tourismus bei uns. Es wird nicht gehen und ich wende mich ausdrücklich dagegen, dass man zentral nun festlegt, was wo schwerpunktmäßig gefördert wird.

    Spengler: Ist es denn jetzt so, dass alles beim Aufbau Ost prima läuft oder dass man also gar nichts ändern muss?

    Ringstorff: Es läuft nicht alles prima. Ich wäre froh, wenn wir schon weiter wären, aber da müssen wir vielleicht noch an anderen Punkten ansetzten. Ich nenne zum Beispiel den Abbau von Bürokratie. Ich glaubte ja immer als Ostdeutscher, was Bürokratie angeht, wir wären dort die Weltmeister in der ehemaligen DDR gewesen, aber was nach der Wende auf uns zukam, das bedeutet, dass wir vom Regen in die Traufe kamen. Wir haben beispielsweise bei uns vor, ein Drittel aller Vorschriften, die wir beeinflussen können, abzuschaffen. Wir haben eine Regelung, die sich bewährt hat und wo ich dringend dafür plädiere, sie weiter zu führen, das ist das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz. Schon der Name macht eigentlich deutlich, wie weit wir mit der Bürokratie gekommen sind.

    Spengler: Also, auch da wäre noch einiges zu tun. Letzte Frage, Herr Ringstorff, wäre denn ein eigenes Ministerium Aufbau Ost nicht nötig, statt eines, sage ich mal, Appendix heute am Bundesverkehrsministerium dran?

    Ringstorff: Ich weiß nicht, ob ein eigenes Ministerium Aufbau Ost nun die Lösung der Probleme bedeuten würde. Bürokratieabbau, vor allen Dingen auch Stärkung der Forschung im Osten und hier muss man sich erst einmal an das halten, was vereinbart worden ist, dass neue Einrichtungen auch in den Osten gehen, das wird ja immer wieder bezweifelt und im Bereich der Industrieforschung die Rückstände aufholen. Es gibt Bundesprogramme, die uns unterstützen, aber das, was weggebrochen ist, ist noch längst nicht wieder da. Wir brauchen diese Bildungs- und Forschungslandschaft, um auch zu neuen Produkten zu kommen. Denn vielfach müssen die Betriebe im Osten ja über eine Niedrigpreisstrategie versuchen, auf die Märkte zu kommen, die ja zum Zeitpunkt Deutsche Einheit eigentlich von anderen Firmen besetzt waren und die Märkte, die die DDR-Firmen hatten, die sind weggebrochen, das wissen wir ja.

    Spengler: Was ändern beim Aufbau Ost? Das war der Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommerns Harald Ringstorff.