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Ringstorff warnt vor "Wettbewerbsföderalismus"

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff warnt vor der Schaffung eines "reinen Wettbewerbsföderalismus" in Deutschland. "Und zu viel Föderalismus an der falschen Stelle, zum Beispiel im Bildungsbereich, bringt weder Deutschland noch die Bundesländer voran", sagte der SPD-Politiker zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens zur Bund-Länder-Neugliederung. Unter anderem fürchtet Ringstorff nach eigenen Worten einen Verlust von Einheitlichkeit bei Zulassungsverfahren und Abschlüssen an den Hochschulen.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Als einziger Ministerpräsident hatte sich Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Harald Ringstorff bei der Abstimmung Anfang der Woche unter den Ministerpräsidenten über die Föderalismusreform der Stimme enthalten, während andere, vorher Kritiker, dann doch zustimmten. Ganz ablehnen will er die Föderalismusreform ja wahrscheinlich auch nicht, denn dass Deutschland eine Reform seiner Bund-Länder-Beziehungen braucht und dringend nötig hat, steht außerhalb jeder Diskussion. Aber wie weit sind Nachregelungen nötig und möglich, darüber spreche ich jetzt mit ihm. Schönen guten Morgen, Herr Ringstorff!

    Harald Ringstorff: Schönen guten Morgen, Frau Durak!

    Durak: Herr Ringstorff, morgen berät ja neben dem Bundestag auch die Länderkammer, später der Innenausschuss des Bundestages, wohl. Wenn es denn Morgen eine Abstimmung im Bundesrat gibt, wie werden Sie sich entscheiden?

    Ringstorff: Na, erstmal gibt es ja einen kleinen Anfangserfolg. Wir sind ja weg von der Politik des "Vogel, friss oder stirb". Es kommt zu keiner sofortigen Sachentscheidung morgen, oder im Bundesrat, sondern das Paket wird in den Ausschuss verwiesen. Ich hätte zwar gerne außer dem Innenausschuss auch den Finanzausschuss dabei gehabt. Das ermöglicht, dieses Verfahren, doch noch die Diskussion einiger Punkte. Ich bin zwar dafür, dass wir zu einer klaren Trennung der Entscheidungskompetenzen zwischen Bundestag und Bundesrat kommen. Das findet meine ungeteilte Zustimmung. Ich sehe aber einige Dinge doch etwas skeptisch. Viele Dinge laufen auf einen reinen Wettbewerbsföderalismus hinaus. Und zu viel Föderalismus an der falschen Stelle, zum Beispiel im Bildungsbereich bringt weder Deutschland noch die Bundesländer voran.

    Gerade im Bildungsbereich leiden wir jetzt schon darunter, dass wir viel Zersplitterung haben im Schulbereich. Und nun wird noch eins drauf gesetzt, im Hochschulbereich hat der Bund zwar weiterhin Gesetzgebungskompetenzen, aber die Länder können beliebig davon abweichen, wenn es beispielsweise um Zulassungsbedingungen geht, um Abschlüsse. Hier, denke ich, ist eine größere Einheitlichkeit besser am Platze. Und es hat sich ja gezeigt in der Vergangenheit, dass das Koordinierungsorgan, was wir haben, oder die Selbstorganisation, durch die KMK, die Kultusministerkonferenz, doch nicht so schlagkräftig ist.

    Nehmen Sie alleine das Beispiel Rechtschreibreform - eine Geschichte ohne Ende. Als sich die Kultusminister dann endlich geeinigt hatten, kamen zwei Ministerpräsidenten auf die Idee, ihrerseits nicht zuzustimmen. Und ich denke, soviel Kleinstaaterei sollte man eigentlich der Bevölkerung nicht zumuten.

    Durak: Herr Ringstorff, wenn ich mal einhaken darf, waren es aber nicht gerade Ministerpräsidenten, die die Bildung oder wegen der Bildung die Einigung, die es schon mal hätte geben können, gekippt haben? Stehen Sie da nicht allein?

    Ringstorff: Das ist so, dass es einige Ministerpräsidenten gab, die wollten das der Bund überhaupt nicht mehr im Bereich Bildung mitsprechen kann.

    Durak: Das heißt, Sie stehen allein mit Ihrer Meinung?

    Ringstorff: Nein, ich stehe trotzdem nicht allein. Also im Laufe des Prozesses gab es doch einige Ministerpräsidenten, die dieselbe Auffassung vertraten wie ich, dass sind vor allen Dingen Ministerpräsidenten von Ländern, die nicht so finanzstark sind. Und ich habe auch in der Bundestagsfraktion erkennen können, dass die Bundestagsfraktion da wohl nicht so völlig kommentarlos drüber hinweggehen wird, dass der Bund nun überhaupt keine Mitsprachemöglichkeiten mehr in diesem wichtigen Bereich hat.

    Durak: Die Frage ist ja wie..., pardon!

    Ringstorff: Ich weiß nicht, ob ich in einer, sicherlich werde ich im Bildungsbereich wohl in einer Minderheitenposition bleiben, aber dessen ungeachtet muss man ja auf bestimmte Punkte und Missstände hinweisen.

    Durak: Es ist ja nicht nur sozusagen Widerspruch in der SPD-Fraktion vorhanden gewesen, es muss wohl noch mehr gegeben haben. Dies nur zur Information auch für die Hörer. Die frühere Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn sagt heute einer Zeitung, dass es in der Fraktion sogar gar keine Mehrheit zum Thema Bildung gegeben haben soll. Das heißt möglicherweise naht ja Hilfe auch für Sie, Herr Ringstorff, aus der Fraktion. Die Frage ist jetzt nur, was kann denn jetzt noch wie geändert werden?

    Ringstorff: Naja, ich möchte ganz gerne, dass wir über diesen Punkt Bildung wirklich einmal intensiv diskutieren. Dass nicht jetzt im Schnellverfahren etwas beschlossen wird, was wir nachher bereuen. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Der Bund, weil er überhaupt keine Zuständigkeiten in diesem Bereich mehr hat, darf künftig beispielsweise nicht so etwas tun, was er getan hat, nämlich ein Ganztagsschulprogramm finanzieren. Da Bildung im ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Länder liegt, wäre so eine Hilfe nicht mehr möglich. Und wir wissen, dass in keinem anderen Land so stark wie in Deutschland, die Bildungschancen so sehr von der sozialen Herkunft abhängen. Und das ist von vielen kritisiert worden, kürzlich gerade erst von Herrn Munoz. Und da kann so ein Bundesprogramm durchaus hilfreich sein. Wir dürfen dieses Geld aber in der Perspektive gar nicht mehr annehmen. Dieses Programm, das Vier-Milliarden-Programm wird zwar noch durchgezogen, aber dann ist Schluss. Der Bund darf nicht mehr helfen, selbst wenn er helfen wollte.

    Durak: Herr Munoz, das ist der UNO-Bildungsbeauftragte, der diese Tage in Deutschland unterwegs gewesen ist, dies noch mal zur Erläuterung.

    Ringstorff: Ja, und überlegen Sie doch mal, wir verlangen von den Menschen ein hohes Maß an Flexibilität. Sie sollen eigentlich der Arbeit hinterher reisen. Wie schwierig ist es heute schon für ein Ehepaar oder für eine Familie mit schulpflichtigen Kindern, ein Bundesland zu wechseln? Man trifft teilweise auf völlig unterschiedliche Schulsysteme. Ich glaube, dass ist nicht gerade förderlich, um die Flexibilität innerhalb Deutschlands zu erhöhen. Also ich halte zuviel Föderalismus an der falschen Stelle nicht für das Nonplusultra. Natürlich gibt es Ministerpräsidenten, die sagen, wir wollen mehr Macht. Ich gebe ja mit meiner Position auch ein Stück Macht aus der Hand. Aber im Sinne einer erfolgreichen Bildungspolitik sollte man, denke ich, darüber nachdenken.

    Durak: Vielleicht wäre es ja sogar angebracht, das ist jetzt zwar ein weiter Sprung und bezieht sich auch auf Finanzen, Herr Ringstorff, aber wenn es vielleicht helfen würde, doch größere Bundesländer zu bilden, die dann mit stärkerer Kraft auch gegenüber dem Bund auftreten können. Also die Bildung eines gemeinsamen großen Nordlandes, würde Ihnen das helfen in dieser Beziehung?

    Ringstorff: Na, wir werden auf alle Fälle versuchen in verschiedenen Punkten zu koordinieren zwischen den norddeutschen Bundesländern. Wir haben das beispielsweise schon angedacht im Bereich der Beamtenbesoldung, des Beamtenrechtes. Das soll ja auch voll auf die Länder übergehen. Es ist auch ein Punkt, den ich kritisiere, weil die reicheren Länder dann natürlich die Möglichkeiten haben, durch höhere Zahlung sich Spitzenkräfte aus anderen Ländern zu kaufen und zu holen. Da haben wir im norddeutschen Verbund schon daran gedacht, zu einheitlichen Regelungen zwischen unseren Bundesländern zu kommen, so dass das zumindestens im Nordverbund dann nicht der Fall sein wird, das gegenseitige Abwerben. Es ist schwierig jetzt zur Länderneugliederung zu kommen. Das wird sicherlich ein sehr langer Prozess sein. Ich halte das zurzeit politisch nicht für durchsetzbar.

    Durak: Aber das sind ja die ersten Schritte. Wird Sie denn Herr Carstensen, also Ihr Kollege, Ministerpräsidentenkollege, in Sachen Bildung unterstützen?

    Ringstorff: Also, Herr Carstensen, hat auch seine Bedenken. Er hat seine größten Bedenken, glaube ich, im Besoldungsrecht, was auf die Länder übergehen soll. Über diesen Punkt haben wir konkret gesprochen. Aber er sieht auch sicherlich die eine oder andere Gefahr am Horizont aufziehen für die finanzschwachen Länder. Und ich kann mir vorstellen, dass auch von Schleswig-Holstein noch Anträge im Bundesrat gestellt werden.

    Durak: Dankeschön. Das war Harald Ringstorff, SPD-Ministerpräsident in Mecklenburg-Vorpommern. Schönen Dank, Herr Ringstorff, für das Gespräch.

    Ringstorff: Auf Wiederhören.

    Durak: Auf Wiederhören.