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Riskantes Geschäft mit Stromtrassen-Anleihe

Die Bundesregierung wirbt für Anleihen an Stromtrassen. Damit könnten Anwohner, die sich an der Finanzierung einer Stromtrasse beteiligen, immerhin fünf Prozent Rendite erhalten. Doch Fondsmanager halten diese Anleihen für hochriskant.

Von Christel Blanke | 22.07.2013
    Wer genau wissen will, wie die Bürgeranleihe für die Westküstenleitung aussieht, muss sich Zeit nehmen. Auf 85 Prospektseiten erklärt der Übertragungsnetzbetreiber Tennet, wie das Ganze funktioniert. Nach der Einleitung kommt erst einmal ein Warnhinweis, dass – Zitat – die Zusammenfassung als Einleitung zum Prospekt verstanden werden sollte.

    Die FAS, die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung", hat Experten an diese Aufgabe gesetzt. Das Fazit von Rodger Rinke von der Landesbank Baden-Württemberg: Kleinanleger können diese Anleihe nicht verstehen, Profis tun sich schwer.

    Mit einer sogenannten Bürgerdividende wollen Bundesumweltminister Peter Altmaier und Bundeswirtschaftsminister Philip Rösler die Akzeptanz für neue Stromleitungen erhöhen. Anfang Juli haben sie gemeinsam mit den Übertragungsnetzbetreibern eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet. Die Unternehmen sollen Beteiligungsmodelle entwickeln, so Rösler damals:

    "Das soll der Weg sein, nicht nur für ein Modell, für einen Pilotversuch, sondern für den gesamten Netzausbau in Deutschland."

    Das erste Pilotprojekt ist die Westküstenleitung in Schleswig-Holstein. Während der Planungsphase verspricht Tennet eine Rendite von drei Prozent. Sobald tatsächlich gebaut wird, soll sie auf fünf Prozent steigen. Zu wenig, meinen Experten in der FAS, denn das Risiko sei hoch. Tennet gibt eine sogenannte Hybridanleihe aus. Damit ist der Anleger weder an der Stromleitung noch am Konzern beteiligt. Er gibt dem Unternehmen vielmehr einen Kredit. Wann der zurückgezahlt wird, bleibt offen.

    Und bei einer Insolvenz des Netzbetreibers ginge der Anleger wohl leer aus, denn die Anleihe würde nachrangig behandelt. All das erklärt das Unternehmen ausführlich auf seiner Internetseite. Nils Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg rät Kleinanlegern im Deutschlandfunk, lieber keine einzelnen Unternehmensanleihen zu kaufen:

    "Wenn Sie einen großen Teil ihres Vermögens einem Unternehmen leihen, dann riskieren sie immer, einen Teil dieses Vermögens oder das Ganze zu verlieren. Und das sollte man einfach in der Geldanlage nicht machen."

    Den Vorwurf der FAS, die Bundesregierung habe Anleger mit dem Versprechen, das Geld sei sicher, getäuscht, weist Umweltminister Altmaier im Deutschlandfunk zurück:

    "Wir haben bei der Vorstellung unserer Bürgeranleihe ausdrücklich gesagt, dass dies noch nicht das Modell für die Zukunft ist, sondern dass wir abwarten werden, welche Erfahrungen die Netzgesellschaft Tennet mit dieser Form der Anleihe macht, andere Netzgesellschaften bevorzugen andere Formen der Anleihe."

    Die Verantwortung für die Ausgestaltung der Bürgeranleihen sieht Altmaier eindeutig bei den Netzbetreibern:

    "Wir haben keinerlei Urteil abgegeben über die Frage, wie das ausgestaltet sein soll. Ich habe den Ratschlag gegeben an die vier großen Übertragungsnetzbetreiber, dass sie den Bürgerinnen und Bürgern attraktive Angebote vorlegen, dass sie Angebote vorlegen, wo es sich lohnt, mitzumachen und ich bin überzeugt, dass wir auf diesem Weg Schritt für Schritt vorankommen werden."

    Bis Ende August können Anwohner der Westküstenleitung noch Anleihen zeichnen. Bisher haben rund 1.750 von den 160.000 Haushalten, die Tennet angeschrieben hat, die entsprechenden Unterlagen angefordert.