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Rittersturz-Konferenz vor 70 Jahren
Meilenstein für die spätere Bundesrepublik

Kurz nach Einführung der D-Mark und dem Beginn der sowjetischen Blockade West-Berlins tagten im Hotel Rittersturz die Ministerpräsidenten der Länder der drei westlichen Besatzungszonen. Auf der "Rittersturz-Konferenz" wurden die verfassungsrechtlichen Grundlagen für die Struktur der Bundesrepublik gelegt.

Von Wolfgang Stenke | 10.07.2018
    Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Peter Altmeier, spricht am im Hotel "Rittersturz" in Koblenz die Begrüßungsworte zur Eröffnung der Ministerpräsidentenkonferenz. Neben ihm sitzen (v.l.) der bayerische Ministerpräsident Hans Ehard, die amtierende Oberbürgermeisterin von Berlin, Louise Schröder, und der Innenminister von Rheinland-Pfalz, Jakob Steffan (verdeckt).
    Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Peter Altmeier, spricht im Hotel "Rittersturz" in Koblenz die Begrüßungsworte zur Eröffnung der Ministerpräsidentenkonferenz. (dpa)
    "Wir waren zum ersten Mal mit den anderen Ländern zusammen. Und deshalb sah ich meine Aufgabe darin, in diesem Augenblick nach Koblenz auf den Rittersturz einzuladen, in die damalige französische Zone."
    Peter Altmeier, Mitbegründer der CDU, von 1947 bis 1969 Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz.
    "Und dieser Appell, diese Einladung wurde akzeptiert. So kamen wir dann wenige Tage später zu der denkwürdigen Rittersturzkonferenz zusammen."
    Die Rittersturzkonferenz war ein Meilenstein auf dem Weg von der Besatzungsherrschaft der Alliierten zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Im Hotel "Rittersturz", südlich von Koblenz, tagten vom 8. bis zum 10. Juli 1948 die Ministerpräsidenten der Länder der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszonen. Gegenstand der Beratungen waren die "Frankfurter Dokumente" – Vorgaben der Westalliierten für die Neuordnung der deutschen Verhältnisse. – In "Dokument Nr. 1" hieß es:
    "In Übereinstimmung mit den Beschlüssen ihrer Regierungen autorisieren die Militär-Gouverneure der Amerikanischen, Britischen und Französischen Besatzungs-Zone in Deutschland die Minister-Präsidenten der Länder ihrer Zonen, eine verfassunggebende Versammlung einzuberufen, die spätestens am 1. September 1948 zusammentreten sollte."
    "Eingeborene von Trizonesien"
    Der Auftrag der Militärgouverneure fiel in eine Zeit, in der die Spannungen zwischen den westlichen Siegermächten des Zweiten Weltkrieges und ihrem sowjetischen Bündnispartner immer schärfer wurden. Die USA reagierten auf Stalins Expansion in Ost- und Mitteleuropa mit einer Politik der "Eindämmung". Dazu gehörte der Zusammenschluss der Besatzungsgebiete im Westen zur "Trizone" – einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet, das zur Keimzelle eines demokratischen Deutschland werden sollte. Als dort im Zuge der Währungsreform die D-Mark eingeführt wurde, ließ die Sowjetische Militäradministration am 4. Juni 1948 die Verbindungswege zwischen der Trizone und Berlin blockieren.
    Viele dieser "Eingeborenen von Trizonesien" standen der von den Westalliierten anvisierten Staatsgründung skeptisch gegenüber. Sie fürchteten die endgültige Teilung des alten Reichsgebiets. Wollten die Ministerpräsidenten der Länder die deutsche Frage offenhalten, mussten sie sich mit den Vorgaben der Militärgouverneure auseinandersetzen. Und das geschah auf der Rittersturz-Konferenz. Karl Arnold, CDU, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen:
    "Die Ministerpräsidenten waren sich zunächst … klargeworden, …, dass es aus deutschen Interessen geboten erscheint, den Auftrag der Militärgouverneure anzunehmen …, und dass andererseits die notwendigen und erforderlichen Beschlüsse nichts anderes werden als der einheitliche und fruchtbare Anfang auf dem Wege zu Gesamtdeutschland."
    Neue Phase deutscher Verantwortung
    Es ging den Länderchefs darum, den provisorischen Charakter des neuen Staatsgebildes hervorzuheben. Sorgfältig vermieden sie in ihrer Stellungnahme, den so genannten Koblenzer Beschlüssen, den Begriff der "verfassunggebenden Versammlung". Stattdessen verlangten die Ministerpräsidenten einen "Parlamentarischen Rat", der aus den Länderparlamenten hervorgehen sollte. Auch von einer Verfassung, über die die Besatzungsmächte ursprünglich in einer Volksabstimmung entscheiden lassen wollten, war nicht die Rede, sondern lediglich von einem "Grundgesetz". Sehr zum Ärger der Militärgouverneure: Vor allem US-General Lucius D. Clay sah in den deutschen Bedenken einen Versuch, sich nach der Niederlage von 1945 vor der Verantwortung für einen Neubeginn zu drücken. Doch schließlich gab die Militärregierung ihr Einverständnis. Im Mai 1949 trat das Grundgesetz in Kraft, im August traf man sich erneut auf dem Rittersturz. Der französische Hohe Kommissar André François-Poncet erklärte:
    "Westdeutschland ist im Entstehen begriffen, Wahlen haben in echt demokratischer Weise und in voller Freiheit stattgefunden. (…) Damit beginnt ein neues Kapitel, die deutsche Verantwortung tritt in eine neue Phase ein."
    Keine drei Wochen nach der zweiten Rittersturz-Konferenz wurde in Bonn Konrad Adenauer zum ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt.