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Robert und der Rote Stern

Dortmund gegen Schalke, schön und gut. Das Belgrader Lokalderby in Serbien ist noch eine ganze Spur hitziger: Roter Stern gegen Partizan. Mittendrin: Ein in Deutschland geborener Ex-Weltklassekicker, der als erster kroatischer Trainer in Serbien auch gegen nationalistische Betonköpfe kämpfen muss.

Von Simon Riesche | 27.11.2011
    Kurz vor dem Anpfiff ist es, als würde Belgrads Marakana-Stadion explodieren. In den Kurven zünden die Fans einen Kanonenschlag nach dem anderen, dazu brennen dutzende bengalische Feuer.

    Marakana – dieser Stadion-Spitzname soll an das gleichnamige Riesenstadion im brasilianischen Rio de Janeiro erinnern. Genau wie dort fanden auch in Belgrads Betonschüssel früher einmal mehr als 100.000 Menschen Platz. Heute sind es nur gut 50.000. Aber wenn Roter Stern gegen Partizan spielt, steht Belgrad immer noch Kopf. Das weiß auch Robert Prosinecki, seit einem Jahr Trainer bei Roter Stern.

    " Hier in Serbien ist es ein ganz großes Spiel. Aber nicht nur in Serbien – es ist eines der größten Derbys in Europa""

    Interviews mit ausländischen Journalisten führt Prosinecki am liebsten auf Deutsch. 1969 wurde er in Schwenningen in Baden-Württemberg geboren, spielte in der Jugend bei den Stuttgarter Kickers. Dann zog er zurück nach Jugoslawien, wo seine große Fußballerkarriere begann. Prosinecki galt zeitweise als bester Mittelfeldspieler Europas, spielte für Real Madrid und den FC Barcelona.

    Für einige Serben aber ist der kickende Weltbürger Prosinecki vor allem eins – ein verhasster Kroate. Entsprechend groß war der Aufschrei der Nationalisten im Land als Serbiens Rekordmeister Roter Stern Prosinecki im Dezember 2010 als Trainer unter Vertrag nahm. Auch ein Jahr nach der Verpflichtung können sich viele Fans des Lokalrivalen Partizan noch immer nicht beruhigen.

    " Er ist ein kroatischer Bastard, sagt einer. Ein Ustascha, ein kroatischer Faschist, meint ein anderer. Seine Leute hätten viele Serben umgebracht – deswegen habe Prosinecki in Belgrad nichts verloren. Man hasse ihn, weil er kein Serbe sei. "

    Partizans härteste Fans nennen sich Grobari – übersetzt bedeutet das Totengräber. Sie sind eine der meist gefürchteten Hooligangruppen Europas. Doch auch auf Seiten von Roter Stern gibt es viele gewaltbereite Ultranationalisten. Delije, Helden, so lautet ihr schmeichelhafter Kampfnahme. Als serbische Paramilitärs Anfang der 90er Jahre in Kroatien Kriegesverbrechen verübten, waren auch viele Delije ganz vorn mit dabei.

    Robert Prosinecki möchte über Krieg und Politik am liebsten gar nicht sprechen, sagt er. Die Anfeindungen gegen ihn nehme er ohnehin kaum zur Kenntnis.

    " Ich habe hier kein Problem. Ich bin jetzt ein Jahr hier und habe kein Problem damit, der erste kroatische Trainer in Serbien zu sein. Ich habe hier vier Jahre gespielt und ich weiß, wie der Klub funktioniert. Ich kenne Belgrad sehr gut. Nein, ich habe wirklich kein Problem."

    Und in der Tat: Der überwiegende Teil der Roter-Stern-Anhänger unterstützt Prosinecki, war er es doch, der dem Klub vor nunmehr zwanzig Jahren als Spieler zum größten Erfolg aller Zeiten verhalf.

    Das ist der jugoslawische Fernsehkommentar vom 29. Mai 1991. In Bari gewann Roter Stern damals gegen Olympique Marseille den Europapokal der Landesmeister. Pedja Trkulja, der in Belgrad das offizielle Roter-Stern-Museum leitet, erinnert sich noch heute an jeden Namen der Mannschaft von damals.

    " Mihajlovic, Belodedic, Savicevic, Pancev, Jugovic, Stojanovic, Prosinecki, of course..."

    Unmittelbar nach dem Europapokalsieg vor zwanzig Jahren verließen Prosinecki und andere Talente den Verein, wenig später begann der Krieg in Jugoslawien. Heute haben Kroaten, Serben, Bosnier, Mazedonier, Montenegriner und Slowenen alle eine eigene Fußball-Liga – und wo kein Wettbewerb ist, da ist in der Regel auch wenig Qualität.

    In gewisser Weise ist Robert Prosinecki also auch ein Botschafter der guten alten Zeit, als Fußball vom Balkan in Europa noch eine Rolle spielte. Geht es nach den Fans von Roter Stern, dann soll er den Verein schon bald zurück in die kontinentale Königsklasse führen. Doch Prosinecki dämpft die Erwartungen.

    " Erst müssen wir hier in Serbien Meister werden. Das haben wir vier Jahre nicht geschafft. Wir hoffen, dass wir dieses Jahr Meister werden mit Roter Stern und dann werden wir sehen, was in Europa passiert."

    Das Derby-Ergebnis von diesem Wochenende zumindest gibt keinen Anlass zur Hoffnung. Am Ende gibt es ein Pfeifkonzert und die in Belgrad üblichen Randale. Roter Stern verliert mit null zu zwei, liegt in der Tabelle nun schon wieder sieben Punkte hinter Erzfeind Partizan.
    Und Robert Prosinecki, der erste kroatische Trainer im serbischen Profifußball, muss jetzt wohl sogar um seinen Job bangen. Denn auch in Belgrad – dieser Stadt, in der Fußball so viel mit Geschichte, Politik und nationalen Befindlichkeiten zu tun hat – geht es am Ende vor allem um den Erfolg.