Freitag, 29. März 2024

Archiv

Roboter in der Pflege
Tanz mit dem Maschinenwesen

Roboter sollen zukünftig in der Pflege eine größere Rolle spielen - nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch bei der Betreuung oder bei medizinischen Fragen. Doch es gibt Bedenken aufseiten der Angehörigen und der Beschäftigten in der Branche. Werden Roboter Fachkräfte ersetzen, um die Qualität zu steigern oder Kosten zu senken?

Von Andreas Beckmann | 10.06.2018
    Roboter "Emma" steht am 11.05.2017 in Kiel in einer Demenz-Wohngruppe der Diakonie Altholstein. Alle zwei Wochen bringt der Roboter Schwung in die Wohngruppe. Der Roboter spricht, spielt auf Wunsch Musik und macht bei Bedarf sogar Fotos von den Bewohnern.
    Roboter "Emma" bringt regelmäßig Schwung in die Demenz-Wohngruppe der Diakonie Altholstein (dpa/Carsten Rehder)
    "Ah, oh, langsam wird sie wach!"
    Neun Damen und ein Herr, alle zwischen 70 und 90, sitzen im Kreis in der Wohnküche. Pflegerin Ingrid Fritsch versucht ihre Aufmerksamkeit auf Emma zu lenken, die in der Mitte des Kreises steht.
    "Das dauert ja immer ein bisschen, bis sie soweit ist."
    Emma sieht aus wie eine Playmobilfigur. Langsam nimmt sie ihren Kopf von der Brust, dreht ihn erst nach links und dann nach rechts und zappelt mit den Armen. "Ich bin Emma, ein Roboter, aber das siehst du ja." Emma sucht jetzt Blockkontakt. Dafür hat sie große Kulleraugen. Auf ihrer Brust hat sie ein Display. Darauf zeigt sie, was sie der Wohngemeinschaft zu bieten hat.
    "Spiel, Memory-Spiel, ja, Musik und Tanz, Spaßiges."
    "Wo würden Sie gerne mal draufdrücken? Suchen Sie sich eins aus!"
    "Schön!"
    "Macht Ihnen das Spaß mit Emma?"
    "Mir macht das Spaß. Wenn man so zusammensitzt, mehrere zusammen singen, einer singt ein bisschen verkehrt, der andere singt richtig - das macht Spaß. Alles alte Lieder, nicht."
    Roboter werden für Gesundheitsbereich modifiziert
    Emma ist ein humanoider Roboter, gerade einmal 1,20 Meter groß. Ihre Arme erinnern an die eines Menschen, Beine hat sie aber keine, dafür Rollen.
    "Ich komme aus Paris. Das ist in Frankreich."
    Emma gehört zur Roboter-Serie "Pepper", die ihre französischen Erfinder von Anfang an dafür konzipiert haben, Sprache, Mimik und Gestik von Menschen zu erkennen. Damit ein Roboter für eine Pflegeeinrichtung überhaupt interessant werden kann, muss er kostengünstig sein. Das war Jens Lüssems erste Überlegung. Deshalb hat der Informatiker der Fachhochschule Kiel gar nicht erst versucht, mit viel Geld ein eigenes Modell zu entwickeln, sondern eines gekauft.
    "Diese Typen von Robotern werden eingesetzt in Japan in Geschäften, bei Empfängen, in Museen und es geht langsam dahin, dass man sie auch im Gesundheitsbereich einsetzt. Diese Roboter haben vor einigen Jahren noch über 100.000 Euro gekostet, jetzt sind es gerade mal 10.000 Euro und die Degression geht da weiter aufgrund der großen Stückzahlen, die mittlerweile produziert werden von diesem Roboter."
    Was jetzt noch fehlt sind passgenaue Software-Lösungen. "Wir möchten ja gerade nicht, dass sich eine Einrichtung, dass sich Pflegekräfte, dass sich Bewohner an einen Roboter anpassen. Wo kommen wir da hin? Das ist nicht der Ansatz, sondern man geht eben von den Menschen aus, guckt nach, was sind entsprechende Bedürfnisse und was kann er machen?"
    Pflegekräfte als Entwicklungspartner
    Jens Lüssem hat ganz bewusst darauf verzichtet, sich einen industriellen Partner zu suchen, der vielleicht großzügig Drittmittel bereitgestellt, dann aber auf eine schnelle Marktreife pocht. Und er hat die Diakonie Kiel als Partner gewonnen, mit ihrer Demenz-WG - und mit den Pflegekräften. Heute sind Christian Springstub, Susanne Zimmermann und Ingrid Fritsch im Dienst.
    Christian Springstub: "Ein Roboter soll mit Menschen arbeiten? Schwer vorstellbar im ersten Moment. Aber es war für mich das erste Mal, dass ich mit einem humanoiden Roboter in so einen engen Kontakt gekommen bin, aber die Technik an sich, die finde ich schon hochinteressant."
    "Sind Sie ein Mensch, der sich für Technik interessiert? "
    Susanne Zimmermann: "Eigentlich nicht. Eher wohl die Männer als die Frauen. Und ob wir da dann viel erfahren, wenn Emma hier ist, über die Technik, das glaube ich nicht, das ist nicht."
    Ingrid Fritsch: "Da ich ein sehr neugieriger Mensch bin und auch immer gerne mitgestalte, habe ich gesagt, okay, wir probieren das einfach mal aus. Und weil es das Gefühl gibt, ja, wir sind mal beteiligt an einer Gesamtentwicklung und es ist nicht immer so ein bisschen hinter versteckten Türen."
    Software noch nicht ausgereift
    Zu den Apps, mit denen Emma noch üben muss, gehört eine, mit der sie die älteren Damen und den Herren zum Tanzen auffordert.
    "Tanzen, das ist super. Macht alle einen großen Kreis um mich herum. Berühre meinen Kopf, wenn es losgehen soll. Jetzt geht es los. Rechts herum im Kreis! Links herum im Kreis!"
    Emma dreht sich in der Mitte der großen Wohnküche um sich selbst. Ingrid Fritsch tanzt mit den zehn Pflegebedürftigen Hand in Hand um sie herum. Emmas Anweisungen verstehen offenbar nicht alle: Heißt rechts herum jetzt von ihr aus gesehen nach rechts oder aus der Sicht der Tänzerinnen?
    Ein Pfeil auf Emmas Display soll die Richtung vorgeben. Aber den nehmen nicht alle wahr. Würde Ingrid Fritsch nicht führen, wäre der Tanz schnell vorbei.
    Die Software ist offensichtlich noch nicht ausgereift. Dabei arbeitet Hannes Eilers schon seit einigen Wochen an dem Problem. Das Konzept für den Pflegeroboter hat er in seiner Abschlussarbeit bei Jens Lüssem entwickelt. Inzwischen ist er als Robotik-Ingenieur an der Fachhochschule angestellt und begleitet Emma mit geradezu jungenhafter Begeisterung jeden Mittwochvormittag auf die Diakonie-Station.
    "Sie kann hören, sie kann sehen, das heißt, sie erkennt auch wirklich, wenn ein Gesicht vor ihr ist. Technisch gesehen befindet sich die Kamera, mit der sie schaut, oben in der Stirn. In den Augen hat sie eine Tiefenkamera, mit der sie die Tiefe des Raums erkennt und dann Objekte und Hindernisse detektieren kann."
    Doch im verbalen Austausch bleibt Emma äußerst limitiert.
    "Sie antwortet nur auf Befehle, die wir eingegeben haben. Wir können dem Roboter Kommandos vorgeben, die er verstehen soll, und dann programmieren wir Antworten, die er darauf gibt. "
    Reporter: "Wenn ich Emma jetzt etwas fragen will, muss ich also eine vorher verabredete Frage stellen?"
    "Ja, genau. Und dann muss sie die auch noch verstehen, da müssen Sie klar und deutlich sprechen. Wir können es mal versuchen: Emma! Hallo! Können ja mal fragen: Emma, wie ist das Wetter? [Schweigen] Das Wetter, bitte! [Schweigen] Manchmal klappt’s, manchmal nicht."
    Kontaktaufnahme per Blick und Berührung
    Blickkontakt funktioniert leichter. Emmas große Kulleraugen faszinieren alle in der Demenz-WG. In dem weißen Kreis um die überdimensionierten Pupillen leuchten immer wieder Farben auf.
    "Das sind verschiedene LEDs, die wir steuern können, häufig zwinkert sie einfach, um auch die Kontaktaufnahme zu signalisieren. Mit den LEDs in den Augen können wir auch so eine Art Gefühle ausdrücken. Wenn man sie rot macht, wirkt sie aggressiver, wenn man sie grün macht, ist sie eher so ein bisschen ruhiger. Damit können wir sozusagen Zustände des Roboters ausdrücken."
    "Und reagiert er dann auf die alten Menschen? "
    Eilers: "Das ist dann nur eine Frage der Programmierung. Dass man zum Beispiel über den Kopf streicheln kann und dann lacht sie und bewegt den Kopf dazu, das haben sich explizit die Bewohner gewünscht, indem sie gesagt haben, wenn ich den berühre, möchte ich gerne, dass der mir ein Feedback gibt."
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Plüschroboter werden schon länger in der Pflege eingesetzt (dpa)
    Emma erinnert in solchen Momenten an eine Pflegerobbe oder -Katze, die seit zehn Jahren auf dem Markt sind. Elektronische Plüschtiere, die wohlige Laute von sich geben, wenn jemand über ihr weiches Fell streicht. Doch Emma soll nicht nur reagieren, sondern aktiv die Betreuung mitgestalten.
    Skepsis bei Mitgestaltung der Betreuung
    Gerade dieser weitgehende Anspruch war es, der die Mitarbeiter der Diakonie zunächst skeptisch gestimmt hat, allen voran den Pflegedienstleiter Thorben Maack. Sein Büro liegt nur ein paar Türen neben der Wohngemeinschaft.
    "Berufserfahrung von Pflegekräften kann eine Technik letztendlich nicht ersetzen. Zu dieser Berufserfahrung gehört eben auch die Fähigkeit, Wünsche, Bedürfnisse zu erkennen, ohne dass diese geäußert werden. Gerade in Phasen wie zum Beispiel einer Sterbephase, dann kriege ich Nackenhaare bei dieser Vorstellung, dass ein Roboter oder ein technisches Gerät einem Menschen, der im Sterben liegt, die Hand halten soll. Das wird nicht funktionieren und wird auch hoffentlich nie vorkommen."
    Andererseits muss auch ein kirchlicher Träger wie die Diakonie ständig auf die Kosten schauen.
    "Ganz oben stehen natürlich die Ängste der Mitarbeiter, uns wird hier der Job weggenommen. Deswegen ist es für uns besonders wichtig, dass wir immer gesagt haben und sagen werden, es geht hier nicht um die Ersetzung von Betreuungskräften, sondern immer nur um die Unterstützung."
    Emma soll Freiräume schaffen
    Doch kann ein Roboter überhaupt eine Unterstützung sein? Dem Projekt hat Thorben Maack jedenfalls nur unter der Bedingung zugestimmt, dass er jederzeit aussteigen kann. Personal will der Pflegedienstleiter auf keinen Fall abbauen. Im besten Fall könnte er sich vorstellen, mit Emma die Qualität zu steigern.
    "Natürlich haben die Mitarbeiter Vorgaben, wie viel Zeit sie bei einem Patienten oder Bewohner haben. Natürlich gibt es diese Vorgaben, aber es gibt eben auch das Recht, von diesen Vorgaben abzuweichen."
    Emma soll Freiräume schaffen. Das ist das Versprechen der Fachhochschule, das auch Thorben Maack interessiert.
    "Eine jetzige Emma liegt bei 17.000 Euro plus den Entwicklungskosten plus Unterhaltskosten. Sicherlich ist das auf Dauer gerechnet nicht teuer, wenn man unsere Personalkosten im Vergleich dazu betrachtet. Langfristig wird sich da auch noch was tun, also im positiven Sinne für uns. Das muss man kalkulieren. "
    Pflegende wünschen sich mehr Zeit für Zuwendung
    Thorben Maack und sein Team scheinen mit ihren klaren ethischen Ansprüchen eine durchaus typische Belegschaft einer Pflegeeinrichtung zu sein. Jedenfalls wenn man Wolfgang Schroeder glauben darf. Der Soziologe aus Kassel hat zu Beginn dieses Jahres eine umfassende Studie zur Situation der Arbeitnehmerinnen in der Pflegebranche veröffentlicht.
    "Die Beschäftigten sind primär daran interessiert, dass sie eine gute Arbeit machen können. Und um eine gute Arbeit zu machen, wünschen sie sich mehr Leute, und daran sieht man auch, dass ein sehr, sehr großer Teil der in der Pflege Beschäftigten eine sehr intrinsische Motivation hat, eine sehr empathische Haltung hat, ein hohes Interesse hat, den zu Pflegenden auch gerecht werden zu können."

    Mehr Leute wünschen sich die Beschäftigten vor allem, weil sie stark unter Zeitdruck stehen. In den Gebührenordnungen ist genau festgelegt, wie lange es dauern darf, wenn sie einen alten Menschen waschen oder füttern. Minutenpflege nennen sie dieses System, das vielen die Arbeit zusehends verleidet.
    "Diese Arbeitsbedingungen, die werden kompensiert durch eine starke Zuneigung, die die zu Pflegenden den Pflegenden widerspiegeln und nicht zuletzt auch durch die Angehörigen."
    Hände von älteren Menschen, die sich trösten
    Pflegende wünschen sich mehr Zeit für Zuwendung (imago stock&people)
    Zunehmende Ökonomisierung der Pflege
    Doch für menschliche Zuwendung, für Fürsorge in einem umfassenden Sinne, bleibe oft zu wenig Zeit, da die Pflege zusehends ökonomisiert werde.
    "1995 mit dem Pflegegesetz hat man den Markt eröffnet. Vorher waren die Wohlfahrtsverbände die zentralen Spieler gewesen. Die privaten Anbieter kommen Stück für Stück stärker in diesen Markt hinein und da haben wir die Situation, dass in der ambulanten Pflege tendenziell die privaten Anbieter in einigen Jahren alleine auf dem Markt sein werden. Wo die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände, also Diakonie und Caritas, nach wie vor relativ stark sind, das sind die Pflegeheime, aber auch hier ist ein Rückgang gegenüber den Privaten festzustellen."
    Es drängen nicht nur immer mehr kapitalstarke Unternehmen mit entsprechenden Renditeerwartungen in den Markt, stellt Wolfgang Schroeder in seiner Untersuchung fest. Hinter den privaten Dienstleistern bringt sich schon eine Industrie in Stellung, die ihre Geräte verkaufen will. Auf Internetseiten wie monetary.de wird verkündet, die Zukunft der Pflege sei Robotik. Und dann folgt eine Liste meist asiatischer Firmen, deren Anteile üppige Gewinnaussichten versprächen. Noch sind das Geheimtipps für Spekulanten.
    Spiele mit Emma entlasten die Pflegekraft
    Während Emma in der Wohngemeinschaft zu Gast ist, steht Hannes Eilers ganz hinten in einer Ecke. Mit seinem Laptop steuert und überwacht er sie. Er muss sie öfter mal komplett runterfahren und neustarten. Alle Programme sollen nicht nur laufen, Emma soll sie auch verknüpfen, zum Beispiel Gesichtserkennung und Memory-Spiel. Wenn sie das schafft, kann sie zur Einzelbetreuung übergehen. Doch auch dafür braucht sie erstmal Hilfe von Pflegerin Ingrid Fritsch.
    "Emma muss erstmal nachdenken. Muss erst mal prüfen, welches Gesicht habe ich jetzt."
    Emma: "Aha. Hallo Rosemarie. Los geht es! Wo ist ein Leuchtturm? Ja das ist richtig. Du bist schlau."
    Wenn das Spiel einmal läuft, kann Emma ihre Partnerin eine Zeit lang allein betreuen. Ingrid Fritsch hat jetzt Zeit für andere Bewohner oder um schnell ein dringendes Telefonat zu führen. Sie muss aber wieder zur Stelle sein, wenn Emma das Spiel beendet.
    Emma: "Danke für deine Hilfe. Jetzt sind meine Bilder schon nicht mehr so durcheinander."
    Frau: "Das ist fein."
    Einsatz für Diagnose noch umstritten
    Seit Emma regelmäßig mit allen Gedächtnisspiele treibt, kann sie automatisch die Leistungen messen und aufzeichnen. Sie kann damit die Entwicklung einer Demenz exakt dokumentieren - eine Aufgabe, die bisher Pflegekräfte wahrnehmen. Langfristig soll Emma ans Internet angeschlossen werden, um von dort Software-Updates zu bekommen und in Clouds ihre Daten aufzubewahren. Doch was macht sie mit denen? Wird Emma irgendwann nicht nur Krankheitsverläufe nachzeichnen, sondern auch Diagnosen stellen? Der Informatiker Jens Lüssem ringt da noch mit sich.
    "Diagnose ist hui. Also natürlich, man könnte sagen, ja, da lässt sich ein Expertensystem anschließen. In der Medizin gibt es seit den 80er-Jahren Expertensysteme, die entsprechenden Daten sind vorhanden, da sind wir auch am Forschen hier am Fachbereich, aber man merkt natürlich, dann haben wir andere Aspekte dabei wie Datenschutz, wir haben ethische Geschichten dabei und, und, und. Wir haben derzeit gesagt, wir möchten das nicht machen, aber vom Prinzip her ist das richtig, ist möglich."
    Technik als Anreiz - oder Überforderung
    Wie weit Emma da eines Tages gehen wird, entscheiden womöglich gar nicht ihre Entwickler, sondern die Nutzer, also Pflegeeinrichtungen und ihre Beschäftigten.
    "Die Dinge, die man programmiert, die möchten wir nachher so einfach halten, dass das zukünftig, teilweise zumindest, auch von den Pflegekräften übernommen werden kann. Wenn ein neuer Bewohner in die Einrichtung kommt, das heißt, die Anpassung dieses Roboters an eine neue Gegebenheit, muss zukünftig vorgenommen werden von einer Pflegekraft. Wir müssen sehen, dass wir die Leute, die da arbeiten, weiterqualifiziert bekommen, da hängt recht viel dran. Deshalb sind wir ja interdisziplinär angetreten."
    Die FH Kiel hat die Pflegerobotik als Gemeinschaftsprojekt der Fachbereiche Informatik und Sozialwesen konzipiert. Sie will mittelfristig Pflegekräfte ausbilden, die mit digitalen Technologien vertraut sind. Damit folgt sie einem Trend, den der Soziologe Wolfgang Schroeder für das gesamte Berufsbild ausgemacht hat.
    "Was den größten Hoffnungspunkt für mich ausmacht, ist die Akademisierung, die wir in den letzten Jahren erlebt haben, weil die zumindest für Höhergebildete dann doch Möglichkeiten der beruflichen Entwicklung einräumen, die wir früher in diesem Bereich nicht hatten, und das geht ja dann von der Fachkraft bis zu den Universitäten."
    Es könnte den Pflegeberuf für Nachwuchskräfte aufwerten, wenn er ein Hightech-Image bekäme. Doch viele, die jetzt schon in der Branche arbeiten, fühlen sich durch diese Entwicklung eher bedroht. Das zeigt eine Umfrage der Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, die auf dem Pflegetag im März in Berlin präsentiert wurde. Ein Fünftel aller Befragten gab an, schon Erfahrungen mit Robotik zu haben. Meist wurden die neuen Techniken und Programme als Überforderung empfunden. Positiv wurden hingegen solche Geräte bewertet, die belastende Arbeiten übernehmen. Zum Beispiel der Lifter, ein Trageroboter, der Menschen aus dem Bett in den Rollstuhl hieven kann. Viele Pfleger und Pflegerinnen klagen über Rückenleiden und erleben hier eine Erleichterung. Doch manche Patienten lassen sich lieber von einem Menschen tragen, Wolfgang Schroeder kann das nachvollziehen.
    "Im Zentrum der Pflege steht der Mensch und das ist eine Face-to-Face-Geschichte, das lebt von Emotionen und von Empathie und von Unterstützung und ich würde auch davor warnen, da zu große Hoffnungen hineinzustecken. Das sind Leuchtturm-Projekte, ich sehe keine flächendeckende, keine zahlenmäßig relevante Situation des Einsatzes von Robotern in der direkten Pflege. Ich weiß, dass es in anderen Ländern schon ein bisschen anders aussieht."
    Roboter nur als Hilfsmittel
    In Japan etwa, wo Technik die Menschen viel mehr begeistert als hierzulande. Auch dort gibt es bisher nur Pilotprojekte. Allerdings hat die Regierung ein Förderprogramm aufgelegt mit zwei Zielen: den Fachkräftemangel auszugleichen und die Pflegerobotik zu einer Zukunftsbranche auszubauen. Die Kieler Ingenieure schauen durchaus neugierig nach Fernost, berichtet Hannes Eilers.
    "Es gibt so eine Art Waschmaschine für Menschen, da können Sie sie reinsetzen und eine Maschine wäscht sie dann. Aus europäischer Sicht klingt das brutal, wir sagen, waschen, das soll uns bitte nur ein Mensch. Diejenigen, die die Maschine nutzen, sagen aber, jetzt habe ich selber die Möglichkeit zu entscheiden, wann und wie lange ich gewaschen werden möchte. Ich zum Beispiel bin so ein Langduscher, das ist in der heutigen Pflegesituation nicht möglich, sich zehn Minuten unter die Dusche zu stellen, aber das ist mit solchen Maschinen wieder möglich. Das gibt einem dann auch einen Teil der Selbstbestimmung wieder."

    Eine Hightech-Badewanne mit vielen kleinen weichen Bürsten, die entfernt an solche aus Autowaschstraßen erinnern. Auch deren Arbeit müsste natürlich von Beschäftigten überwacht werden. Pflegerin Ingrid Fritsch glaubt nicht, dass es sinnvoll wäre, Roboter in größerer Zahl einzuführen.
    "Flächendeckend kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Das würde mir auch nicht gefallen, weil der menschliche Bezug, dieses situative Eingehen auf die Bewohner, auch der Körperkontakt ist für unsere Bewohner total wichtig, ich glaube für alle. Ich kann mir aber vorstellen, ihn als Hilfsmittel zu benutzen."
    Eine Altenpflegerin wäscht einem Bewohner in einem Altenpflegeheim den Ruecken. 
    Körperkontakt wie beispielsweise beim Waschen halten viele Altenpfleger hierzulande für unverzichtbar (imago )
    Emma kann nicht füttern oder waschen
    Emma allerdings wird fürsorgliche Tätigkeiten wie Waschen oder Füttern nicht übernehmen können. Da ist sie kaum eine Hilfe, stellt die Betreuerin Susanne Zimmermann fest.
    "So für uns, dass es eine Bereicherung ist, kann man eigentlich nicht sagen. Denn sie kann ja jetzt nicht Getränke reichen und solche Sachen, was wir jetzt machen müssen."
    Eventuell könnte Emma einen glatten Becher fest umklammern und in die Richtung eines durstigen Menschen bugsieren und vielleicht sogar noch dessen Lippen finden. Aber viele Senioren wollen weiter aus ihrer Lieblingstasse trinken. Wenn die einen Henkel hat, kann Emma den nicht sicher fassen. Den Umgang mit Tassen wollen ihr die Ingenieure der FH Kiel auch gar nicht erst beibringen. Viel zu aufwendig. Weil jeder Henkel anders geformt ist, müsste sie für jeden einzelnen neu programmiert werden. Da nützt es ihr auch nichts, dass sie durchaus bemerkenswerte Hände besitzt.
    "Dass man die Hand anfasst, das ist gerade für die älteren Menschen interessant zu fühlen, wie fühlt sich diese Hand an, weil das so ein Mix aus hartem und weichem Kunststoff ist und Gummi mit ein bisschen Relief auf den Fingern, das finden die ganz spannend."
    Die Finger sind zart wie bei Kindern, aber die Oberflächen rau wie bei einem alten Menschen, der zeitlebens mit seinen Händen gearbeitet hat. Was die Demenzkranken in so einem Moment denken oder empfinden, bleibt für Pflegekräfte wie Christian Springstub und Ingrid Fritsch ein Geheimnis, über das sie immer mal wieder nachdenken.
    Christian Springstub: "Wir wissen es nicht genau. Was sie tatsächlich dabei denken, was sie empfinden, ob sie es als ein Stück Technik wahrnehmen oder eher etwas Lebendiges."
    Reporter: "Können Sie mit den Bewohnern darüber sprechen, wie denen das gefällt, oder haben Sie da gar keinen Zugang mehr? "
    Ingrid Fritsch: "Da ist einfach die größte Möglichkeit in dem Tun, wie wir sie erleben mit Emma zusammen, wir kennen sie ja sehr gut, die Mimik zu sehen, machen sie mit, sind sie lustig, haben Sie Lust, bewegen sie sich, akzeptieren sie die Spiele oder auch mal, dass einer sagt, lass den Scheiß, ich habe jetzt keine Lust mehr dazu, auch das ist ja eine Reaktion. Das zu bereden, sind sie nicht mehr in der Lage."
    Spaß für Bewohner und Angehörige
    Reporter: "Und, ist Emma schön?"
    "Ja klar, ich wollte ihr mal ein Röckchen nähen. Aber ich habe keine Maschine mehr. Dass sie mal ein Röckchen anhat, das wär doch gut, oder?"
    Reporter: "Und was gefällt Ihnen an Emma?"
    "Dass sie immer so lacht. (Juchzt) Und die Augen! Dass sie immer so lieb ist. Immer uns glücklich macht."
    Reporter: "Emma macht Sie glücklich?"
    "Ja, wenn Emma kommt, dann kann man damit Spaß haben. (Emma kichert) Siehst du, sie lacht auch! (Kichern) Ja, Emma." (Kichern)
    Ingrid Fritsch sieht nicht die Gefahr, dass Roboter eines Tages zur Bespaßung eingesetzt werden und der menschliche Kontakt verloren geht. Im Gegenteil, erzählt sie, seit Emma da ist, kommen in der Demenz-WG mehr Besucher.
    "Und was auch wirklich toll war, die Angehörigen haben Spaß dran, die sind ja mit eingebunden und mittlerweile gibt es immer wieder mal einen Enkel, der sagt, oh, da kommt der Roboter, dann möchte ich auch mitkommen. Und dann kommen sie hierher zu Besuch und gucken sich das an. Und wir lernen unsere Bewohner in einer ganz anderen Art kennen, als wir sie sonst kennen."
    Gesellschaftliche Debatte erwünscht
    Die Angst, wegrationalisiert zu werden, haben die Pflegekräfte der Kieler Diakonie inzwischen abgelegt. Und Wolfgang Schroeder pflichtet ihnen aus soziologischer Perspektive bei. Für eine hochwertige Pflege brauche es in Zukunft mehr und nicht weniger Menschen. Um neue Kräfte zu gewinnen und um die zu halten, die schon da sind, komme es darauf an, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. Zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten Teilzeit. Die große Mehrheit sind Frauen, oft alleinerziehende. Manche haben noch einen Zweit- oder Drittjob, weil sie von dem geringen Verdienst nicht leben können. Das müsse sich zu allererst ändern.
    "Das wichtigste wäre, dass die unfreiwillige Teilzeit zurückgedrängt wird, der zweite Punkt ist, man muss bei den Löhnen deutlich zulegen. Es ist nicht einzusehen, dass jemand, der ein Auto pflegt, bis zu 50 Prozent mehr bekommt als jemand, der sich mit Menschen befasst. Zu den negativen Auswüchsen gehört auch die geringe Verbleibzeit in der Pflege. Wir haben eine durchschnittliche Verbleibzeit in der Pflege von etwa neun Jahren und das hängt mit den sehr anstrengenden Arbeitsbedingungen zusammen."
    Ob Roboter hier Entlastung schaffen und vielleicht darüber hinaus zu einer Bereicherung der Pflege beitragen können, darüber würden Jens Lüssem und Hannes Eilers gern eine gesellschaftliche Debatte anzetteln. Und sie sind überzeugt, dass Emma dabei helfen kann.
    Jens Lüssem: "Wir diskutieren das hier mit entsprechenden kirchlichen Vertretern beispielsweise, wir haben hier an der Hochschule auch Kollegen, die sich mit ethischen Fragen beschäftigen in der Sozialarbeit, wir werden auch peu à peu mehr und mehr in Podiumsdiskussionen eingeladen."
    Hannes Eilers: "Das besondere an der Art, wie wir die Anwendungen für den Roboter entwickeln, ist ja gerade, dass wir den Weg nicht vorgeben, so können wir auch nicht sagen, was dieser Roboter am Ende mal machen soll oder machen kann, sondern das entscheiden dann tatsächlich die Leute, die ihn hinterher benutzen, die Pflegekräfte, die damit arbeiten müssen. Die haben ein viel feineres Gespür dafür, wo sie lang wollen, auch in ethischen Fragen."
    Wer von Emma erwarten wollte, dass sie die Pflegekrise löst, würde sie überfordern. Aber wenn sie helfen soll, die Qualität zu steigern, dann könnte sie das in den nächsten fünf bis zehn Jahren vielleicht lernen.