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Roboter und Mensch
Auf Tuchfühlung mit Blechkameraden

Industrieroboter verlassen zunehmend ihre Käfige. In den Fabrikhallen von morgen wird es nach Meinung vieler Experten völlig normal sein, dass Mensch und Maschine Hand in Hand arbeiten. Möglich wird das durch intelligente Roboter, die genau wahrnehmen, was in ihrer Umgebung passiert und ihre Bewegungen automatisch stoppen, bevor ihnen ein Mensch in die Quere kommt.

Von Ralf Krauter | 04.02.2016
    Ein Roboter des Forschungsprojekts "Aquias".
    Ein Roboter des Forschungsprojekts "Aquias". (Deutschlandradio / Ralf Krauter)
    "Sie sehen hier einen ‚APAS Assistant': Einen kollaborativen Roboter, der sich dadurch auszeichnet, dass er direkt mit Menschen zusammen arbeiten darf."
    Wolfgang Pomrehn von der Robert Bosch GmbH steht neben einem mannshohen Roboterarm, der auf einer Art Rollcontainer montiert ist. Bis auf den Greifer an der Spitze ist der von Elektromotoren angetriebene Arm komplett von einer schwarzen Folie umhüllt, die ihm ein Gespür für seine Umgebung verleiht.
    "Das ist genau der Unterschied zu einem herkömmlichen Roboter. Dank dieses schwarzen Überzugs, der aus kapazitiven Sensoren besteht, erkennt der Roboter, wenn ein Mensch ihm zu nahe kommt und bleibt automatisch stehen. Und wenn ein Mensch den Gefahrenbereich verlässt, arbeitet der Roboter weiter. Das Wichtige dabei ist: Das arbeitet berührungslos. Der Roboter bleibt stehen, bevor der Mensch ihn berührt. Und das macht ihn einzigartig."
    120 so genannte kapazitive Sensoren stecken in der Haut des Roboterarms. Nähert man sich ihm auf wenige Zentimeter, spüren sie die Veränderung des elektrischen Feldes und stoppen die Motoren, bevor es zum Kontakt kommt. Weil die Verletzungsgefahr damit praktisch gleich Null ist, können Mensch und Maschine direkt zusammen arbeiten. Damit von dem Roboter selbst dann keine Gefahr ausgeht, wenn er mal defekt sein sollte, wurden zwei redundante Sicherheitssysteme eingebaut.
    Erste Roboter sind bereits im Einsatz
    "Sobald eines von ihnen ausfällt, bleibt der Roboter stehen. Das gesamte Konzept wurde mit der Berufsgenossenschaft im Detail überprüft und wir haben dann schließlich das Zeichen für die geprüfte Sicherheit von der Berufsgenossenschaft dafür bekommen."
    In den Fabriken von Bosch werkeln die smarten Blechkameraden bereits Hand in Hand mit Mitarbeitern. Ebenso im Motorenwerk eines Automobilherstellers. Wie das in der Praxis dann aussieht, zeigt die Demonstration am Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation. Der Bosch-Mitarbeiter Daniel Ceksters sitzt an einem nachgebildeten Industriearbeitsplatz. Zwischen ihm und dem Roboterarm befindet sich ein Montagetisch, auf dem er gemeinsam mit der Maschine je drei Aluminiumbauteile zu faustgroßen Gebilden zusammenbaut. Ihre Form erinnert an Zündkerzen.
    "Also, der Roboter greift sich das Zwischenteil, setzt es dann auf die untere Platte. Bevor er die zwei Teile dann in das Nest einsetzt, checkt er das Nest mit der Kamera ab, ob da schon ein Teil drin liegt. Wenn kein Teil drin liegt, setzt er es ein und montiert dann auch die Oberplatte auf die zwei Teile. Und danach muss es der Mitarbeiter entnehmen und in das zweite Nest einstecken und dort dann die Schraube mit einem Drehmomentschlüssel festziehen."
    Verstärkte Integration behinderter Menschen im Blick
    Das Einführen der langen Schraube, die die Aluteile zusammenhält, erfordert Flexibilität und Fingerspitzengefühl – weshalb der Mensch da überlegen ist. Die monotone Vorarbeit erledigt der Roboter aber viel effizienter und ohne zu ermüden. Für Prof. Wilhelm Bauer, den Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation, ist das ein typisches Beispiel für die Mensch-Roboter-Kollaboration in den Fabrikhallen von morgen.
    "Überall dort, wo es um ungewöhnliche Situationen geht, überall dort, wo es um ganz feine auch taktile Sensorik geht, wo unsere Fingerfertigkeit und das Fühlen wichtig ist, da ist der Mensch natürlich der Maschine sehr überlegen."
    Im Verbundforschungsprojekt "Aquias" wollen die Fraunhofer-Experten nun gemeinsam mit Bosch und anderen Partnern untersuchen, welche Arbeitsteilung zwischen Menschen und Assistenzrobotern in der Produktion sinnvoll erscheint. Besonderes Augenmerk liegt dabei auch auf der verstärkten Integration behinderter Menschen. Die Vision: Smarte Roboter sollen schwerbehinderten Produktionsmitarbeitern helfen, komplexe Aufgaben wahrzunehmen – und so Inklusion und Teilhabe fördern. Wie das gelingen kann, soll das dreijährige Millionenprojekt nun zeigen.
    Eines ist nach Meinung der Beteiligten heute schon klar: Der Vormarsch der Assistenzroboter in die Arbeitswelt ist nicht mehr aufzuhalten.
    Daniel Ceksters der zu Demonstrationszwecken immer noch Aluteile zusammenschraubt, hat da kein Problem damit. Ihm mache es nichts aus, auf Tuchfühlung mit einem Roboter zu arbeiten, sagt er. "Also ich habe da keine Angst vor dem Roboter. Ich vertrau' dem schon, dass er stehen bleibt."
    Video zur Vorführung der Roboter