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Römisch-Katholische Kirche
Genug gehorcht

Die Kölner Ordensfrau Emmanuela Kohlhaas und der Priester Thomas Frings haben ein Buch geschrieben. Darin deuten sie die Geschichte von Abraham, der seinen Sohn Isaak opfern sollte, und beziehen sie auf kirchliche Regeln. Zölibat, klösterliche Gelübde, Kniefall - alles kommt auf den Prüfstand.

Von Andrea Lieblang |
Das Gemälde "Das Opfer des Abraham" von Laurent de la Hyre aus dem 17. Jahrhundert zeigt Abraham, der von einem Engel daran gehindert wird, seinen Sohn Isaak zu opfern.
Am Beispiel von Abraham und Isaak argumentieren eine Priorin und ein Priester gegen blinden Gehorsam (imago / Le Pictorium)
Es ist ein großer, saalähnlicher Raum im Kölner Kloster an der Brühler Straße. Neben der Priorin, Schwester Emmanuela, sitzt Thomas Frings. Die beiden schätzen sich, das ist sofort spürbar.
"Ich lebe hier im Kloster. Es kam dazu, dass mein Bistum mir gesagt hatte: Wir haben aktuell keine Verwendung für Sie. Und der Kontakt zum Hause bestand, und die hiesige Hausleitung hatte sich an mich ohnehin vorher schon mal gewandt, hatte gesagt: Ja, wenn keiner Sie will, wir nehmen Sie."

Abraham, Isaak und Sara

Ab und zu zelebriert er im Kloster eine Messe. In einer Fastenpredigt erzählte Frings die Geschichte von Abraham, der seinen Sohn Isaak opfern soll, neu:
"Ich habe dann ganz kurz einen Monolog gehalten, den Isaak in den Mund gelegt, indem er protestiert gegen das, was da passiert und was der Vater möglicherweise darauf antwortet. Jeweils zwei Seiten. Und am Abend komme ich zurück in mein Zimmer, und da hat die Priorin mir eine E-Mail geschrieben und sich für die Predigt bedankt mit dem Zusatz: 'Aber typisch Mann, Du hast die Frau vergessen! Ich habe hier mal zwei Seiten zu der Sara geschrieben!'"
Sara - Abrahams Frau und Isaaks Mutter: eine Frau mit widersprüchlichen Gefühlen – die voller Hass und Eifersucht ihre Magd und deren Sohn, von Abraham gezeugt, in die Wüste schickt. Thomas Frings:
"Und daraus sind dann drei Monologe, 20 bis 25 Seiten, geworden, die sich mit dem Thema beschäftigen: Widerstand, Widerspruch, auch in Sachen des Glaubens. Und dazu haben wir dann ergänzende Texte geschrieben. Also es ist ein Projekt, das eigentlich über drei Jahre entstanden ist."

"Es gibt keinen Grund, dass ein Vater seinen Sohn umbringt"

Seit Mitte April liegt ihr Projekt als Buch vor mit dem Titel: "Ungehorsam. Eine Zerreißprobe". Wobei das Präfix "Un" im Wort Ungehorsam durchgestrichen ist. Schon im Titel wird klar, wie sehr die beiden in ihren Texten ringen: Wo ist Gehorsam – noch – angebracht, wo in der Kirche ist Ungehorsam endlich nötig? So, wie aus dem verschreckten Isaak ein Kämpfer wird, der lautstark um sein Leben ringt. Schwester Emmanuela:
"Zu erleben, wie dieser Isaak widerständig wird, ja also nicht das Opferlamm einfach nur ist, sondern sich wehrt, als Mensch überhaupt mal in den Mittelpunkt kommt und nicht nur eine Nebensache dieser Geschichte zwischen Abraham und Gott ist. Das hat mich sehr berührt. Und da habe ich so dagesessen und gedacht: richtig so! Es gibt keine logischen, vernünftigen Gründe, dass ein Vater seinen Sohn umbringt, um Gott irgendwie Gehorsam oder Liebe zu erweisen. Da kann ich nicht mit irgendwelchen frommen Idealen kommen."

Zölibat in der Kritik

Während des Schreibens lernen die 60-jährige Schwester Emmanuela und der 61-jährige Thomas Frings viel über die Unterschiedlichkeit ihrer Gelübde. Schwester Emmanuela:
"Für mich ist je länger, umso mehr auch klar geworden, dass das, was Zölibat für das Priestertum heißt, nicht das ist, was es im monastischen Leben bedeutet. Das klafft meilenweit auseinander. Der Clou an der Sache ist ja, dass das in unseren Gelübden überhaupt nicht vorkommt. Wir versprechen Beständigkeit, klösterlichen Lebenswandel. Da ist es implizit drin, aber nicht als wörtliches Versprechen, was ja von einem angehenden Priester irgendwann gefordert wird. Ich bin nicht zölibatär, denn ich lebe nicht allein."
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Womit die Priorin auf die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs anspielt: Zölibatär zu leben meint, allein zu leben – nicht mehr und nicht weniger. Thomas Frings:
"Das ist eine große Hausnummer an der Stelle und auch eine Verletzung vielen Verheirateten gegenüber, die eine ebenso tiefe Hingabe zu Gott haben können, wenn sie in einer Partnerschaft leben. Dafür muss ich nicht alleine leben. Für eine Hingabe zu Gott muss ich ein Gefühl für Gott haben, unabhängig von meinem sonstigen Lebensentwurf. Und wenn wir gucken in den Klerus hinein und die Realität wahrnehmen: Wer dann noch wirklich den Zölibat mit all seinen heroischen Vorstellungen verteidigt, muss aber wirklich mit besonderer Blindheit geschlagen sein."

"Angst vor den eigenen Mitarbeitern"

Die beiden ringen um die Frage nach dem kirchlich geforderten Gehorsam. Frings erinnert an die Priesterweihe und das Gehorsamsversprechen dem Bischof gegenüber:
"Es ist schon ein Zeichen von Macht, die man haben und behaupten will, indem man sich von seinen engsten Mitarbeitern knieend in die Hand versprechen lässt: Ehrfurcht und Gehorsam nicht nur mir, sondern auch dem unbekannten Nachfolger. Und das Ganze bekommt dann am Ende die fromme Sauce, 'Gott selber vollende das gute Werk, das er in dir begonnen hat'. Und es stellt sich auch die Frage: Wie viel Angst steckt denn vor den eigenen Mitarbeitern dahinter, dass ich nur bereit bin, mit ihnen zusammenzuarbeiten, wenn sie so sehr sich mir unterwerfen?"
Thomas Frings und Emmanuela Kohlhaas, er im Anzug, sie im Habit, sitzen auf der Klostermauer in der Sonne
Thomas Frings und Emmanuela Kohlhaas stellen die Autorität der Kirche infrage ( (c) Thomas Frings und Emmanuela Kohlhaas, privat)
Die Priorin schüttelt energisch den Kopf:
"Wenn ich mich selber in die Rolle denke als Priorin: Ich sitze ja bei einer Profess da vorne und befrage. Ich vertrete die Kirche an dieser Stelle. Wenn ich mir dann vorstellen würde, da würde eine junge Schwester vor mir knien, denke ich: Irgendwie total schräg, befremdlich! Christus ist das Ziel des Gelübdes und keine Institution und kein Mensch."

Gehorsam - nicht um jeden Preis

Regelwerke, da sind sich beide einig, sind nötig, wenn Gemeinschaften, Gesellschaften funktionieren sollen. Aber Regelwerke sind nicht identisch mit blindem Gehorsam. Schwester Emmanuela fliege, wie sie sagt, auf den Satz: "Ihr müsst Gott mehr gehorchen als den Menschen". Deshalb ist für sie ziviler Ungehorsam eine gute Sache.
Thomas Frings erzählt, dass er aus einer Familie stamme, in der Gehorsam großgeschrieben wurde:
"Deswegen habe ich mich anfänglich auch so sehr wohlgefühlt im System von Kirche, weil ich das kannte von zu Hause. Ich musste da nicht viel dran ändern. Aber Ungehorsam heißt, wenigstens seine Meinung gesagt zu haben. Es gibt gewaltsamen und gewaltlosen Ungehorsam, der dann sagt: Ich bin da anderer Meinung, das sage ich jetzt auch laut."
Vom Pfarrhaus ins Kloster - "Ich bin gegangen, bevor der Frust kam"
2016 verließ der Pfarrer Thomas Frings seine Gemeinde und ging ins Kloster. Er ging nicht still, sondern kritisierte in einem viel beachteten offenen Brief die Kirchenleitung – aber auch die Erwartungen der Gläubigen.
Als er damals, 2016, seine Gemeinde verließ, hatte er vorher seinen Bischof um Erlaubnis gebeten. Heute, fünf Jahre später, würde er ein Gespräch mit seinem Bischof anders führen:
"Meine Entscheidung von damals würde ich heute wieder fällen, aber ich wäre erst mal ins Bedenken wieder gegangen, hätte gesagt: 'Ich gebe Ihnen dann meine Antwort darauf und weiß noch nicht, wie die ausfallen wird. Ich gehe nicht im Gehorsam zurück, sondern höchstens mit dem Versprechen, nochmal darüber nachzudenken.'"
Wenig, viel zu wenig habe sich am System Kirche geändert, schreiben die beiden in ihrem Buch: "Es wird von Einheit geredet, wenn Einheitlichkeit gewollt ist." Und immer noch schweigen zu viele unzufriedene Priester, weil sie fürchten, nicht mehr Teil dieser auserwählten Gruppe zu sein, wenn sie Kritik üben. Ein weibliches Kirchenmitglied brachte es gegenüber Thomas Frings auf den Punkt. Die Frau sagte:
"Die Höchststrafe für einen von euch ist es, doch wieder einer von uns sein zu müssen."
Thomas Frings, Emmanuela Kohlhaas: "Ungehorsam - Eine Zerreißprobe"
Herder 2021, 272 Seiten, 22 Euro