Donnerstag, 25. April 2024

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Röttgen (CDU) zu G20-Gipfel
"Die USA sind nicht ersetzbar"

Norbert Röttgen hat die Ergebnisse des G20-Gipfels begrüßt. Wenn man die Gegenkräfte beachte, die es gegeben habe, sei der Gipfel ein Erfolg geworden, sagte er im Dlf. Es sei aber traurig zu sehen, welche Bremse die USA in den internationalen Beziehungen seien. Als gestaltende Kraft fehlten die USA enorm.

Norbert Röttgen im Gespräch mit Stefan Heinlein | 29.06.2019
Gruppenbild der Staats- und Regierungschefs auf dem G20-Gipfel im japanischen Osaka
Erst in letzter Sekunde ist es beim G20-Gipfel in Osaka zu einer Einigung gekommen (picture-alliance/dpa )
Stefan Heinlein: Am Telefon begrüße ich jetzt den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses Norbert Röttgen, CDU. Guten Morgen, Herr Röttgen!
Norbert Röttgen: Guten Morgen, Herr Heinlein!
Heinlein: Auch für Sie sind die Nachrichten, die Gipfelnachrichten des heutigen Morgens ganz frisch. Dennoch die Frage: Wird es Zeit, heute Morgen Donald Trump einmal zu loben?
Röttgen: Ich würde es so gerne tun, aber ich muss leider die Frage verneinen, denn erstens gibt es ja jetzt die Erklärung 19 zu 1, das heißt, in der Sache des Klimaschutzes bleibt es ja dabei, dass Trump die USA aus der Gemeinschaft herausführt, und zweitens muss man sagen, er war nicht erfolgreich mit seinem Versuch, überhaupt Klimaschutz zu verankern und einige andere Staaten herauszubrechen aus der Gemeinschaft der 19. Also zu dem Nicht-Erfolg, eine Gemeinsamkeit verhindert zu haben, finde ich, ist kein Anlass, zu gratulieren.
Das Bild zeigt Angela Merkel und Donald Trump. Sie sitzen beide an einem Tisch. Im Hintergrund sind die deutsche und die US-Fahne sowie der Schriftzug des G20-Gipfels in Osaka zu sehen.
Kanzlerin Merkel und US-Präsident Trump am Rande des G20-Gipfels in Osaka (dpa / Bernd von Jutrczenka)
Heinlein: Ist das das Modell der Zukunft, das internationale Modell der Zukunft, 19 plus 1, also 19 Länder einigen sich in den Sachthemen und einer meckert hinterher auf Twitter?
Röttgen: Also da würde ich zwei Sachen zu sagen. Erstens: Es wäre ja eine ganz negative Perspektive, wenn wir annähmen, die USA würde von der Rolle einer internationalen Führungsmacht nun dauerhaft sich zu einer Rolle klären und finden, zu einer internationalen Blockademacht zu werden, wenn es um multilaterale Handels- und Klimafragen geht. Nein, die Perspektive muss sein, dass die USA wieder eine gestaltende, internationale Macht wird, gar keine Frage.
Und das zweite Thema ist: Wir sind ja jetzt, das muss man auch mal dann realistisch sehen, immer noch auf der Ebene der Erklärungen, was man für wichtig hält, aber wir sind auch noch nicht auf der Erfüllung, der nationalen Beiträge, damit Klimaziele erreicht werden. Auch diese Differenzierung ist wichtig und davon sind wir immer noch weit entfernt.
"Ja, dieser Gipfel ist ein Erfolg geworden"
Heinlein: Also welchen Stellenwert, Herr Röttgen, hat denn eine solche gemeinsame Abschlusserklärung? Ist das letztendlich nur Symbolpolitik, eine Absichtserklärung, aber es steckt wenig Substanz dahinter?
Röttgen: Na, es ist auch wiederum nicht zu unterschätzen, weil es der Ausdruck des gemeinsamen, internationalen Willens ist von Volkswirtschaften und Staaten, die sehr viel repräsentieren darin, wie man Probleme einschätzt, über die Priorität, wo Handlungsdruck besteht, was getan werden muss.
Dass man überhaupt zu dieser Gemeinsamkeit der Weltsicht und der Bedeutung der Themen Klima, Migration, Handel, in welcher Reihenfolge auch immer, in der Lage ist, das ist sehr, sehr viel, und ein bedeutsames, ja, wirklich auch zu lobendes und ganz notwendiges Teil von dem, was man internationale Governance, also so die Übereinstimmung der internationalen Gemeinschaft, nennen kann.
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen
CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen (imago stock&people)
Heinlein: Über die Entwicklungen in der internationalen Politik, Herr Röttgen, können wir gleich noch reden. Herr Röttgen, dennoch - Osaka, ist das aus Ihrer Sicht jetzt, am heutigen Morgen bereits gewertet, ein Erfolg?
Röttgen: Wenn man sieht, welche Gegenkräfte es gegeben hat, finde ich, ist dieser Gipfel dann ein Erfolg geworden. Es hat keinen Rückschritt gegeben in dem Bekenntnis zum Klimaschutz im Verhältnis zum letzten Gipfel, das ist abgewehrt worden.
Wenn das einmal schiefgegangen wäre, wäre es auch vorbei gewesen, also dieser Rückschritt ist abgewehrt worden, es ist gekommen wieder zur Aufnahme, zur Verabredung der Aufnahme von neuen Handelsgesprächen zwischen USA und China - und das sind zwei, glaube ich, wirklich wichtige Ereignisse.
"Trump musste es akzeptieren"
Heinlein: Im Vorfeld des Gipfels hatte es ja von der Bundesregierung geheißen, die Botschaft, dass der Multilateralismus lebt, wird eine Herausforderung sein. Ist Angela Merkel dieser selbstgesteckten Herausforderung gerecht geworden in Osaka?
Röttgen: Ich finde, wir haben das bislang noch gar nicht angesprochen, die Europäer haben eine wichtige Rolle gespielt. Es waren auch und mit die Gemeinsamkeit und die Entschiedenheit aller Europäer, die da waren, dass man sich widersetzt hat der Möglichkeit, im Klimaschutz hinter den letzten Gipfel zurückzufallen.
Es hat ja dann auch von den Europäern, die da waren, die klare Aussage gegeben: Dann wird es von unserer Seite keine Erklärung geben, wir bestehen darauf. Und das war, glaube ich, wiederum eine wichtige Botschaft für diejenigen, die Wackelkandidaten waren.
Heinlein: Glauben Sie, dass diese Geschlossenheit der Europäer letztendlich Donald Trump beeindruckt hat und er deshalb mitmacht bei dieser gemeinsamen Abschlusserklärung?
Röttgen: Gut, er macht zwar bei der Abschlusserklärung mit, aber inhaltlich macht er ja sozusagen ein abweichendes Votum beim Klimaschutz. Nein, ich glaube, es war wichtig für die Wackelkandidaten, das waren Brasilien, Saudi-Arabien, auch Australien und andere, die gesagt haben: Wir müssen uns jetzt entscheiden, ob wir mit den Europäern, die dort waren, die einen der größten, stärksten Binnenmärkte der Welt repräsentieren, die eine starke Vernunftmacht und eine Macht für den Multilateralismus sind, ob wir uns gegen die stellen wollen.
Sie haben eine Entscheidung, glaube ich, getroffen und sie haben sie zugunsten unserer Position getroffen. Das wiederum hat vielleicht nicht Trump beeindruckt, aber er musste es akzeptieren, und am Ende gab es eben 19 zu 1, was für einen Transatlantiker immer noch bitter genug ist, festzustellen.
Donald Trump und Xi Jinping in Osaka
Wollen Handelsgespräche wieder aufnehmen: Donald Trump und Xi Jinping beim G20-Gipfel in Osaka (AP)
"Diesen Netzwerk-Multilateralismus den sollten wir befördern"
Heinlein: Auffällig, Herr Röttgen, ist ja, dass viele wichtige Themen vor allem gestern nicht in großer Runde, sondern auf kleinen, meist bilateralen Treffen besprochen wurden. Es gibt schon das Stichwort der Hyper-Bilateralisierung. Teilen Sie diese Beobachtung? Ist das ein Trend, den Donald Trump gesetzt hat? Er ist ja bekanntlich kein Fan von großen Gesprächsrunden, egal ob G7 oder G20.
Röttgen: Es mag eine gewisse Verstärkung gegeben haben von etwas, was es schon immer gab, dass solche großen Treffen auch immer ein Forum sind. Das ist immer so, dass man da nicht nur in der Gesamtgruppe zusammensitzt, sondern dass diese Treffen der Anlass sind für ganz viele bilaterale Gespräche, weil halt eben alle jetzt mal zusammen da sind und dann ist das eine Gelegenheit.
Das Zweite, was man sagen muss: Ich glaube, es drückt sich darin aus, dass bei der Unverzichtbarkeit der G20, die vorliegt, es aber auch einen vielgestaltigeren nicht Bilateralismus, sondern Multilateralismus gibt und auch geben muss. Das wird ein viel stärker sozusagen netzwerkorientierter, mit auch unterschiedlichen Akteuren ausgebildeter Multilateralismus sein - und der muss sich auch entwickeln – wo zu bestimmten Themen sich unterschiedliche Gruppen von Staaten zusammentun, weil sie eine gemeinsame Überzeugung, gemeinsame Interessen haben und etwas voranbringen. Also dieser Netzwerk-Multilateralismus, der wird sich entwickeln und ich halte es sogar für gut, dass er sich entwickelt, und wir sollten es befördern.
Heinlein: Aber das alles ohne die USA, zumindest so lange Donald Trump im Weißen Haus regiert?
Röttgen: Trump praktiziert Bilateralismus und es ist tatsächlich traurig zu sehen, und es ist auch eine wirkliche Bremse auf den internationalen Beziehungen, wenn die USA sich in dieser Weise zurückziehen und alles bilateral und nach America first machen wollen.
Man sieht das überall, dass die USA nicht ersetzbar sind als die große Gestaltungskraft in internationalen Beziehungen. Andere haben zwar eine andere Rhetorik, aber sie sind in der Sache genauso sehr eine First-Politik ihres Landes auf Kosten der Interessen des Gesamten und des gesamten Systems, die USA machen das jetzt nur entschiedener und propagieren es geradezu. Aber die USA sind nicht ersetzbar und das ist das Drama der gegenwärtigen amerikanischen Politik.
Heinlein: Zum Schluss die Frage, Sie haben es im Bericht von Sabine Müller gehört, die kann ich Ihnen nicht ersparen: Man hat sich offenbar am Rande des Gipfels geeinigt im EU-Personalpoker, Manfred Weber wird offenbar nicht EU-Kommissionspräsident. Ist das eine Niederlage für Angela Merkel und die EVP?
Manfred Weber will Kommissionspräsident werden - trotz Spitzenkandidaten-Modus wird es nun möglicherweise nicht.
Manfred Weber will EU-Kommissionspräsident werden. Doch das ist sehr fraglich. (dpa / picture alliance / Sven Hoppe)
Röttgen: Dazu hat, muss ich leider sagen, der Deutschlandfunk dann keine wirklich belastbare Information geben können, sondern wir sind da noch im Spekulativen. Ich weiß es in der Sache nicht.
Ich muss allerdings auch sagen, was ich enorm wichtig finde, ist, dass es jetzt ein Ergebnis gibt, dass man sich einigt und verständigen kann zur Konstituierung des Europäischen Parlamentes. Eine so Hängepartie über den Sommer in den Personalfragen können und dürfen wir uns nicht erlauben.
Heinlein: Eine belastbare Information hier im Deutschlandfunk, Herr Röttgen, ist die Erklärung von Angela Merkel, sie hat gesagt, Weber und Timmermanns gemeinsam würden in jedem Fall Teil der Lösung sein. Was können Sie sich darunter vorstellen?
Röttgen: Ja, also genau das, was sie gesagt hat, dass diese beiden Spitzenkandidaten innerhalb des Personaltableaus, um das es jetzt geht, beide eine Rolle spielen. Das hat sie gesagt, ja.
Heinlein: Also Timmermanns Ratspräsident oder Kommissionspräsident und Weber etwa Parlamentspräsident oder Außenbeauftragter?
Röttgen: Das ist jetzt just wieder die Schwelle zur Spekulation und ich glaube, es dauert jetzt auch nicht mehr lange, bis wir es wissen, und bis dahin müssen wir es noch aushalten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.