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Röttgen (CDU) zum Treffen Trump-Putin
"Nicht auf Trump-Stil eingehen"

Nicht eskalieren, zurückhaltend bleiben - Trump sei ein Einzelphänomen: CDU-Politiker Norbert Röttgen rät zur Strategie der Schadensbegrenzung im Verhältnis zu den USA. Man müsse transatlantisch bleiben und viel mehr europäische Stärke entwickeln. Nach Frankreich müsse jetzt Deutschland mehr investieren.

Norbert Röttgen im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 17.07.2018
    Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen
    Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen rät im Verhältnis zu den USA, bei dem eigenen Stil zu bleiben, alle diplomatischen Kanäle zu nutzen und nicht auf den Trump-Stil einzugehen. (imago stock&people)
    Jörg Münchenberg: Am Telefon ist jetzt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU). Herr Röttgen, einen schönen guten Morgen.
    Norbert Röttgen: Guten Morgen, Herr Münchenberg.
    Münchenberg: Herr Röttgen, sind Sie denn erleichtert, dass es auf diesem vermeintlichen Gipfel gestern keine konkreten Absprachen zwischen Trump und Putin gegeben hat?
    Röttgen: Ja, zu einem gewissen Grad bin ich erleichtert, denn die Besorgnisse waren ja verbreitet. Ich hatte sie auch zu einem gewissen Teil. Dass es dann zu schnellen Ergebnissen zu Lasten Dritter, zu Lasten der europäischen Verbündeten der USA kommen könne - mit dem ganzen Vorlauf, den Trump in Europa vorher hatte -, das ist nicht passiert. Das Negative ist ausgeblieben; das ist schon mal eine gewisse Erleichterung, ja.
    "Kein Gipfel, sondern ein Treffen"
    Münchenberg: Auf der anderen Seite, Herr Röttgen, haben die beiden ja auch unter zwei sozusagen gesprochen. Man weiß ja nicht genau, was da genau besprochen worden ist.
    Röttgen: Natürlich. Keiner außer den beiden und den Dolmetschern weiß, was dort gesprochen worden ist. Allerdings, finde ich, darf man jetzt sich auch nicht so ins Negative fokussieren. Ich finde, man muss und darf auch bilanzieren, sie haben wieder miteinander gesprochen. Das ist seit vier Jahren, glaube ich, seit 2014 das erste Treffen. Es war insofern auch kein Gipfel, sondern es war ein Treffen, ein gut zweistündiges Treffen, dann dieses Mittagessen, das stattgefunden hat, und das finde ich richtig und positiv. Die Europäer und die europäischen Regierungs- und Staatschefs sprechen ja auch mit Putin. Und dass der US-Präsident und der russische Präsident sprechen, ist positiv.
    "Europäer haben mehr zu erwarten als zu befürchten"
    Münchenberg: Aber ist es tatsächlich ein Wert an sich, wenn man nur sagt, man spricht miteinander, wenn es am Ende keine konkreten Ergebnisse gibt, wenn es auch keine Fortschritte gibt? Denn es gibt ja viele Streitpunkte auch zwischen den USA und Russland, zum Beispiel bei der nuklearen Abrüstung. Da werfen sich beide Seiten Vertragsbruch vor. Russland unterstützt das Assad-Regime, das die USA wiederum ablehnen. Russland will am Iran-Abkommen festhalten, das die USA aufgekündigt haben. Es gibt ja viele, viele Streitpunkte, wo es am Ende ja wenig Konkretes gegeben hat.
    Röttgen: Absolut! Das war auch nicht zu erwarten, dass bei einem Treffen auch nur eines dieser komplizierten festgefahrenen Probleme gelöst werden könnte. Aber ich gehöre ja nicht zu den außenpolitischen Gesprächstherapeuten, die immer nur sagen, Gespräch, Gespräch, und das war’s dann. Aber dass man miteinander redet, das muss eigentlich und ist damit auch wieder jetzt die Normalsituation geworden.
    Es ist verfahren in Syrien, aber es besteht doch eine gewisse Hoffnung, will ich sagen, eine Chance auch von der Interessenlage her, dass Russland und die USA dort auch einen politischen Prozess beginnen, dass das Sterben endet. Auch Russland hat kein Interesse, dauerhafter Verbündeter von Assad zu sein, oder von der Hisbollah und Iran. Da sind Möglichkeiten. Nukleare Nichtverbreitung ist ein riesen Thema möglicherweise. USA wirft ja Russland bereits heute die Verletzung des INF-Vertrages über nukleare Kurz- und Mittelstreckenraketen vor. Wenn das am Ende in ein Wettrüsten, weil der eine sich nicht an den Vertrag hält, tut der andere es auch nicht, führt, wäre das desaströs. Dass man wieder im Gespräch ist, bei allem, was Trump dann veranstaltet und sagt, das halte ich schon für einen Wert an sich. Das muss ich sagen. Die Europäer haben davon, glaube ich, mehr zu erwarten als zu befürchten.
    "Bedürfnis, als großer Dealmaker zu erscheinen"
    Münchenberg: Auf der anderen Seite, Herr Röttgen, sagt der US-präsident nach einem Vier-Stunden-Gespräch, die Beziehungen hätten sich jetzt schon zum Positiven verändert. Was ist denn von so einer Aussage zu halten? Kann man so Weltpolitik machen?
    Röttgen: Ja gut, das ist Trump. Und wir wissen ja jetzt auch nach über einem Jahr, nach anderthalb Jahren, wie Trump ist. Ich glaube auch, dass wir jetzt nicht immer nur - das müssen wir auch insofern mal als Trump-Stil in einer gewissen Weise abhaken - das ist die Großsprecherei: Bislang war alles ganz schlecht und jetzt wird es schon besser. Und wenn er Präsident gewesen wäre, hätten die Russen nicht die Krim besetzt. Das ist alles Trump-Stil. Der wird nicht besser dadurch, dass wir wissen, wie er ist.
    Putin "wieder auf Augenhöhe mit den USA"
    Münchenberg: Aber es ist doch mehr als nur eine Stilfrage. Trump lobt Putin, Trump lobt Kim Jong-Un, den nordkoreanischen Machthaber; er geht harsch mit Deutschland ins Gericht wegen der Verteidigungsausgaben. Er bezeichnet die EU als Feind. Er zettelt einen globalen Handelskrieg an. Das sind ja viel mehr als nur schlechte Stilfragen.
    Röttgen: Man muss diese Dinge immer auseinanderhalten. Erstens finde ich, Stil ist natürlich immer auch eine Substanzfrage. Stil ist nicht eine Äußerlichkeit, eine Arabeske, sondern Stil, gerade in der Diplomatie, in der Außenpolitik, ist eine wesentliche Substanzfrage. Dann hat er ganz sicher auch bestimmte, will ich mal sagen, Haltungen, Intuitionen, Reflexe. Für ihn, für Trump gibt es die Kategorie, glaube ich, von Freund, Alliierter, Partner, Gegner, Feind, das gibt es für ihn alles nicht mehr. Für ihn gibt es nämlich nur das eigene Ego und das Bedürfnis, als großer Dealmaker zu erscheinen. Letzteres allerdings ist eine wirkliche Gefahr von Verhandlungen von Trump mit anderen, wie man bei den Gesprächen mit dem nordkoreanischen Diktator gesehen hat. Dort hat aus dem Bedürfnis von Trump heraus, groß zu erscheinen, er gewissermaßen alle Konzessionen an Nordkorea abgegeben, hat selber gar nichts erreicht. In einem gewissen Maße war das gestern auch das Stilmuster bei dem Treffen in Helsinki, wo Putin ja viel erreicht hat. Er ist wieder auf Augenhöhe mit den USA, eigentlich das große strategische Ziel. Das hat er erreicht.
    "Trump war der gebende Teil der Aufwertung von Putin"
    Münchenberg: …, ohne dafür einen Preis zu bezahlen.
    Röttgen: Ohne, dass Putin einen Preis gezahlt hat. Putin hat konsequente Politik gemacht. Rücksichtslos, unter Einsatz von Waffengewalt und militärischer Gewalt hat er überall die Vakua gefüllt, die auch frühere US-Präsidenten geschaffen haben, inklusive anderer Fehler, und insofern ist es auch die Folge der Fehler der USA. Aber Trump hat gegeben, er war der gebende Teil der Aufwertung von Putin, und Putin selber hat nichts gegeben. Das stimmt.
    USA bleiben "der wichtigste Verbündete der Europäer"
    Münchenberg: Herr Röttgen, lassen Sie uns mal den Blick etwas weiten. Wenn man sich mal die drei Stationen anguckt: Brüssel, der NATO-Gipfel, in London das Treffen mit der britischen Premierministerin Theresa May, jetzt dann Helsinki. In Brüssel hat Trump der NATO eins vors Schienbein gegeben, auch in London der britischen Premierministerin; jetzt in Helsinki das Lob für Putin. Die Frage ist doch schon: Können sich die Europäer auf diesen US-Präsidenten überhaupt noch verlassen?
    Röttgen: Die Dinge müssen auch unterschiedlich gesehen werden. Das Manko deutscher Verteidigungsausgaben bleibt ein Problem, auch wenn es von Trump angesprochen wird. Es ist auch schon von seinem Vorgänger Obama angesprochen worden. Es gibt auch europäische Defizite in dem Ganzen.
    Aber Sie haben danach gefragt, bleibt er verlässlich. Nein, Trump ist selber, er als Person, kein berechenbarer, verlässlicher Faktor. Aber ich bleibe davon überzeugt, dass insofern Trump ein Einzelphänomen ist, allerdings mit großer Machtfülle ausgestattet. Der gesamte Kongress, das politische System, das Establishment in den USA bleibt mit dem Land ein verlässlicher, und zwar der wichtigste Verbündete der Europäer. Es gilt aber auch wechselseitig: Wir sind es auch für die USA. Und das wissen eigentlich in Washington auch alle. Nur der eine mit dem mächtigsten Amt, dem ist es nicht klar. Das stimmt.
    "Die ganze Breite dieser Beziehungen ausnutzen"
    Münchenberg: Nun will Putin bekanntlich Europa spalten. Bei Trump ist es wohl ähnlich. Das ist zumindest bei seiner Europa-Reise deutlich geworden, so wie er aufgetreten ist, so wie er bestimmte Dinge formuliert hat. Er setzt auf bilaterale Abkommen, in denen die USA dann ihre ganze Stärke auch ausspielen können. Da bleibt ja schon die Frage, was kann Europa dem noch entgegensetzen, auch wenn Sie sagen, es ist letztlich nur der Trump-Faktor, der im Augenblick ein Problem für die Europäer ist.
    Röttgen: Ja, genau. Nur, aber immerhin der Trump-Faktor. Ich bleibe vorläufig dabei: Wir sollten eine Strategie der Schadensbegrenzung im Verhältnis zu den USA betreiben.
    Münchenberg: Das heißt konkret?
    Röttgen: Das heißt konkret, in den handelspolitischen Fragen nicht eskalieren, sondern zurückhaltend bleiben. Das heißt, dass wir die ganze Breite dieser Beziehungen ausnutzen und eigentlich intensivieren, auch die anderen Kanäle alle nutzen, nicht auf den Trump-Stil eingehen, sondern bei unserem Stil bleiben. Aber der Kern der politischen Strategie der Europäer muss sein, dass wir transatlantisch bleiben, dass wir einfach viel mehr europäische Stärke entwickeln. Die europäische Schwäche in dieser Beziehung ist auch ein Problem des Westens und da muss man alles zusammen auch von Deutschland bereden. Frankreich hat sich gut aufgestellt, jetzt muss auch Deutschland kommen, um für mehr europäische Stärke zu sorgen, zu investieren und zu kooperieren.
    Vier-Augen-Gespräche nicht als Verhandlungsbasis
    Münchenberg: Noch eine Frage, Herr Röttgen. Trump hat ja angekündigt, er wird sich mit Putin jetzt noch mehrfach treffen. Muss das in den Ohren der Europäer nicht wie eine Drohung klingen?
    Röttgen: Wie gesagt, es ist ambivalent. Zum einen habe ich ja ausgeführt, dass dieses Gespräch, dieser Dialog stattfindet, und wenn er nun auch etwas verbreitet wird auf Regierungsmitglieder und andere, dann ist das ein Normalzustand, von dem wir auch etwas gewinnen können: Syrien, nukleare Nichtverbreitung und so weiter, auch bei anderen Themen.
    Auf der anderen Seite: Je mehr es wirklich bilateral vier Augen wird, da sieht man: Da ist natürlich der Wissensstand, der Kenntnisstand, auch das Geschick praktisch jeden Gesprächspartners deutlich dem des US-Präsidenten überlegen. Darum, glaube ich, wird auch in Washington gesehen, diese Vier-Augen-Gespräche, das darf nicht die Basis von Vereinbarungen zwischen Staaten werden.
    Münchenberg: … sagt Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, in den "Informationen am Morgen" hier im Deutschlandfunk. Herr Röttgen, besten Dank für das Gespräch heute Morgen.
    Röttgen: Ich danke Ihnen sehr. Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.