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Röttgen: Mindestlöhne nur für einzelne Branchen

Ungeachtet der Forderungen aus der SPD bleibt die Union bei ihrem Nein zu generellen Mindestlöhnen. In der Koalition sei allerdings darüber gesprochen worden, Mindestlöhne, wie bereits für die Baubranche vereinbart, auf Bereiche wie zum Beispiel die Gebäudereiniger anzuwenden, sagte Norbert Röttgen (CDU), Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Moderation: Silvia Engels |
    Silvia Engels: Die Große Koalition setzt offenbar auf eine neue Dialogform. Sie heißt, die parlamentarischen Strippenzieher setzen sich mal zusammen, denn es sind lediglich die Fraktionsspitzen von Union und SPD, die sich seit gestern in das brandenburgische Werder zurückgezogen haben. Dort wollen sie Arbeitsschwerpunkte der Großen Koalition in diesem Jahr klären und einige Streitfragen beilegen.

    Einer der Teilnehmer der Runde ist der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsbundestagsfraktion, Norbert Röttgen. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Röttgen!

    Norbert Röttgen: Guten Morgen!

    Engels: Die Gesundheitsreform bleibt in der Tat wahrscheinlich auch bei Ihnen ein Thema. Gestern hat ja die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Elke Ferner noch einmal eine mittelfristige stärkere Steuerfinanzierung der Gesundheitsreform verlangt. Die Union lehnt das ab. Nehmen Sie solche Vorstöße aus den Reihen der SPD überhaupt noch ernst?

    Röttgen: Wir nehmen unseren Koalitionspartner und auch stellvertretende Fraktionsvorsitzende ernst. Dennoch war das gestern kein Thema; es wird auch heute kein Thema sein. Ich glaube auch, dass es nicht gut ist, dass wir, bevor wir jetzt nach einjähriger schwieriger Diskussion ja davor stehen, diese Gesundheitsreform zu beschließen, nachdem wir nun im Januar gerade eine Mehrwertsteuererhöhung hatten, nun erneut, bevor das gerade zum Abschluss kommt oder auch gerade begonnen hat, über neue Projekte dieser Art sprechen. Ich glaube, dass das dazu beiträgt, die Bürger zu verunsichern, und wir brauchen, glaube ich, auch ein Stück Berechenbarkeit, Verlässlichkeit und sollten die Dinge erst mal beschließen, bevor wir schon wieder über die neuen Dinge sprechen.

    Engels: Berechenbarkeit und Verlässlichkeit sind gute Stichworte. Der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach hat Frau Ferner unterstützt, und er hat zusätzlich der Frankfurter Rundschau gesagt, mit Edmund Stoiber trete der Hauptbremser beim Thema Steuerfinanzierung ab. Ist die Schwäche der CSU nun der Anlass dafür, dass die SPD neue Vorstöße probiert?

    Röttgen: Nein. Ich glaube, Herr Lauterbach ist eine geschätzte Einzelstimme in dieser Debatte. Und auch das sind dann am Ende keine wirklich hilfreichen, aber auch nicht wirklich störende Beiträge, sondern der Punkt ist doch, dass die Koalition in der letzten Woche mit den Koalitionsfraktionen dieses Thema intensiv noch mal diskutiert hat. Jetzt ist noch mal eine sitzungsfreie Woche, und in der nächsten Woche werden die Fraktionen noch einmal diskutieren und dann auch zu einem Abschluss kommen am 2. Februar im Deutschen Bundestag. Danach geht es in den Bundesrat. Ich finde, es ist wichtig, dass intensiv diskutiert wird. Daran hat es sicher nicht gemangelt. Aber irgendwann muss dann auch die Koalition Ergebnisfähigkeit nachweisen, und dann ist das Ende der Diskussion, und das ist jetzt auch erreicht.

    Engels: Das tagtägliche Ringen, was man ja in einer solchen Großen Koalition braucht, findet mit der SPD eigentlich ständig statt. Ist die Unionsfraktion insgesamt schwächer geworden, seitdem die CSU sich vor allen Dingen nur noch mit sich selbst beschäftigt?

    Röttgen: Nein. Die Diskussion, die die CSU derzeit führt, sind Diskussionen, die in den Parteien immer wieder vorkommen. Ich sage Ihnen voraus: beim nächsten Mal ist es irgendeine andere Partei, wo so etwas geschieht. Das hat auf die Fraktionsgemeinschaft keine Auswirkungen. Das hat das gemeinsame Regieren nicht belastet. Der einzige Punkt ist, dass, glaube ich, von allen gewünscht wird, dass die CSU bald auch wieder die Diskussion auch mit Ergebnissen beendet und dann auch wieder voll sich der Sachpolitik widmen kann. Aber so etwas kann man über bestimmte Stadien hinweg durchaus machen, weil es eben auch vorkommt. In Parteien herrscht nicht Kommandowirtschaft, sondern da stellen sich solche Fragen. Dann müssen sie auch erörtert werden. Das sind dann auch immer schwierige Zeiten, aber das gehört zu Parteien dazu. Wenn es nicht dazu gehörte, dann wären es tote Parteien. Parteien müssen dann auch in solchen Situationen wieder zur Sache kommen und ich glaube die CSU ist gerade dabei, genau dies zu tun und erfolgreich abzuschließen.

    Engels: Aber wirkt es sich denn überhaupt nicht aus, dass die CSU derzeit eigentlich ohne klare Parteiführung dasteht?

    Röttgen: Wenn Sie so fragen, denke ich, an welchem Punkt hat es sich ausgewirkt? Ich könnte Ihnen keinen nennen. Vielleicht schlagen Sie mal einen vor, aber es gibt keinen Punkt. In der Gesundheitspolitik ist der stellvertretende Vorsitzende Herr Zöller von der CSU gestellt einer der führenden Leute im Parlament und in der Großen Koalition, die das machen. Er war in Kreuth dabei, aber er war gleichzeitig hier an führender Stelle tätig. Und der Kompromiss ist ja zum Ergebnis geführt worden. Wir arbeiten mit den Kollegen, ob das Peter Ramsauer, Hartmut Koschyk, die anderen stellvertretenden Vorsitzenden, selbstverständlich weiter zusammen. Das wissen doch auch alle, dass das das erste und wichtigste ist, und die anderen Dinge müssen auch gemacht werden.

    Engels: Dann schlage ich ein Fachthema vor, was von der CSU kommt, nämlich Thema Auslandseinsätze. Da gibt es ja den grundsätzlichen Vorschlag, dass der Bundestag sich quasi doppelt mit einem Auslandseinsatz befassen soll: zum ersten, wenn die Bundesregierung die Bereitstellung der Truppeneinheit anmeldet, und dann soll das Parlament später über die konkrete Mission abstimmen. Das will die CSU. Was halten Sie von der Idee?

    Röttgen: Wir haben gestern über dieses Thema wie auch über andere gesprochen, um die parlamentarische Debatte, auch die Entscheidungsprozesse der Großen Koalition zu planen, nicht nur reaktiv sozusagen auf Meinungsverschiedenheiten zu reagieren, sondern um Politik zu planen. Darum hat es diese Diskussion gestern gegeben. Da gibt es unterschiedliche Vorstellungen davon, unter welchen Kriterien sollen Auslandseinsätze stattfinden. Es hat einen Charakterwandel auch der Bundeswehr in den letzten Jahren gegeben. Walter Kolbow von der SPD hat darauf hingewiesen: Es ist jetzt 15 Jahre her, dass der erste Auslandseinsatz war. Also ist es auch Zeit, einmal Zwischenbilanz zu ziehen, wie hat sich das verändert, wie müssen wir dem gerecht werden, und das Spannungsfeld mindestens neu zu bedenken - das steht auch so im Koalitionsvertrag - zwischen dem, was nötig ist an parlamentarischer Legitimation von Bundeswehreinsätzen, die in der Exekutive, in der Regierung entschieden werden, zum Teil auch in internationaler Einflechtung, fast durchweg, und von dem was möglich ist an parlamentarischer Verantwortung. Wir können nicht über jeden Soldaten befinden, sondern hier muss es eine Balance geben zwischen dem Nötigen und dem Möglichen, was dem Parlament möglich ist und auch parlamentarisch zu verantworten. Das ist debattiert worden.

    Engels: Stehen Sie denn dann als CDU hinter dem CSU-Vorschlag?

    Röttgen: Das ist ein Meinungsbeitrag, den es dort gegeben hat. In der CDU hat der Kollege Schockenhoff einen Vorschlag gemacht. Auch die SPD führt diese Diskussion. Das war ein Punkt, wo wir gesagt haben, wir wollen diese Diskussion führen. Die wird auch zu Ergebnissen möglicherweise führen. Das ist jetzt aber der Beginn einer Diskussion zu einem ganz grundlegenden Thema.

    Engels: Und die CSU ist da in keiner Form jetzt in der Rolle derjenigen, die nicht so ganz ernst genommen wird?

    Röttgen: Nein, also wirklich nicht. Alleine schon das zu bestreiten, könnte einen falschen Eindruck erwecken. Noch mal´, dass Parteien solche Diskussionen haben, Führungswechsel und alles , wir haben den dritten SPD-Bundesvorsitzenden jetzt schon in der Großen Koalition. Deshalb ist die Große Koalition aber trotzdem zu Stande gekommen und funktionsfähig.

    Engels: Dann schauen wir auf ein anderes Thema, zum Beispiel den Arbeitsmarkt. Hier steht ja nach wie vor ein Konflikt ins Haus. Die SPD favorisiert Mindestlohnkonzepte, die Union sagt Kombilöhne. Ihr Fraktionschef Volker Kauder deutete Entgegenkommen an. Soll heißen: Die in der Baubranche geltenden Mindestlöhne könnten auf bestimmte andere Sektoren ausgeweitet werden. Was wäre das für eine Ausweitung, und wie weit geht die Annäherung?

    Röttgen: Arbeitsmarktreform ist eines der Themen, die für dieses Jahr anstehen. Was die Entsenderichtlinie anbelangt, ist darüber gesprochen worden, sie auf andere Branchen, die Branche der Gebäudereiniger, anzuwenden, auch in Absprache mit der Branche, ob sie dies selber wünscht. Das ist Thema der Koalition, allerdings nicht die flächendeckende Ausweitung selbstverständlich, sondern eine auf Branchen bezogene Ausweitung.

    Engels: Wo gibt es denn andere Möglichkeiten der Annäherung, denn generell liegen ja SPD und Union hier sehr weit auseinander und ich könnte mir denken, man hat keine Lust, in diesem Bereich noch mal so zähe Diskussionen zu führen wie bei der Gesundheitsreform oder?

    Röttgen: Nein, das wird auch nicht der Fall sein.

    Engels: Und was tut man?

    Röttgen: Wir sind uns zum Beispiel einig und wollen insbesondere bestimmte Gruppen ansprechen, die es besonders schwer haben. Dazu zählt nach Auffassung der Unionsfraktion insbesondere die Gruppe der jüngeren und schlecht qualifizierten Menschen. Da ist ja der dringendste Handlungsbedarf, weil die eine Perspektive brauchen. Und je länger ihnen nicht geholfen wird, desto weniger verharren sie in einer Außenseiterposition. Gerade bei den Jüngeren, glaube ich, stellt sich die Notwendigkeit, dass wir ihnen Teilhabe, Perspektive, auch Aufstieg in einer Gesellschaft ermöglichen müssen. Ich könnte mir vorstellen, dass das ein Weg ist, dass man nicht Grundsatzdebatten immer nur führt, sondern sich über besondere Bevölkerungsgruppen verständigt, bei denen dringlich Hilfe des Staates auch nötig ist.

    Engels: Wie steht es da um Vorschläge von Arbeitsminister Müntefering, Niedriglöhne womöglich generell breiter zu unterstützen? Trifft das eher die CDU-Linie?

    Röttgen: Wir sind der Auffassung, dass dies kein Instrument ist, das man gesetzlich flächendeckend einführen kann, weil das ein zu starker Eingriff ist in den Preis, den Lohn, der sich am Markt bilden muss, sondern wir sind der Auffassung, dass man Branchen nach Bevölkerungsgruppen helfen muss, insbesondere mit dem Instrument von Löhnen, die der Arbeitgeber zahlt und die staatlich einen Zuschuss erhalten, damit Menschen, die auf dem normalen Markt mit ihrer Arbeitskraft kein Angebot finden, dann für einen staatlich bezuschussten Lohn arbeitsfähig werden.

    Engels: Norbert Röttgen, der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsbundestagsfraktion. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Röttgen: Ich bedanke mich bei Ihnen.