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Röttgen verteidigt Dienstwagen-Privileg

Der CDU-Politiker Norbert Röttgen verteidigt den Koalitionsbeschluss, das Steuerprivileg für Dienstwagen im Rahmen des Klimaschutz-Programms zunächst unangetastet zu lassen." Wir müssen und dürfen uns nicht in dem Versuch, ökologische Ziele zu erreichen, wirtschaftlich schaden", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsbundestagfraktion.

Moderation: Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Vor dieser Sendung habe ich den CDU-Politiker Norbert Röttgen, er ist Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsbundestagfraktion gefragt, was er von der Klausurtagung erwartet.

    Norbert Röttgen: Dies ist eine Regierungsklausur in der Mitte der Legislaturperiode, die am meisten deutlich macht, diese Koalition hat einen Auftrag von den Wählern für vier Jahre, und die Koalition will nun auch die beiden nächsten Jahre Politik gestalten, etwas tun, ihren Auftrag erfüllen und hat dafür programmatische Leitlinien.

    Heinemann: Wird das Ergebnis eine Art zweiter Koalitionsvertrag sein?

    Röttgen: Nein, wir haben ja die Koalition geschlossen und haben deutlich gemacht, was der Anspruch dieser Koalition ist. Sie muss sich darin erweisen, dass sie Aufgaben erfüllt, die unter kleinen Koalitionen liegen geblieben sind. Ich nenne etwa das Jahrzehnte alte Thema, dass wir wieder geordnete Haushalte brauchen, um politikfähig zu sein auch aus moralischer Verantwortung gegenüber nächsten Generationen, um nur ein Beispiel zu nennen. Föderalismusreform ist gescheitert unter kleinen Koalitionen, wir müssen im Alltag für die nächsten zwei Jahre ergebnisfähig sein und unsere Arbeit tun.

    Heinemann: Stichwort "gut arbeiten, Klimapolitik", da sind jetzt große Ziele verkündet worden im Detail, zum Beispiel bei der Frage Steuervorteile oder Steuerbegünstigung von Dienstwagen, von großen Dienstwagen - das ist mal wieder vertagt worden. Kommt das jetzt, oder kommt es nicht?

    Röttgen: Ich glaube, dass andere Dinge entschieden worden sind, die dazu beitragen, dass wir die Ziele, auf die wir uns verständigt haben, dann auch erreichen. Zielvereinbarung ist wichtig, auch der Ehrgeiz dabei. Dann muss aber auch konkret nun der Weg gewiesen werden. Und ich glaube, dass es richtig ist, dass man sich bei der Besteuerung auch von Dienstwagen nicht schon entschieden hat, weil ich glaube, dass es bessere Wege gibt, diese Ziele zu erreichen, in gleicher Weise zu erreichen. Wir müssen und dürfen uns nicht in dem Versuch, ökologische Ziele zu erreichen, wirtschaftlich schaden. Damit werden wir am Ende weder ökologisch noch wirtschaftlich-ökonomisch etwas erreichen. Und darum bedauere ich das nicht, dass das nicht auf der Agenda steht.

    Heinemann: Daimler-Benz und BMW können aufatmen.

    Röttgen: Nein, nicht Daimler-Benz und BMW, sondern wir wollen ja sowohl die Natur schützen, Klimawandel vorbeugen, eindämmen, als auch wirtschaftlich erfolgreich sein. Wir wollen auch weiterhin Arbeitsplätze in diesem Land. Und wer glaubt, ökologische Ziele dadurch zu erreichen, dass wir Maßnahmen ergreifen, die wirtschaftlich negativ sind, die Arbeitsplätze gefährden, der wird am Ende beide Ziele nicht erreichen.

    Heinemann: Herr Röttgen, in der Familienpolitik gibt es jetzt den Vorschlag, den Kinderzuschlag zu reformieren, damit Familien wegen der Kinder nicht auf Hartz-IV-Niveau abgleiten. Völlig falsch schon im Ansatz, sagt die SPD, denn nur Löhne, von denen Familien auch wirklich leben können, könnten dafür sorgen, dass Kinder künftig nicht mehr in Armut aufwachsen. Dem kann man kaum widersprechen.

    Röttgen: Aber ich bitte Sie, der Lohn ist doch die Gegenleistung für Arbeit, und dieser Lohn ist doch immer gleich für einen, der ein Single ist, und für einen, der drei Kinder mit dem Lohn ernähren muss. Also der Arbeitgeber zahlt ja keinen Familienlohn, sondern er bezahlt sozusagen einen Stundenlohn für die geleistete Arbeit.

    Heinemann: Aber wenn er einen Mindestlohn zahlen müsste, könnte ja vielleicht eine Familie sogar ohne staatliche Zuschüsse über Wasser kommen, sich über Wasser halten.

    Röttgen: Es spricht doch kein Mensch davon und weder die SPD, noch nicht mal die PDS, dass der Arbeitgeber den Lohn danach differieren soll an den Arbeitnehmer, ob er eine Familie hat oder keine Familie hat. Das ist nicht Aufgabe des Arbeitgebers. Er muss einen anständigen Lohn bezahlen, das ist richtig, der übrigens am Markt zuallererst und in der Verhandlung der Tarifvertragsparteien seinen Preis findet. Aber die Unterstützung, die ergänzende Unterstützung von Familien ist dann Sache des Staates. Es ist ein Allgemeinwohlinteresse, dass Familien das haben, was sie zum Leben brauchen. Es ist ein Allgemeinwohlinteresse, dass Familien in diesem Land Bedingungen finden, dass man hier gerne und gut als Familie leben kann. Das wollen wir alle und ist kein Arbeitgeber- und Unternehmensthema.

    Heinemann: Darum wäre doch auch ein Allgemeinwohlinteresse, dass Menschen von dem Lohn für Arbeit auch leben können.

    Röttgen: Ja, jetzt sind wir erst beim Kinderzuschlag, wenn ich darauf noch zurückkommen kann. Und Frau von der Leyen sagt nun völlig zu Recht, wenn es so ist, dass einer von seinem Lohn alleine leben kann, aber dadurch, dass er Kinder hat, in das System von Hartz IV hineinkommt, dann wollen wir den Kinderzuschlag so ausgestalten, dass er nicht in das Hartz-IV-System reinkommt. Darum wollen wir dieses System flexibilisieren, wir wollen auch mehr Geld dafür ausgeben, um Familien davor zu bewahren, in dieses Transfersystem Hartz IV abzurutschen. Das halte ich für enorm wichtig, dass Familie nicht das Risiko birgt, weil man Kinder hat, kommt man in Hartz IV, sondern dann kümmert sich der Staat mit dem Instrument des Kinderzuschlages darum. Das ist der richtige Anknüpfungspunkt, dass man vor Hartz IV bewahrt wird. Und darum ist das gesellschaftspolitisch absolut richtig und sollte auch unbedingt gemacht werden. Und wer sich dagegen wendet, glaube ich, meint es mit den Familien nicht gut.

    Heinemann: Mindestlohndebatte. Was sind eigentlich für Sie sittenwidrig niedrige Stundenlöhne?

    Röttgen: Das hat die Rechtsprechung entwickelt, was das ist. Im Einzelfall sagt die Rechtsprechung, wenn man zwei Drittel unter dem ist, was ortsüblich ist, dann gilt das als sittenwidrig.

    Heinemann: Können Sie mal Euro und Cent nehmen?

    Röttgen: Nein, kann man ja nicht, weil der ortsübliche Lohn ja sehr unterschiedlich ist. Das ist in Mecklenburg manchmal in manchen Branchen etwas anderes als in Stuttgart und München in einer ganz anderen Branche. Aber es gibt, wenn ich das noch sagen darf und damit da kein Missverständnis entsteht, Löhne, die würde ich als eine schlichte Sauerei bezeichnen. Und der rechtliche Ausdruck dafür ist Sittenwidrigkeit, und das kann nicht toleriert werden.

    Heinemann: Wo beginnt die Sauerei, meinetwegen in Berlin?

    Röttgen: Das hängt von der örtlichen Situation ab, wie ist die Nachfrage nach der Arbeit, wie ist das Lebenshaltungsniveau? Das ist in Städten und auf ländlichen Gegenden unterschiedlich, es ist in Branchen unterschiedlich. Das kann man im Einzelfall möglicherweise auch für eine ganze Branche festlegen, aber nicht einer kann das allgemein sagen. Es gibt es, und an der Stelle ist die Politik gefordert.

    Heinemann: Herr Röttgen, wann wird voraussichtlich der Wahlkampf beginnen, oder anders gefragt, was kann die Koalition bis 2009 noch schaffen?

    Röttgen: Wir haben jetzt zum Beispiel vor uns die Neuregelung der Erbschaftssteuer, hier für eine auch weiterhin eigentumsfreundliche, auch wachstumsfreundliche Besteuerung zu sorgen. Wir wollen ja die Weitergabe, die Vererbung von Unternehmen, die keine Kapitalgesellschaft sind, in besonderer Weise fördern, damit die Arbeitsplätze nicht durch den Erbfall gefährdet werden. Wir wollen in der Arbeitslosenversicherung und können noch einen Schritt runtergehen, um die Entlastung der Bürger zu tun. Wir haben noch die Föderalismusreform vor uns, wo wir auch auf der Verfassungsebene der Politik Fesseln anlegen wollen, was die Möglichkeit anbelangt, Schulden zu machen, das heißt, auf Kosten der nachfolgenden Generationen heute zu konsumieren. Das soll durch Verfassung eingeschränkt werden. Es geht im Kern nach meiner Einschätzung darum, dass wir den wirtschaftlich so erfolgreichen Weg, über eine Million Arbeitslose weniger, Hunderttausende, die arbeitslos waren, jetzt sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, weiterzugehen, Wachstum weiter zu befördern und gleichzeitig die ökologischen Ziele zu realisieren. Dann kommt noch die Außenpolitik dazu, innere Sicherheit. Wir haben eine akute Gefährdung durch den Terrorismus, und da muss der Staat, der freiheitlich ist und sein wird, auch sich als wehrhaft erweisen.

    Heinemann: Auf welchen SPD-Kanzlerkandidaten schießen oder stellen Sie sich ein?

    Röttgen: Wir haben die Kanzlerin, die so gute Arbeit macht, dass sie dafür Anerkennung bekommt, wie das noch nie für einen anderen Kanzler gemessen wurde. Derjenige, der sie herausfordert, dem werden wir mit Respekt begegnen und werden keinen Gegner unterschätzen. Aber wer es ist, die SPD wird es entscheiden, und sie weiß es noch nicht, wer es sein wird.

    Heinemann: Mit wem rechnen Sie?

    Röttgen: Wir nehmen den, den die SPD am Ende auswählt. Ich glaube, sie ist sehr unschlüssig in der Frage.

    Heinemann: Es kommt, wie es kommt, wie der Rheinländer sagen würde.

    Röttgen: Der Rheinländer sagt, et kütt, wie et kütt.

    Heinemann: So ist es. Die CDU schickt sich an, ein neues Grundsatzprogramm zu beschließen. Welche Note würden Sie dem Entwurf von Generalsekretär Pofalla geben?

    Röttgen: Das ist der Entwurf einer ganzen Kommission unter Vorsitz des Generalsekretärs. Ich verteile keine Noten.

    Heinemann: Schade.

    Röttgen: Ich finde das Wichtigste, dass wir jetzt in eine Diskussion über dieses Grundsatzprogramm kommen.

    Heinemann: Die ist im Gange. Zu wenig konservativ, sagen nicht nur Ältere, sondern sagen erstaunlicherweise auch Jüngere aus der Jungen Union.

    Röttgen: Wir beginnen ja mit der Diskussion, und das Schlimmste wäre, wenn es keine Diskussion gäbe.

    Heinemann: Norbert Röttgen, CDU, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsbundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Röttgen: Ich bedanke mich.