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Roger Scruton
Grüne Philosophie mit konservativen Wurzeln

Der Philosoph und Publizist Roger Scruton setzt sich in seinem Buch "Grüne Philosophie" mit aktuellen Fragen des Umwelt- und Naturschutzes sowie politischer Ökologie auseinander. Ein für argumentative Auseinandersetzungen zweckdienliches Werk, das jedoch viele Frage offen lässt.

Von Martin Zähringer | 25.09.2014
    "Grüne Philosophie" ist ein komplexes Gebiet, das vorläufig ohne akademischen Markenschutz auskommt. Deshalb ist es auch noch spannend. Ökologie und Umweltschutz, Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit, Naturerhalt und Rohstoffinteressen, Völkerrecht und Heimatschutz oder globale Gerechtigkeit mit Blick auf die Generationen – das sind die grünen Themen. Mit all dem befasst sich auch Roger Scruton, dessen neues Buch jetzt in einer engagierten Übersetzung von Elisabeth Liebl vorliegt. Scruton will die Umweltfrage als Ganzes angehen. Er berührt die Wissensbereiche von Philosophie, Psychologie, Ökonomie sowie Ökologie und Geschichte. Die Lektüren des Autors befinden sich auf aktuellem Stand und bieten Einblick in die anglo-amerikanische Debatte, obgleich sie ein konservatives Diskursmilieu bevorzugen.
    Der Titel "Grüne Philosophie" ist jedoch etwas hoch gestapelt. Der einschränkende Untertitel ein konservativer Denkansatz trifft es schon besser, denn über konservative Ansätze und Argumente klärt uns Scruton gründlich auf. Ein Beispiel:
    "Der Konservatismus setzt auf historische Verbundenheit, auf lokale Identität und auf jene Art von Langzeitbeziehung, die zwischen Menschen entsteht, die ihre Neigungen an einen bestimmten Ort und innerhalb eines wohldefinierten Rahmens ausleben."
    Der Mensch muss die Lösung in die Hand nehmen
    Grundsätzlich ist die Lösung von Umweltproblemen für Scruton etwas, das der Mensch vor Ort in die Hand zu nehmen hat. Er plädiert für lokale Ansätze anstelle von globalen Regelungen, für das Engagement der Bürger anstelle des politischen Aktivismus, für kleine, nachbarschaftliche Initiativen anstelle zweckgesteuerter Großkampagnen. Scrutons Akteursmodell heißt "kleine Haufen vor Ort", dagegen weist er globale, politische Lösungsansätze zurück, etwa George Monbiot und dessen einflussreiches Buch "United People-Manifest für eine neue Weltordnung":
    "Während der Sozialismus und der Liberalismus in ihrer Zielsetzung global sind, ist der Konservatismus von Natur aus lokal: Er verteidigt die spärlichen Reste von Sozialkapital gegen die Kräfte anarchischen Wandels. Eben dieser lokale Charakter ist es, der den Konservativismus prädestiniert für die Lösung von Umweltproblemen."
    Er belegt das am Beispiel Englands. In England hätten immer die lokalpatriotischen Kräfte für den Erhalt der Landschaft gesorgt, deren Schönheit der Pietät ihrer Bewahrer zu verdanken ist:
    "Die Weiden, Hecken, Gebüsche, Wäldchen und Bäche Großbritanniens wurden nicht gesetzlich geschützt, eben weil die Menschen sie liebten. Das Eigeninteresse derer, denen das Land gehörte und die es bebauten, sorgte für diesen Schutz. Weidewirtschaft, historische Wegerechte und Grenzsteine, die verbreiteten britischen Feldsportarten und die lokale Nahrungsmittelökonomie, bei der Milch und Käse auf den Märkten angeboten wurden, lagen wie eine unsichtbare Hand schirmend über ihnen."
    EU werfe die kleinen Bauern aus dem Rennen
    Ganz im Gegensatz zur Europäischen Union, deren abstrakte Verordnungen zu Produktionshygiene und Lebensmittelverpackung die kleinen Bauern aus dem Rennen wirft, denn teure Tierärzte und Verpackungsmaschinen können die sich nicht leisten. Deutliche Unstimmigkeiten in Scrutons Argumentation beginnen beim Problem des Plastikmülls. Weder der auf dem Pazifik treibende "Große Plastikmüllstrudel" noch das tödliche Plastikpulver in den Nahrungsketten sind lokale oder nationale Probleme. Etwas armselig wirkt Scrutons Einknicken vor dem Problem der Erderwärmung, hier könne am Ende nur noch die Supermacht USA mit einem gezielten Geo-engeneering helfen. Zuweilen beschleicht den Autor eine tiefe Melancholie, aber je hoffnungsloser nun das konservative Denken angesichts der echten Probleme wird, umso deutlicher wird die Ablehnung der Gegner:
    "Was den Umweltschutz angeht, so ist das Schlimmste, was uns passieren kann, der Sieg linker Bewegungen und ihrer mobilgemachten Sprecher. Das Beste aber, was uns passieren kann, ist, dass ganz normale Leute, angespornt von ihrer altmodischen Oikophilie, der Liebe zu ihrem Heim, freiwillig das Problem auf der lokalen Ebene analysieren und hausgemachte Lösungen dafür suchen."
    Also erst einmal Beharren, Heimatliebe und die Pflege des eigenen Ortes. Das sind zünftige konservative Grundhaltungen. Sie werden in Scrutons Denken auch an Lebens- und Wirtschaftsmodelle angenähert, die früher einmal "alternativ" hießen, bei Scruton "Permakultur" – die naturnahe, nachhaltige Bewirtschaftung kleiner Flächen. Ein ungelöstes Problem aber bleibt die Globalisierung: Wenn interkontinentale Migrationen und Megacities, transnationale Konzernmonopole und der Klimawandel die zentralen Probleme der Zivilisation sind, wie Scrutons intellektuelles Pflichtgefühl anerkennt, dann wird der konservative Rahmen schnell zu eng.
    Was Scruton nicht erkennen will: Es wird nicht funktionieren, wenn die sogenannten "kleinen Haufen" vor Ort den Zuwanderer in "die Oikophilie einbinden, von der die gesamte Nation abhängt". Die guten Plätze sind ja schon längst weg, und auch wenn der Prince of Wales ein naturschönes Lokalprojekt befördert, werden seine Standesgenossen nicht auf ihren privilegierten Zugang zu Rittergut, Schloss und die angebundene Agrarlandschaft verzichten. Und die Agrarkonzerne vermehren derweil ihren Landbesitz in globalem Stil und hebeln die lokale Wirtschaft aus. Das konservative Grundstrategem der Heimatliebe - explizit unter Ausschluss politischer Lösungsansätze - gerät also auch an moralphilosophische Grenzen - gerecht ist es nicht, angenehm nur für die, die ein schönes Plätzchen haben, und für die Erben.
    Das englische Original von "Grüne Philosophie" bei Atlantic Books hat folgenden Untertitel: How To Think Seriously About The Planet, frei übersetzt: Wie über den Planeten ernsthaft nachzudenken ist. Es wäre die Aufgabenstellung einer grünen Philosophie im Zeichen globaler Ökokrisen, ist es aber bei Roger Scruton nicht. Maßgeblich ist bei ihm die konservative Schulung. Wesentliche Argumente seiner Gegner erwähnt er gar nicht, dafür redet er entscheidende Widersprüche der konservativen Ökologie weg. Oikophilie, das klingt schön, meint aber vor allem eine mentale und soziale Begrenzung auf das Eigene, die nicht - wie angekündigt - aufs Ganze zielen kann.