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Roger Waters' Revolutionsoper

Die britische Rockgruppe "Pink Floyd" hatte stets einen Hang zu großen, fast opernhaften Inszenierungen. Jetzt hat Roger Waters, Bassist und Kopf von "Pink Floyd", tatsächlich seine erste Oper geschrieben und im Auditorium von Rom uraufgeführt. "Ca Ira" behandelt in drei Akten über drei Stunden mit großen Orchester die französische Revolution.

Von Thomas Migge | 18.11.2005
    Die kleine Marie-Antoinette sitzt im Garten unter einem Baum und träumt davon einmal Königin von Frankreich zu werden und in Glanz und Gloria zu leben. Doch aus dem Traum wird nichts. Da ist das Volk, das hungernde Volk. Vor einem seit Monaten ausverkauften Auditorium in Rom präsentierten sich gestern Abend nacheinander die französische Königin und Revolutionspriester, das rebellierende Volk und die Anführer einer Revolte, die die Monarchie und eine als Blutsauger vorgestellte Aristokratie hinwegfegt. "Ca ira", es wird schon gehen, heißt Roger Waters erste Oper. Eine Redewendung, die während der französischen Revolution populär geworden ist.

    "Es war ein langer Lernprozess für mich, um zu dieser Oper zu gelangen. Wenn man an einem bestimmten Punkt seines Lebens ankommt, und ich bin dort angekommen, dann fragt man sich, was man noch komponieren kann und komponiert für Orchester."

    Roger Waters versteht seine dreistündige Komposition in drei Akten als Oper im klassischen Sinn. Das Libretto verfassten Nadine und Etienne Roda Gil, die als Songwriter und Librettisten vor allem für Filmkomponisten arbeiten. Das Regional-Orchester Roma Sinfonietta spielte unter der Leitung des Briten Rick Wentworth - der sich als Dirigent für Soundtracks, wie beispielsweise für die Filme "The Time Machine" und "Pirates of the Caribbean", einen Namen machte. Unter den insgesamt guten Interpreten faszinierte die kristallklare und kräftige Stimme der jungen chinesischen Sopranistin Ying Huang, die die Rolle der Marie Antoniette sang. Waters orientierte sich bei seiner Komposition an großen Vorbildern: an den Werken von Berlioz, Brahms, Puccini und Bellini. Das Resultat ist eine eher fade Musik-Minestrone.

    Der Brite mag keine atonale Musik - und befindet sich damit genau in einem Trend, der auch in Italien zahlreiche Anhänger unter den Komponisten der so genannten ernsten Musik gefunden hat. Allen voran Sergio Rendine, der vor zwei Jahren mit seiner extrem melodischen Oper "Una favola romanza" für heiße Debatten sorgte. Sie sind davon überzeugt, dass Stockhausen und Henze, überholt sind. Roger Waters, der Schöpfer von "The Wall", glaubt, dass die französische Revolution in der Musik viel zu wenig - und wenn überhaupt, dann nur aus der Sicht der Aristokraten - thematisiert wurde. Wie in der Oper "Marie Victoire" von Ottorino Respoghi. Waters erzählt in "Ca ira" die Geschichte der Revolution mit den Stimmen der Revolutionäre und des Volkes. Sie und die Aristokraten sowie das Königspaar werden von einem Zirkusdirektor vorgeführt: er ist die Zentralfigur der Oper. In "Ca ira" wird klar zwischen Gut, das Volk und die Revolutionäre, und Böse, das Königspaar und der Adel, unterschieden. Eine Interpretation der historische Vorgänge, die von der Geschichtswissenschaft schon seit Jahren als falsch und viel zu einseitig verurteilt wird. Waters sieht das anders. Er versteht sich selbst als Revolutionär - der privaten Lebensführung:

    "Ich bin davon überzeugt, dass das ganze Leben eine Art Revolution ist. Es geht doch darum, sich immer wieder neu zu entdecken und zu wachsen und zu verändern. Das Leben kann doch nicht ein nur essen und trinken, Sex und Fernsehgucken sein."

    Roger Waters hat sich weit von der Musik der Gruppe Pink Floyd entfernt. Auch wenn er den Anspruch erhebt, eine Oper geschaffen zu haben bleibt er zu sehr einem oberflächlich-neomelodischen Konzept verhaftet, das gefällig daherkommt, ohne wirklich musikalisch originell zu sein. Seine Musik hört sich wie ein Film-Soundtrack oder wie ein Musical an.