Rogowski: Guten Morgen Herr Remme.
Remme: Herr Rogowski, wir haben die Forderung der IG Metall gehört. Bevor wir auf die Wirtschaftspolitik im Großen kommen, wie wichtig kann denn der Standortvorteil sein, wenn es nur um 36 Arbeitsminuten am Tag geht?
Rogowski: Das ist ein großer Vorteil. Wissen Sie, wenn Sie wie ich durch die Lande reisen bis hin nach Japan und dort Reklame machen für Ost-Deutschland und die Vorteile, die es in Ost-Deutschland gibt, bis hin zur weniger intensiven gewerkschaftlichen Durchdringung längerer Arbeitszeit, in der Regel auch noch günstigere Löhne, dann wundern sie sich schon gewaltig. Ich muss sagen, ich bin entsetzt, auch von dem, was ich hier höre. Das hat doch mit Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit überhaupt nichts zu tun. Mir kommt da nur der Spruch in den Sinn "nur Kälber suchen ihre Schlächter selber".
Remme: Warum hat das mit Gerechtigkeit nichts zu tun?
Rogowski: Hat es mit Gerechtigkeit zu tun, dass die Schweizer in der Schweiz noch 41 bis 42 Stunden arbeiten und das mit Dreiviertelmehrheit vor einem Jahr erst wieder bestätigt haben? Gerecht ist doch das, was uns hilft, Deutschland nach vorne zu bringen. Wir wollen doch Investitionen nach Ost-Deutschland schaffen. Wir wollen Investoren finden, im Innland und im Ausland. Glauben Sie die kommen in Scharen? Die werden noch mehr gehen. Die werden genau da hingehen, wo von heute früh in diesem Interview die Rede war, nämlich in die umliegenden Länder.
Remme: Herr Rogowski, Gerechtigkeit ist auch ein Wort, das in Zusammenhang mit der Umsetzung der Agenda 2010 immer wieder zur Sprache kommt. Wir haben den SPD-Sonderparteitag gestern erlebt, auch die klare Mehrheit für Gerhard Schröder. Wie wichtig war dieser Parteitag für die deutsche Wirtschaft?
Rogowski: Ich sage mal es war eine erste Etappe auf einer Tour des Leidens, Deutschland nach vorne zu bringen. Es war ein wichtiger Etappensieg und die deutsche Wirtschaft steht voll hinter dem Programm. Wir haben nur Bange, dass es in irgendeiner Form doch noch verwässert werden könnte. Es geht jetzt wirklich darum, das in der Sommerzeit über die Bühne zu bekommen, und zwar eins zu eins, denn natürlich muss man ganz offen und ehrlich sagen: es ist eine Agenda 2003 und als solche ist sie wichtig. Sie ist aber noch lange nicht das, was ihre Überschrift eigentlich sagen will, nämlich wo will Deutschland und soll Deutschland im Jahre 2010 wieder stehen. Wir wollen doch wieder ganz vorne mit dabei sein und nicht hinterherjuckeln.
Remme: Das ganze muss jetzt durchs Parlament. Die Opposition wird sicherlich ein Wörtchen mitreden wollen. Was erwarten Sie von dieser Seite?
Rogowski: Ich erwarte von der Opposition, dass sie mitzieht, dass sie nichts zerredet, dass sie da und dort noch Verbesserungen vorschlägt oder Erweiterungen, dass sie aber vom Grundsatz ausgeht, wir wollen dieses Programm mit umsetzen und wir wollen dazu beitragen, dass in Deutschland wirklich ein Ruck passiert.
Remme: Und wann rechnen Sie mit ersten konkreten positiven Auswirkungen?
Rogowski: Das ist schwer zu sagen. Ich sage Ihnen meine Meinung, aber da mag es auch andere geben. Ich glaube wir haben einen Prozess vor uns, der dauert mindestens zwei bis drei Jahre, bis wir wirklich nennenswerte Auswirkungen von dem sehen, was hier jetzt momentan begonnen wird. Es muss noch mehr hinzu kommen. Wir haben noch lange nicht die Liberalisierung des Arbeitsmarktes, die wir dringend benötigen würden. Wir brauchen auch noch weitergehende Reformen in den Sozialversicherungssystemen und wir müssen noch einmal das Thema Steuern, aber nicht Steuererhöhungen, sondern eine grundlegende Steuerreform mit weitergehenden Steuersenkungen uns an die Brust, vor die Brust nehmen. Es gibt also eine Menge zu tun in Deutschland, aber ich glaube wenn die Bürger erkennen und auch die Unternehmer erkennen, es bewegt sich doch noch etwas in diesem Land, dann entsteht auch so etwas, was wir alle im Moment vermissen, nämlich Aufbruchstimmung.
Remme: Sie haben die Unternehmer angesprochen. Die Politik ist natürlich gefordert. Was kann die deutsche Industrie tun, um die angestrebten Reformen zum Erfolg zu führen?
Rogowski: Die deutsche Industrie kann im Grunde nur eines tun: sie kann Arbeitsplätze schaffen. Das kann sie nur, wenn sie Geld verdient. Solange 40 Prozent der Unternehmen überhaupt kein Geld verdienen oder Verluste machen, wird das nicht passieren, was wir alle erwarten. Im übrigen können die Unternehmer - und das tun sie auch - ihre Investitionen so weit vertretbar in Deutschland tätigen. Aber auch das werden sie nur tun, wenn sie das Gefühl haben, das wird von der Politik honoriert. Es werden Rahmenbedingungen geschaffen, die es ihnen erlauben, finanziell erlauben - es geht hier wirklich um finanzielle Fragen - ihren Emotionen, die durchaus für Deutschland schlagen, auch Rechnung zu tragen.
Remme: Aber die Streikenden in Ost-Deutschland - wir haben vor einer halben Stunde mit Hasso Düvel gesprochen, dem Bezirksleiter dort - er sagt: "Jawohl, der Branche geht es gut und dort, wo wir streiken, ist das, was wir wollen, auch möglich."
Rogowski: Es ist ja eine Illusion zu behaupten, der Branche gehe es gut. Es geht im Moment überhaupt keiner Branche in Deutschland wirklich gut. Es geht vielen großen Unternehmen nicht gut, es geht vielen kleinen Unternehmen nicht gut. Es geht manchen Gott sei Dank und trotz allem noch gut, aber bestimmt nicht all denjenigen, die jetzt in den Streik einbezogen werden sollen. Heute sind es die Großen, morgen ist es der Mittelstand. Wer sich vor Augen führt, wie diese Urabstimmungen zu Stande kommen, der weiß ganz genau, dass es wesentlich mehr Menschen sind, die gegen diesen Streik sind als für diesen Streik. Hier entscheiden ja nur mal 10 Prozent der betroffenen Menschen darüber, ob in der Bundesrepublik Deutschland gestreikt wird oder nicht. Das kann doch nicht wahr sein.
Remme: Herr Rogowski, ich will noch auf eine Hilfestellung, eine mögliche der Industrie zu sprechen kommen. Es geht um die Ausbildungsplätze. Auch das war ein Thema gestern beim SPD-Parteitag und es wurde eine verbindliche Erklärung der Wirtschaft gefordert, die einen Fonds zur Finanzierung der fehlenden Ausbildungsplätze einrichten soll. Kann die deutsche Industrie mit dieser Forderung leben?
Rogowski: Ich will es mal anders formulieren: Es ist richtig, dass es in Deutschland Betriebe gibt, die ausbilden könnten und nicht ausbilden. Es ist zweitens richtig, dass Ausbildung in Deutschland inzwischen viel zu teuer geworden ist. Das kann ich jetzt aus Zeitgründen nicht ausführen. Es ist drittens richtig, dass wir einen Weg finden müssen, um diejenigen, die nicht ausbilden, zur Ausbildung zu bewegen. Der Fonds könnte vielleicht eine Lösung sein. Auf jeden Fall hielte ich diese Lösung für besser als eine Ausbildungsabgabe. Die wird nämlich genau das Gegenteil dessen bewirken, was wir alle erhoffen.
Remme: Und Sie glauben, so ein Fonds ist durchsetzbar?
Rogowski: Das muss ich sehen. Ich weiß, dass von den Verantwortlichen etwas diskutiert wird, die Wirtschaft selbst in die Pflicht zu nehmen. Da kann ein Fonds eine Lösung sein. Ich kann das heute noch nicht abschließend beurteilen, ob es die Lösung ist, aber man muss es ernsthaft diskutieren.
Remme: Vielen Dank! - Das war Michael Rogowski, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie.
Link: Interview als RealAudio
Remme: Herr Rogowski, wir haben die Forderung der IG Metall gehört. Bevor wir auf die Wirtschaftspolitik im Großen kommen, wie wichtig kann denn der Standortvorteil sein, wenn es nur um 36 Arbeitsminuten am Tag geht?
Rogowski: Das ist ein großer Vorteil. Wissen Sie, wenn Sie wie ich durch die Lande reisen bis hin nach Japan und dort Reklame machen für Ost-Deutschland und die Vorteile, die es in Ost-Deutschland gibt, bis hin zur weniger intensiven gewerkschaftlichen Durchdringung längerer Arbeitszeit, in der Regel auch noch günstigere Löhne, dann wundern sie sich schon gewaltig. Ich muss sagen, ich bin entsetzt, auch von dem, was ich hier höre. Das hat doch mit Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit überhaupt nichts zu tun. Mir kommt da nur der Spruch in den Sinn "nur Kälber suchen ihre Schlächter selber".
Remme: Warum hat das mit Gerechtigkeit nichts zu tun?
Rogowski: Hat es mit Gerechtigkeit zu tun, dass die Schweizer in der Schweiz noch 41 bis 42 Stunden arbeiten und das mit Dreiviertelmehrheit vor einem Jahr erst wieder bestätigt haben? Gerecht ist doch das, was uns hilft, Deutschland nach vorne zu bringen. Wir wollen doch Investitionen nach Ost-Deutschland schaffen. Wir wollen Investoren finden, im Innland und im Ausland. Glauben Sie die kommen in Scharen? Die werden noch mehr gehen. Die werden genau da hingehen, wo von heute früh in diesem Interview die Rede war, nämlich in die umliegenden Länder.
Remme: Herr Rogowski, Gerechtigkeit ist auch ein Wort, das in Zusammenhang mit der Umsetzung der Agenda 2010 immer wieder zur Sprache kommt. Wir haben den SPD-Sonderparteitag gestern erlebt, auch die klare Mehrheit für Gerhard Schröder. Wie wichtig war dieser Parteitag für die deutsche Wirtschaft?
Rogowski: Ich sage mal es war eine erste Etappe auf einer Tour des Leidens, Deutschland nach vorne zu bringen. Es war ein wichtiger Etappensieg und die deutsche Wirtschaft steht voll hinter dem Programm. Wir haben nur Bange, dass es in irgendeiner Form doch noch verwässert werden könnte. Es geht jetzt wirklich darum, das in der Sommerzeit über die Bühne zu bekommen, und zwar eins zu eins, denn natürlich muss man ganz offen und ehrlich sagen: es ist eine Agenda 2003 und als solche ist sie wichtig. Sie ist aber noch lange nicht das, was ihre Überschrift eigentlich sagen will, nämlich wo will Deutschland und soll Deutschland im Jahre 2010 wieder stehen. Wir wollen doch wieder ganz vorne mit dabei sein und nicht hinterherjuckeln.
Remme: Das ganze muss jetzt durchs Parlament. Die Opposition wird sicherlich ein Wörtchen mitreden wollen. Was erwarten Sie von dieser Seite?
Rogowski: Ich erwarte von der Opposition, dass sie mitzieht, dass sie nichts zerredet, dass sie da und dort noch Verbesserungen vorschlägt oder Erweiterungen, dass sie aber vom Grundsatz ausgeht, wir wollen dieses Programm mit umsetzen und wir wollen dazu beitragen, dass in Deutschland wirklich ein Ruck passiert.
Remme: Und wann rechnen Sie mit ersten konkreten positiven Auswirkungen?
Rogowski: Das ist schwer zu sagen. Ich sage Ihnen meine Meinung, aber da mag es auch andere geben. Ich glaube wir haben einen Prozess vor uns, der dauert mindestens zwei bis drei Jahre, bis wir wirklich nennenswerte Auswirkungen von dem sehen, was hier jetzt momentan begonnen wird. Es muss noch mehr hinzu kommen. Wir haben noch lange nicht die Liberalisierung des Arbeitsmarktes, die wir dringend benötigen würden. Wir brauchen auch noch weitergehende Reformen in den Sozialversicherungssystemen und wir müssen noch einmal das Thema Steuern, aber nicht Steuererhöhungen, sondern eine grundlegende Steuerreform mit weitergehenden Steuersenkungen uns an die Brust, vor die Brust nehmen. Es gibt also eine Menge zu tun in Deutschland, aber ich glaube wenn die Bürger erkennen und auch die Unternehmer erkennen, es bewegt sich doch noch etwas in diesem Land, dann entsteht auch so etwas, was wir alle im Moment vermissen, nämlich Aufbruchstimmung.
Remme: Sie haben die Unternehmer angesprochen. Die Politik ist natürlich gefordert. Was kann die deutsche Industrie tun, um die angestrebten Reformen zum Erfolg zu führen?
Rogowski: Die deutsche Industrie kann im Grunde nur eines tun: sie kann Arbeitsplätze schaffen. Das kann sie nur, wenn sie Geld verdient. Solange 40 Prozent der Unternehmen überhaupt kein Geld verdienen oder Verluste machen, wird das nicht passieren, was wir alle erwarten. Im übrigen können die Unternehmer - und das tun sie auch - ihre Investitionen so weit vertretbar in Deutschland tätigen. Aber auch das werden sie nur tun, wenn sie das Gefühl haben, das wird von der Politik honoriert. Es werden Rahmenbedingungen geschaffen, die es ihnen erlauben, finanziell erlauben - es geht hier wirklich um finanzielle Fragen - ihren Emotionen, die durchaus für Deutschland schlagen, auch Rechnung zu tragen.
Remme: Aber die Streikenden in Ost-Deutschland - wir haben vor einer halben Stunde mit Hasso Düvel gesprochen, dem Bezirksleiter dort - er sagt: "Jawohl, der Branche geht es gut und dort, wo wir streiken, ist das, was wir wollen, auch möglich."
Rogowski: Es ist ja eine Illusion zu behaupten, der Branche gehe es gut. Es geht im Moment überhaupt keiner Branche in Deutschland wirklich gut. Es geht vielen großen Unternehmen nicht gut, es geht vielen kleinen Unternehmen nicht gut. Es geht manchen Gott sei Dank und trotz allem noch gut, aber bestimmt nicht all denjenigen, die jetzt in den Streik einbezogen werden sollen. Heute sind es die Großen, morgen ist es der Mittelstand. Wer sich vor Augen führt, wie diese Urabstimmungen zu Stande kommen, der weiß ganz genau, dass es wesentlich mehr Menschen sind, die gegen diesen Streik sind als für diesen Streik. Hier entscheiden ja nur mal 10 Prozent der betroffenen Menschen darüber, ob in der Bundesrepublik Deutschland gestreikt wird oder nicht. Das kann doch nicht wahr sein.
Remme: Herr Rogowski, ich will noch auf eine Hilfestellung, eine mögliche der Industrie zu sprechen kommen. Es geht um die Ausbildungsplätze. Auch das war ein Thema gestern beim SPD-Parteitag und es wurde eine verbindliche Erklärung der Wirtschaft gefordert, die einen Fonds zur Finanzierung der fehlenden Ausbildungsplätze einrichten soll. Kann die deutsche Industrie mit dieser Forderung leben?
Rogowski: Ich will es mal anders formulieren: Es ist richtig, dass es in Deutschland Betriebe gibt, die ausbilden könnten und nicht ausbilden. Es ist zweitens richtig, dass Ausbildung in Deutschland inzwischen viel zu teuer geworden ist. Das kann ich jetzt aus Zeitgründen nicht ausführen. Es ist drittens richtig, dass wir einen Weg finden müssen, um diejenigen, die nicht ausbilden, zur Ausbildung zu bewegen. Der Fonds könnte vielleicht eine Lösung sein. Auf jeden Fall hielte ich diese Lösung für besser als eine Ausbildungsabgabe. Die wird nämlich genau das Gegenteil dessen bewirken, was wir alle erhoffen.
Remme: Und Sie glauben, so ein Fonds ist durchsetzbar?
Rogowski: Das muss ich sehen. Ich weiß, dass von den Verantwortlichen etwas diskutiert wird, die Wirtschaft selbst in die Pflicht zu nehmen. Da kann ein Fonds eine Lösung sein. Ich kann das heute noch nicht abschließend beurteilen, ob es die Lösung ist, aber man muss es ernsthaft diskutieren.
Remme: Vielen Dank! - Das war Michael Rogowski, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie.
Link: Interview als RealAudio