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Rohstoff-Importe
Neues Gesetz soll Konfliktmineralien entschärfen

Zinn, Wolfram, Tantal oder Gold - Mineralien, die häufig aus Regionen stammen, in denen bewaffnete Konflikte, Kinderarbeit oder Ausbeutung an der Tagesordnung sind. Dazu sollen europäische Importe nicht länger beitragen. In Deutschland nimmt deshalb ein neues Gesetz Importeure in die Pflicht.

Von Andrea Hoferichter |
Kinder arbeiten auf der undatierten Aufnahme von Amnesty International in einer Kobaltmine im Kongo
Kobaltgewinnung für die Produktion von Batterien: Im Kongo arbeiten viele Kinder in Kobalt-Minen (Foto: Thomas Coombes/amnesty international/dpa)
"Wir reden schon von den schlimmsten Formen von Kinderarbeit, von wirklichen Missständen bei Gewinnung, Transport und Handel von Rohstoffen." - Matthias Baier leitet die Kontrollstelle Deksor an der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, kurz: BGR, in Hannover. Das Team kontrolliert, ob sich deutsche Rohstoffimporteure so um ihre Lieferketten kümmern, wie es ein neues Gesetz verlangt. Das Gesetz fußt auf einer EU-Verordnung von 2017 und gilt seit Januar für Unternehmen, die sogenannte Konfliktminerale importieren: Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erze oder Gold.

Risikobewertung für die gesamte Lieferkette

"Natürlich geht es hier in der ersten Linie um die Metallindustrie und um die Elektroindustrie und um Hütten und Schmelzen, die direkt nach Deutschland importieren." Betroffene Importeure müssen ein Managementsystem etabliert haben, mit dem sich die Rohstoffe zurückverfolgen lassen. Sie sind außerdem verpflichtet, die Lieferkette jedes Jahr von unabhängigen Prüfern in Audits bewerten zu lassen, ihre Lieferkettenpolitik sowie mögliche Missstände zu veröffentlichen und sich um Verbesserungen zu bemühen.
"Hier geht es in erster Linie darum, dass Lieferanten geschult und trainiert werden, dass man Akteure und Behörden vor Ort konsultiert. Also man kann sich durchaus mit den entsprechenden Behörden und Verantwortlichen auch in einem Konfliktland auseinandersetzen, entsprechende Warnhinweise ernst nehmen, entsprechend Probleme publizieren und somit darauf hinwirken, dass sich erkannte Risiken dann auch reduzieren und Menschenrechtsverletzungen eben nicht mehr stattfinden."
Die BGR-Fachleute kennen die Lage in vielen Regionen. Seit über zehn Jahren unterstützen sie Minenbetreiber und Behörden in Zentralafrika dabei, Arbeitsbedingungen zu verbessern und Strukturen für Zertifizierungen aufzubauen. Außerdem sammeln sie minenspezifische, geochemische Fingerabdrücke von Erzproben. Damit können die afrikanischen Partner künftig stichprobenartig die Handelswege von Rohstoffen nachverfolgen: "Das geht von der Mine, von den artisanalen Bergleuten, über unzählige Händler. Und da ist eben auch das große Risiko der Konfliktfinanzierung."

Kontrollsystem für saubere Herkunft von Mineralien

Die geochemischen Fingerabdrücke aus aktuell etwa 570 Minen könnten bei Kontrollen im Rahmen des neuen Gesetzes aber höchstens punktuell helfen, sagt Matthias Baier. Gefragt seien universell einsetzbare Methoden, zumal die EU-Verordnung für Konflikt- und Hochrisikogebiete weltweit gelte:
"Deshalb wurden ja auch diese Systeme etabliert teilweise, die das Erz verschließen und dann auf dem Weitertransport – da gibt es mittlerweile auch sehr moderne Methoden, computer-, handy-, scanner-gesteuert – so verfolgen, dass man eben möglichst ausschließt, dass sich hier nebenbei Gruppen bereichern können oder illegales Material beimischen können."
Als Vorbilder für freiwilliges, verantwortliches Handeln gelten etwa der Handyhersteller Fairphone und Initiativen wie "iTSCi" für Zinn oder Fairmined für Gold. Eine Pflicht, die Handelswege von Rohstoffen zu veröffentlichen, gilt seit 2010 durch den Dodd-Frank Act in den USA, allerdings nur für dort börsennotierte Unternehmen, deren Produkte Konfliktminerale aus dem Kongo oder dessen Nachbarstaaten enthalten.

Erste Kontrollen sind für 2022 geplant

Für das neue deutsche Gesetz wird das Deksor-Team erstmals 2022 Audits einfordern und prüfen, gegebenenfalls auch vor Ort. Bei Verstößen kann die Behörde ein Zwangsgeld verhängen: maximal 50000 Euro und so oft, bis das Unternehmen die Anforderungen erfüllt. Dass die Summe eher klein erscheint, räumt auch Matthias Baier ein: "Wenn bekannt wird, dass ein Unternehmen massiv dafür verantwortlich ist, dass Menschenrechte verletzt werden, dann ist vermutlich der wirtschaftliche Schaden aufgrund des Reputationsverlustes wesentlich größer als die Zwangsgelder, die von uns zu befürchten sind."
Allerdings darf die Kontrollbehörde die Namen der geprüften Unternehmen nicht preisgeben. Nichtregierungsorganisationen kritisieren das und auch, dass das Gesetz nur für Unternehmen mit größeren Importmengen gilt sowie ausschließlich für Rohstoffimporteure. Händler, die etwa Smartphones oder Computer mit Konfliktmineralen importieren, sind ausgenommen. Ein weiteres Manko: Kritische Metalle wie Kobalt, das zunehmend für Akkus in E-Autos gebraucht wird, spielen in der zugrunde liegenden EU-Verordnung bisher keine Rolle.
"Kobalt ist eigentlich ein typisches Konfliktmineral, wenn man überlegt, dass auch 20 Prozent aus dem Kleinbergbau kommen, dass Kinderarbeit mit Kobaltabbau verbunden wird, dass die Arbeitsbedingungen nicht immer ideal sind. Ich glaube auch, dass die EU-Verordnung, die 2023 evaluiert wird, durchaus das Potenzial hat, dann Kobalt mit aufzunehmen. Das ist aber letztendlich eine politische Entscheidung."