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Rohstoffpartnerschaft lässt auf sich Warten

Zwischen Deutschland und der Mongolei herrscht ein reger kultureller Austausch. Deutsche Unternehmen aber engagieren sich kaum in der Mongolei. Eine Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen erhoffen sich nun beide Seiten vom Besuch der Bundeskanzlerin in der Mongolei.

Von Nicole Graaf | 08.10.2011
    Auf den mit Schlaglöchern übersäten Straßen von Ulan Bator stauen sich die Autos. Nagelneue Landcruiser und Limousinen blitzen in der Herbstsonne. Es herrscht Aufbruchsstimmung: Im Zentrum der Millionenstadt schießen schicke neue Wohn- und Bürotürme wie Pilze aus dem Boden. Dazwischen wirken die sozialistischen Plattenbauten wie in der Zeit stecken geblieben. Einst war die Mongolei ein Satellitenstaat der Sowjetunion. 1991 dann kam die demokratische Wende und wie in vielen sozialistischen Ländern erstmal der wirtschaftliche Zusammenbruch. Doch mittlerweile boomt die Wirtschaft. Das liegt vor allem am Rohstoffreichtum des Landes.

    Eine Goldmine im Norden der Mongolei. In einer großen blauen Halle, die deutlich aus dem gelblich braunen Grasland heraus sticht, wird das Erz gemahlen und dann das Gold extrahiert.

    In der Mongolei schlummern riesige Vorkommen an Gold, Kupfer und Steinkohle bislang weitgehend ungenutzt unter der Erde. Seit die Rohstoffpreise auf den Weltmärkten immer weiter gestiegen sind, ist die Mongolei als Rohstofflieferant ins Blickfeld der Industrieländer gerückt. Internationale Bergbau-Investoren stehen mittlerweile Schlange um die begehrten Lizenzen.
    Und auch im Bausektor mischen zahlreiche internationale Firmen mit.

    Auch für deutsche Unternehmen bietet dies Chancen, meint Philipp Marxen. Der deutsche Ökonom arbeitet für den Investment-Fond einer mongolischen Bank und beobachtet die Entwicklung des Landes seit einigen Jahren.

    Viel der heute noch vorhandenen Infrastruktur stammt noch aus sowjetischer Zeit. All dies muss erneuert werden innerhalb der nächsten 10-15 Jahre und gerade im Kraftwerksbereich, auch im Straßenbau eröffnen sich sehr große Chancen für deutsche Firmen. Die Mongolen sind dem deutschen Know-how gegenüber sehr positiv eingestellt.

    Möglichkeiten, die bislang weitgehend ungenutzt bleiben: In den vergangenen Jahren haben sich nur ein paar Mittelständlern angesiedelt. Die Deutschen zögern. Und das, obwohl bereits seit vielen Jahrzehnten enge Beziehungen zur Mongolei bestehen. Zu DDR-Zeiten studierten jährlich rund 2500 junge Mongolen in dem so genannten Bruderland. Und auch nach der demokratischen Wende beider Länder bestand der Austausch weiter. Heute sprechen rund 30.000 Mongolen Deutsch; und das bei einer Gesamtbevölkerung von weniger als drei Millionen.

    Viele der Rückkehrer aus Deutschland sitzen heute in guten Positionen in Politik und Wirtschaft.
    So wäre es für deutsche Unternehmer eigentlich bereits in den 1990er-Jahren ein Leichtes gewesen, in der Mongolei Fuß zu fassen, meint Stefan Hanselmann von der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GIZ in der Mongolei:

    "Ich glaube, man hat hier, aus welchen Gründen auch immer, ein Jahrzehnt verschenkt. Die außergewöhnlich engen und guten Beziehungen hätten eigentlich nahegelegt, dass man eines der ersten Länder ist, das bilateral die Wirtschaftsbeziehungen entwickelt. Zur allgemeinen Überraschung ist dann in den 90ern eigentlich gar nichts passiert. Fakt ist eben, dass andere Länder die Chance ergriffen haben und die Lücke, das Vakuum gefüllt haben."

    Seit die Weltmarktpreise für Rohstoffe immer mehr in die Höhe schnellen, sei aber auch die deutsche Industrie aufgewacht.

    "Durch die China Exportbeschränkungen, die China letztes Jahr zum Thema "Seltene Erden" erlassen hatte, ist nun plötzlich bewusst geworden, wie wichtig Rohstoffe sind und dass ein Hochtechnologieland wie Deutschland ohne Rohstoffe nicht leben kann."

    Seit letztem Jahr immerhin verhandelt die deutsche Bundesregierung über eine Rohstoffpartnerschaft mit der Mongolei. Doch andere Länder drohen Deutschland da längst den Rang abzulaufen. Die Mongolei kann sich Ihre Partner mittlerweile auswählen.
    "Jetzt ist es natürlich ein bisschen schwieriger, da noch mitzuspielen, weil die Positionen doch schon sehr stark besetzt wurden durch andere Länder: Australien, Kanada, China, aber eben auch solche Länder wie Japan und Korea, die hier ihren Rohstoffbedarf decken wollen."

    Die Mongolen wollen vor allem eins von den Deutschen: endlich Taten sehen.

    "Bei jedem Treffen von Delegationen und Ministern beteuert man sich gegenseitige Treue und wie gern man zusammen arbeiten würde, aber es kommt halt von deutscher Seite nichts. Es kommt kein Investment, es kommen keine großen Firmen, es kommt eben nicht das, was die Mongolei braucht. Und in sofern sagt man sich zwar: Ja, Deutschland ist toll und wir lieben Deutschland, aber nun macht doch mal was!"

    Mit dem Besuch der Bundeskanzlerin könnte nun endlich etwas passieren: Derzeit wird über die Ausbeutung des größten, bisher unerschlossenen Steinkohlevorkommens weltweit verhandelt: Tavan Tolgoi im Süden der Wüste Gobi. Es gehört einem staatlichen Bergbauunternehmen. Doch die Lizenzen für die Förderung sollen an internationale Investoren vergeben werden.

    Für einen Teil von Tavan Tolgoi steht nun mit BBM-Operta und Macmahon ein deutsch-australisches Joint-Venture im Gespräch: BBM-Operta setzt sich zusammen aus Schwergewichten der deutschen Wirtschaft wie Thyssen-Krupp, Siemens, RWE und der KFW-Bank. Noch ist die Vergabe zwar nicht endgültig beschlossen, denn Verhandlungen über ein solches Großprojekt gestalten sich in der Mongolei stets langwierig. Viele verschiedene Interessen müssen berücksichtigt werden - nicht zuletzt die der beiden mächtigen Nachbarn China und Russland.

    Der stellvertretende deutsche Botschafter in Ulan Bator, Klaus Wendelberger, gibt sich jedoch optimistisch. Er meint, dass der Besuch von Angela Merkel ein wenig Motivation für alle Beteiligten bringen könnte, dem Abkommen zuzustimmen:

    "Natürlich ist die Unterzeichnung eines Vertrags in Anwesenheit beider Regierungschefs ein besonderer Anreiz, doch hier sich mehr bisschen mehr zu bewegen als ohne dieses Rampenlicht
    Insoweit meinen wir doch, dass die Chancen gut stehen."

    Allerdings hat nicht nur die deutsche Seite ein Interesse daran, den Deal zu Tavan Tolgoi möglichst bald unter Dach und Fach zu bringen. Die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich sorgt in der Mongolei für Spannungen. Die einfachen Mongolen sehen, wie viel Geld durch die ausländischen Bergbau-Investitionen ins Land kommt. Und sie wollen endlich davon profitieren. Daher steht auch die mongolische Regierung unter Zugzwang, meint der Wirtschaftsexperte Philipp Marxen.

    "Man blickt auf die Wahlen im Jahr 2012. Vor den letzten Wahlen haben die beiden großen Parteien den Wählern Barauszahlungen versprochen. Das heißt, es ist ein hoher Erfolgsdruck da, dass die Politik vor den Wahlen Tavan Tolgoi noch an die Börse bringt und zum Teil veräußert und mit diesen Veräußerungsgewinnen, dass dadurch jeder Mongole eben einige Anteile erhält."