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Rohstoffstreit in der Mongolei
Eine Gesellschaft von Milliardären und Bettler

Die Mongolei ist eines der rohstoffreichsten Länder der Erde. Jetzt wird gestritten, wie dieser Schatz geborgen werden soll. Dabei könnte das Land die Einnahmen und Investitionen gut gebrauchen. Rund 40 Prozent der Mongolen leben nach offiziellen Zahlen unter der Armutsgrenze. In dem riesigen Binnenland fehlt es vor allem an Infrastruktur.

Von Ana Radic | 28.02.2015
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    Mongolei: Jurte in der Steppe (picture alliance / Klaus Rose)
    Mit seinem Pferd steht Naran Munkhbayar in einem Meer aus Schafen, Rindern und Ziegen. Um ihn herum breitet sich die mongolische Steppe aus. Zwischen dem endlos wirkenden Grasland und dem blauen Himmel weht ein ständiger Wind. Drei weiße Nomadenjurten ragen wie Pilze aus der grünen Weite. Das mobile Zuhause von Naran und seiner Frau. Die beiden sind Nomaden. So wie etwa ein Drittel der Mongolen. Vier Mal im Jahr ziehen sie mit ihrer Herde weiter. Immer auf der Suche nach neuen, nahrhaften Weideflächen. Doch diese Suche ist schwieriger geworden.
    "Früher sind wir mit anderen Teilen der Familie zusammen herumgezogen. Aber das geht nicht mehr. Wir haben alleine 200 Schafe. Unsere Verwandten haben auch so viele Schafe. Aber bei 400 Schafen wäre das Land hier sehr schnell abgegrast."
    Naran Munkhbayar zieht seinen traditionellen Nomadenmantel mit dem orangenen Nierengurt etwas enger und setzt mit einem kurzen Flüstern sein Pferd in Bewegung. Die Tiere müssen für die Nacht zusammengetrieben werden. Der Boden unter den Hufen ist sandig. In der Ferne ragen die ersten Dünen auf. Das Steppenland wird immer trockener. Seit Ende der 90er Jahre sind 30 Prozent der Flüsse und Seen ausgetrocknet. Geologen machen dafür vor allem den Bergbau verantwortlich. In den letzten fünfzehn Jahren wurden in dem zentralasiatischen Land riesige Kupfer- Gold- und Kohlevorkommen entdeckt. Sie zu fördern kostet vor allem Wasser. In den trockenen Gegenden ein kostbares Gut. Uyanga Tsogtsaikhan beobachtet die Entwicklungen für die Friedrich-Ebert-Stiftung.
    "Wir haben uns alle gefreut, dass unter der Erde ein großer Reichtum existiert. Aber ich kann von vielen Hirten hören, dass die Gräser nicht mehr so wachsen wie früher. Es gibt nicht genug Weiden und das ist auch wegen der Verwüstung. Deswegen: Wie bei der venezianischen Maske. Eine lächelt und die andere nicht. So habe ich das betrachtet."
    Dämpfer für die mongolische Wirtschaft
    Die Belastungen für die Umwelt sind längst nicht das einzige Problem. In dem extrem dünn besiedelten Land fehlt es an Know-how und Technik, um die Rohstoffe zu fördern. Die Mongolei ist auf ausländische Firmen angewiesen. In der Hauptstadt Ulan Bator überragt ein Turm aus Stahl und Glas das Abgeordnetenhaus. In dem höchsten Gebäude des Landes sitzt Rio Tinto, ein multinationaler Bergbaukonzern. In seiner Hand liegt Oyu Tolgoi - das größte Bergbauprojekt des Landes. Der internationale Währungsfond hat ausgerechnet, dass bei voller Produktion allein mit dieser Mine ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet werden könnte. Doch der Ausbau des Gemeinschaftsprojekts von Rio Tinto und der Regierung stockt. Seit Monaten streiten sie über die Erweiterung des Bergwerks, über Steuern und die Finanzierung. Immer wieder haben Parlamentarier vor dem Ausverkauf des Landes gewarnt. Denn in der Mongolei leben auf der vierfachen Fläche Deutschlands nur etwa so viele Menschen wie in Berlin.
    "Auch weil wir so wenige sind, schaffen wir es einfach nicht, auf der großen Fläche der Mongolei überall ein Auge drauf zu haben, was wo passiert.“
    Im Mai 2012 verabschiedete das Parlament deshalb ein neues Investitionsgesetz, mit dem es die Rechte ausländische Geldgeber einschränkte. Später wurde das Gesetz zwar wieder entschärft, aber die Investoren waren trotzdem verprellt. Die Wirtschaft, die zuerst sehr plötzlich beeindruckend zu wachen angefangen hatte, schrumpfte von einem Rekordniveau von 17,5 Prozent im Jahr 2011 auf sieben Prozent. Die mongolische Währung legte eine ähnliche Achterbahnfahrt hin. Mittlerweile sind auch die Rohstoffpreise gesunken. Ein weiterer Dämpfer für die mongolische Wirtschaft. Der Schriftsteller und Umweltschützer Galsan Tschinag bemängelt vor allem, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander gegangen ist.
    "Wir Mongolen haben so einen Fortschritt gemacht in den letzten 25 Jahren. Aber wer ist glücklicher geworden? Sehr wenige vermutlich. Die Mongolei ist mittlerweile eine Gesellschaft von Milliardären und Bettlern. Die Gesellschaft ist auseinandergefallen.“
    Man muss etwas gegen die Dürre tun
    In einem Café in Ulan Bator schlürft der 70-Jährige seinen Kakao. Kaum jemand hat das Bild der Mongolei in Deutschland so geprägt wie er. Zu Sowjetzeiten war der Germanist ein engagierter Kritiker des Systems. Heute hat er sich dem Umweltschutz verschrieben. Sein Ziel: "Eine Million Bäume in der Mongolei pflanzen. Die Hälfte haben wir davon jetzt. In den Jahren nach der Wende haben wir zwei Mal keinen Sommer gehabt. Es gab großes Viehsterben. Das letzte Mal passierte das vor fünf Jahren. Da haben wir in einem zehn Millionen Stück Vieh verloren. Ich habe gesehen, das kommt von der Dürre und man muss etwas gegen die Dürre tun."
    Doch die einzige Demokratie Zentralasiens will auch etwas gegen die Armut und die schlechte Infrastruktur tun. In dem riesigen Binnenland gibt es nur wenige ausgebaute Straßen. Die Wirtschaft aber hängt vom Export der Rohstoffe ab.
    300 Kilometer westlich von Ulan Bator melkt Narans Frau Uurtsaikh mit routinierten Handbewegungen ihre Rinder und Ziegen. Um den Rohstoffstreit zu lösen, hat der neue Premier Saikhanbileg Leute wie sie gefragt. Per SMS durften die Mongolen abstimmen. Sie hatten vier Tage Zeit und die Wahl zwischen der Fortsetzung der Bergbauprojekte oder einem Sparprogramm. Das Ergebnis des SMS-Referendums: 56 Prozent stimmten für die weitere Erschließung der Ressourcen durch internationale Großkonzerne. Das wurde als Grünes Licht interpretiert. Beteiligt hatten sich allerdings nur zehn Prozent der Bevölkerung. Kein Wunder: Viele Nomaden wie Uurtsaikh und Naran haben meistens gar keinen Handyempfang. Und was die Regierung mit dem Ergebnis macht, bleibt abzuwarten.