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Rollende Wärmflasche

Technik. - Der Beruf des Wärme-Spediteurs hat Zukunft, waren die Forscher des bayrischen Zentrums für Angewandte Energieforschung in Garching 2006 überzeugt. Denn Wirtschaftlichkeitsanalysen hatten damals ergeben, dass es sich unter bestimmten Umständen rechnen könnte, die Abwärme von Fabriken und Müllverbrennungsanlagen in rollenden Wärmflaschen durch die Gegend zu kutschieren.

Von Ralf Krauter | 14.04.2009
    Das Konzept klang gut: Frachtcontainer auf der Pritsche eines LKW transportieren industrielle Abwärme dorthin, wo sie gebraucht wird. Und zwar mit jeder Fuhre das Äquivalent von 400 Litern Heizöl. Die Wärmequelle, das war in Grevenbroich die 230 Grad heiße Abluft einer Aluminiumfolien-Produktion. Als Ziel der Thermo-Container hatte man eine Lagerhalle am anderen Ende des Firmengeländes im Visier, die warm und trocken bleiben muss. 2007 sollten die rollenden Wärmflaschen erstmals unterwegs sein. Doch daraus wurde nichts.

    "Die Container sind nicht gerollt, weil da ein Haufen Probleme aufgetaucht sind in der Konstruktion des Containers."

    Andreas Hauer vom bayrischen Zentrum für angewandte Energieforschung ZAE in Garching, war der Leiter des damaligen Projektes. An die tolle Idee vom Wärmetransport per Container glaubt er noch immer. Doch ihre Umsetzung sei kniffliger als gedacht, sagt er.

    "Wenn man jetzt wie ich als Physiker sich so einen Prozess überlegt, das vermisst im Labor und sich dann irgendwas ausrechnet, dann ist das eine Geschichte. Und der nächste Schritt ist ein sehr großer. Das Labor zu verlassen, bringt unglaublich viele Probleme mit sich, die man vorher nicht kennt. Das haben wir alles erlebt."

    15 Tonnen eines porösen Minerals namens Zeolith sollten die Container enthalten. Kleine weiße Kügelchen, die – wenn man sie Hand nimmt und anhaucht – extrem heiß werden, weil sich Wasser in ihren Poren einlagert. Dabei wird Bindungsenergie frei. Zum Aufladen des Speichers wird das Zeolith mit heißer Luft von der Wärmequelle getrocknet. Der Transport der getrockneten Schüttung erfolgt dann ohne jeden Verlust von Wärmeenergie.

    Am Zielort wird feuchte Luft durch den Container geblasen: Die Zeolith-Kügelchen saugen das Wasser auf, erhitzen sich und geben die gespeicherte Energie wieder frei – in Form heißer Luft, die Gebäude beheizen oder industrielle Trocknungsprozesse antreiben kann. Das Problem dabei: Weil beim Entladen des Wärmespeichers Temperaturen von über 200 Grad auftreten, dehnt sich die Metallbox stark aus – mit fatalen Folgen für ihr Innenleben.

    "Jetzt habe ich da eine Schüttung von 15 Tonnen Zeolith, die ich so verteilen muss, dass ich auch noch Luft durch blasen kann. Und das Ganze dehnt sich jetzt aus. Dann sinkt so eine Schüttung. Die Pellets sind irgendwie zwei bis vier Millimeter groß. Das sinkt dann einfach zusammen. Und wenn sich das Ganze wieder zusammen zieht, dann zermalmt das also langsam meine Kügelchen."

    Ein Problem, dass die Garchinger Forscher auf dem linken Fuß erwischte.

    "Man kann natürlich sagen: Hätten wir wissen müssen. Aber: Ich kann ja nicht ein Projekt vordenken und dann beantragen. Dann habe ich’s ja schon gemacht. Es ist wirklich so: Man läuft rein – und sieht die Sachen dann. Und dann muss man sie lösen."

    Mittlerweile hat Andreas Hauer das getan. Seine Antwort lautet: Man müsste statt einer simplen Zeolith-Schüttung im Container eine zylindrische Speicherstruktur bauen, in der die Luft vom Zentrum nach außen durch eine 80 Zentimeter dicke Zeolithschicht strömt. Dadurch kämen das Granulat nicht so stark in die Mangel und bliebe dauerhaft intakt.

    "Das hat mal eineinhalb Jahre gedauert, die eigentlich in dem Projekt gar nicht so geplant waren – und hat die Kosten des Containers deutlich erhöht."

    Auf schätzungsweise 150.000 Euro. Mit den verbliebenen Projektgeldern hätte man zwar gerade noch einen ersten Demonstrationscontainer bauen können. Für die Feldversuche in Grevenbroich hätte das Geld dann aber nicht mehr gereicht. Was also tun? Die ZAE-Forscher nahmen sich ihre drei Jahre alten Wirtschaftlichkeitsanalysen nochmal vor.

    "Und das Interessante ist: Wir sind jetzt an einer Stelle, wo es sich immer noch lohnt, das zu tun. Obwohl der Container viel teurer geworden ist. Aber es sind natürlich die Ölpreise gestiegen. Die Sache ist nach wie vor interessant und wird jetzt in einem Folgevorhaben umgesetzt, also jetzt wirklich gebaut."

    Allerdings erfolgt der erste Einsatz nun wohl nicht in Grevenbroich, sondern in der Nähe von Hamm, wo die Abwärme einer Müllverbrennung in einen industriellen Trocknungsprozess fließen soll. Wenn das Projekt bewilligt wird und alles glatt geht, sagt Andreas Hauer, könnten 2011 die ersten Zeolith-Container rollen.

    Weblinks:

    http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/482396/

    http://www.nzz.ch/2006/06/14/ft/articleE552S.html

    http://www.zae-bayern.de/deutsch/abteilung-1/