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Rom
Drohender Verkauf mehrerer Museumsgebäude

Ein Kongresszentrum kann nicht fertiggestellt werden, weil die Gelder fehlen. Jetzt möchte der öffentliche Träger dafür mehrere Museen verkaufen - die Exponate würden dann in Magazinen verschwinden.

Von Thomas Migge | 21.02.2015
    Eine riesige Baustelle. Ein gigantischer rechteckiger Kasten. Darin soll ein ovales Etwas, einer Wolke ähnlich, schweben. Diese stählerne Wolke, die fast unsichtbar an der Decke befestigt sein wird, soll ein Kongresszentrum für 1500 Personen werden. Ein genialer Entwurf des römischen Stararchitekten Massimiliano Fuksas. Schon vor fünf Jahren sollte die "Nuvola", die Wolke, so auch ihr offizieller Name, eingeweiht werden, klagt Massimiliano Fuksas:
    "Das Datum wurde permanent verschoben: von 2010, auf 2011, 12, 13 und so weiter. Die Fertigstellung? Mindestens drei, vier weitere Jahre."
    Dem Bauherrn fehlen zur Fertigstellung 130 Millionen Euro. Und deshalb will er eigenen Immobilienbesitz abstoßen, um an das nötige Geld zu kommen. Deshalb sollen, so verkündete er vor zwei Tagen, bedeutende Bauwerke auf den Immobilienmarkt kommen. Bauwerke aus den späten 1930 und -40 Jahren.
    All das wäre kein Thema für eine Kultursendung, wenn der Bauherr der Wolke von Fuksas kein öffentlicher Träger wäre und nicht ganz besondere Immobilien abstoßen will. Die Gesellschaft EUR SPA wird zu 90 Prozent vom italienischen Finanzministerium und zu zehn Prozent von der Stadt Rom kontrolliert. Zu ihr gehören auch die monumentalen Gebäude, die das Staatsarchiv, das Museum für Völkerkunde, mit der wichtigsten frühgeschichtlich-ethnologischen Sammlung ganz Italiens, mit Objekten von allen Erdteilen, für italienische Volkskunde, mit mehr als 200.000 Ausstellungsstücken aus zehn Jahrhunderten Landesgeschichte und für mittelalterliche Geschichte beherbergen, dem einzigen Museum Italiens, das den Zeitraum zwischen dem 4. und 10. Jahrhundert thematisiert. Vor allem die spätantiken Ausstellungsstücke, darunter Schmuck und Stoffe, gehören zu den bedeutendsten jener Epoche. Ausgerechnet die Gebäude dieser Kultureinrichtungen sollen jetzt verkauft werden. Mögliche Interessenten sind Banken und Versicherungsgesellschaften. Italiens Kulturminister Dario Franceschini ist außer sich:
    "Klar, dass wir zum finanziellen Wohl unseres Landes unsere Kulturdenkmäler und Museen wirtschaftlich nutzen sollen, aber doch nicht so, durch den Verkauf von Museen! Das kann doch nicht wahr sein!"
    Während der Kulturminister sagt, dass der öffentliche Träger EUR Spa die Gebäude des Staatsarchivs und der Museen nicht veräußern darf, um das futuristische Kongresszentrum endlich fertig stellen zu können, sehen die Eigentümer der Gebäude das ganz anders. Obwohl sie vor allem vom Finanzministerium kontrolliert werden, verfügen sie über eine gewisse finanzpolitische Autonomie. Und die gestattet es ihnen, wenn nötig, eigene Immobilien zu verkaufen. So ging bereits vor einigen Tagen die Nachricht durch die internationale presse, dass die EUR Spa das sogenannte quadratische Kolosseum verkaufen will. Eines der architektonischen Symbole des modernen Rom, erklärt der ehemalige römische Kulturassessor Umberto Croppi:
    "Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass dieses Bauwerk aus den 1940er-Jahren, eine Art Mega-Würfel mit 216 Rundbögen auf sechs Stockwerken, ebenso wenig verkauft werden sollte wie das antike Kolosseum, denn beide sind nationale Baudenkmäler, die zur Stadt gehören."
    Im Fall des quadratischen Kolosseums hat sich schon das römische Modehaus Fendi als möglicher Käufer angemeldet. Die 16.000 Quadratmeter dieses imposanten Bauwerks wären ein idealer Showroom.
    Jetzt wird fieberhaft nach einer Möglichkeit gesucht, um die drohende Schließung der drei Museen zu verhindern. Der Verkauf der Museumsgebäude würde bedeuten, dass die Sammlungen in Kisten verpackt bis auf Weiteres in Magazinen verschwinden würden. Dagegen protestieren Historiker und Kulturpolitiker - wohl wissend, dass die verschuldete Stadt Rom keine Finanzmittel besitzt, um neue museale Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen.
    Eine Lösung des Problems könnte aus dem italienischen Finanzministerium kommen: Mit über 100 Milliarden Euro verfügt es über das größte Budget der Regierung. Und: Es ist Hauptbeteiligter am öffentlichen Träger EUR Spa. Finanzminister Pier Carlo Padoan könnte die 130 Millionen Euro zur Fertigstellung des neuen Kongresszentrum locker machen – und so die drohende Schließung der Museen verhindern.