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Rostende Röhren in Russland

Tausende Kilometer Öl- und Gaspipelines ziehen sich durch Russland. Konzerne machen Millionengewinne, oft allerdings zulasten der Natur. Denn viele Röhren sind alt und marode, Unfälle und Lecks kommen dauernd vor.

Von Gesine Dornblüth | 20.08.2013
    Im Gebiet Wladimir wenige Stunden von Moskau entfernt ist eine Ölpipeline geplatzt. Etwa 50 Tonnen Rohöl sind ausgelaufen. Die Reporterin eines regionalen Fernsehsenders steht im verschneiten Wald. 170 Arbeiter seien seit den frühen Morgenstunden im Einsatz, berichtet sie, schon bald werde das Erdreich gereinigt sein.

    Das Unglück passierte im vergangenen Winter, aber derartige Unfälle geschehen in Russland oft: Rund 15.000 Mal im Jahr, schätzt Iwan Blokov, Direktor von Greenpeace Russland.

    "Im europäischen Teil Russlands werden die Lecks schnell repariert und die Schäden schnell behoben. Aber sobald wir nach Norden oder in den Osten fahren, wo wenig Menschen leben, beginnen die Probleme."

    Die Probleme bestehen zunächst mal darin, dass in den russischen Weiten oft niemand etwas von den lecken Röhren mitbekommt. Die Unternehmen können Umweltkatastrophen daher leicht vertuschen. Und selbst, wenn die Behörden von einem Unfall erfahren, ist es für die Inspekteure angesichts knapper Kassen oft zu aufwendig, dort hinzureisen und das Ausmaß der Katastrophe selbst zu beurteilen. Ivan Blokov spricht von Hunderttausenden Hektar verseuchter Flächen in Russland.

    "Fast alle Lecks in Russland passieren, weil die Röhren alt sind. Pipelines sind in Russland im Schnitt 32 bis 34 Jahre in Betrieb. Normalerweise sollte man sie aber nur 10, 12, 15, höchstens 20 Jahre betreiben."

    Das Ölgeschäft liegt in Russland meist in der Hand von Großkonzernen. Die Branche ist mittlerweile international, oft sind ausländische Unternehmen beteiligt. Doch die verhielten sich auch nicht besser als die russischen, meint Blokov von Greenpeace.

    "Ausländische Firmen bemühen sich vielleicht anfangs, verantwortungsvoll zu handeln. Aber nach zwei bis drei Jahren lässt das nach. Wenn überhaupt, sticht der russische Konzern Rosneft heraus. Denn er vertuscht die Anzahl der Lecks nicht, sondern steht dazu, dass viele Unfälle an russischen Pipelines auf sein Konto gehen. Allerdings unternimmt Rosneft auch nichts dagegen."

    Dass es auch anders geht, beweist das Unternehmen Wolgodeminoil, ein deutsch-russisches Joint Venture bei Wolgograd. Chefingenieur Boris Kostin zeigt eine vor wenigen Monaten in Betrieb genommene Pumpstation.

    "Die Gas- und Ölpipelines hier sind zu 99 Prozent aus glasfaserverstärktem Kunststoff und reagieren nicht auf die gefährlichen Stoffe, die bei der Förderung und beim Transport von Öl und Gas entstehen: Auf salzhaltiges Wasser, das zu Korrosion führen kann, auf Kohlenwasserstoff-Komponenten oder aggressives Gas. Wenn wir einfache Metallröhren verlegt hätten, wäre das gefährlicher gewesen. Dieses Material hat eine Garantie von mindestens 40 Jahren."

    An dem Joint Venture ist auch der russische Ölriese Lukoil beteiligt, der anderswo schon diverse Ölverschmutzungen verursacht hat. Kostin glaubt, es werde noch lange dauern, bis die Ölunternehmen in ganz Russland ihrer Verantwortung für die Umwelt gerecht werden.

    "Das wird erst dann passieren, wenn die Leute ein Gewissen entwickeln. Und wenn die Regierung härter durchgreift. Sie sollte einen Schlusspunkt setzen und sagen: Leute, so geht es nicht weiter. Hört auf, Gewinne anzuhäufen, Geld zu sparen. Geld muss arbeiten. In unserem Haus muss es sauber, hell, trocken, warm und gemütlich sein."

    Ivan Blokov von Greenpeace Russland geht noch weiter.

    "Es gibt da eine hervorragende, ganz einfache Methode: Solange ein Ölunternehmen gegen Gesetze verstößt, solange seine Pipelines lecken, sollten die Aktionäre keine Rendite bekommen. Das wird sehr schnell wirken. Und zweitens müssen die Gesetze geändert werden. Wer Ölunfälle geheim hält, muss hart bestraft werden. Nicht für den Unfall, denn Unfälle passieren. Sondern für das Vertuschen."