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Rot-grüne NRW-Koalition ist ein 'ständiger Krampf'

Probst: Am Telefon ist Friedhelm Farthmann von der SPD. Er war lange Jahre Fraktionsvorsitzender im Düsseldorfer Landtag und auch Landesminister. Guten Tag, Herr Farthmann. An Sie kurz die Frage: Ist die Koalition aus Ihrer Sicht noch zu retten, oder sollte Herr Steinbrück die Brocken hinwerfen und eine andere Koalition suchen?

    Farthmann: Das kann ich nicht beurteilen. Das habe ich ja auch nicht mehr zu beurteilen, weil ich in keinem Parteigremium mehr aktiv tätig bin.

    Probst: Sie haben aber eine Sicht der Dinge?

    Farthmann: Ja, eine Sicht habe ich schon. Sie drängt sich in der Tat auf, wenn man die Vergangenheit dieser Koalition betrachtet: Über die ganzen Jahre hin ist es ja ständig ein Hängen und Würgen gewesen. Das ist ja keine Koalition, von der Zuversicht ausgeht. Ich muss auch sagen, ich wundere mich eigentlich darüber, dass immer gefragt wird: Wo sind denn die Anlässe dafür? Der Anlass muss doch sein, dass eine Koalition Erfolg haben will und Erfolg ausstrahlt. Davon ist nun wirklich keine Rede. Bei jedem neuen Anlass kommen ja immer wieder die alten Themen hoch. Es gibt eben im Grunde von Anfang an in dieser Koalition diametrale Gegensätze auf wichtigen landespolitischen Sektoren, insbesondere auf denen der Verkehrspolitik und der Energiepolitik. Auch jetzt dieser relativ belanglose Streit um dieses Gaskraftwerk ist letzten Endes wieder ein Nadelstich im Hinblick auf Garzweiler.

    Probst: Mehrheitsmäßig betrachtet wäre die Alternative ja einfach: Die FPD steht bereit, sie bietet sich an, Mehrheiten wären da. Bei den Stichworten, die Sie eben genannt haben, beispielsweise Verkehrspolitik und so weiter, wären auch ausreichend oder jedenfalls mehr Gemeinsamkeiten vorhanden als mit den Grünen, nicht wahr?

    Farthmann: Die Schwierigkeit bei der FDP ist ja auch, dass sie sich erst einmal völlig neu finden muss. Man weiß eigentlich gar nicht, wofür die FDP steht, nachdem ihr Vormann, Möllemann, ja abhanden gekommen ist. Insofern ist es schon mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren behaftet. Ob das die ideale Lösung ist, weiß ich auch nicht. Wenn man sich aber überlegt, dass zu den Wahlen hin der Kampf der jetzigen Koalitionsparteien immer verbissener und immer hektischer werden könnte, muss man eigentlich zu dem Ergebnis kommen: Hört auf und stellt euch so dar vor dem Wähler, wie ihr euch darstellen könnt und nicht in einem ewigen Hickhack miteinander.

    Probst: Mit Blick auf die Wahlen, die Sie schon kurz erwähnt haben, wäre es natürlich von Herrn Steinbrück auch ein geschickter taktischer Schachzug, denn dann hätte er sozusagen der größten Opposition, der CDU, den natürlichen Koalitionspartner weggenommen.

    Farthmann: Das ist sehr taktisch gedacht. Ich glaube aber, viel wichtiger für den Ministerpräsidenten ist - ich könnte mir denken, dass das auch für ihn entscheidendere Motive sind -, wie er sich gegenüber den Wählern und Wählerinnen und der Bevölkerung darstellt. Was diese Koalition jetzt bietet, ist ja doch ein ständiger Krampf, um nicht zu sagen ein ständiges Gewürge. Das kann ja keinerlei Attraktivität auslösen. Das kann keinen begeistern. Gerade in einer Zeit, wo es uns ohnehin wirtschaftlich schlecht geht, muss dieser ewige Kleinkrieg doch zermürben und eine denkbar schlechte Optik bieten.

    Probst: Kann Herr Steinbrück auf der anderen Seite die Signalwirkung bundespolitisch gesehen außer acht lassen?

    Farthmann: Ich glaube, man darf das nicht überschätzen. Erstens muss man doch ganz eindeutig sagen, dass die Schnittmenge, wie man das heute nennt - also die möglichen gemeinsamen Ziele in politischen Bereichen - auf der Landesebene völlig anders aussehen oder zumindest aussehen können als auf Bundesebene. Das ist hier auch der Fall, glaube ich. Insofern sagt das Funktionieren einer Koalition auf Landesebene nichts über das Funktionieren einer gleichen Koalition auf Bundesebene aus und umgekehrt. Zum zweiten glaube ich auch - sie haben das bisher zumindest bewiesen -, dass das Machtinteresse und das Machtstreben der Grünen so ausgeprägt sind, dass sie sich sozusagen nicht aus verschmähter Liebe auf Landesebene dazu hinreißen ließen, nun auch auf Bundesebene die Liebe aufzukündigen. Ich glaube, dass das ziemlich ungefährdet ist. Da wird doch weitgehend rational - hoffe ich jedenfalls - gedacht und nach konkreten Interessenlagen, und nicht nach irgendwelchen Gefühlswallungen.

    Probst: Auf der anderen Seite hat Herr Steinbrück natürlich Recht, wenn er sagt, die Landesinteressen stehen obenan. Wenn er auf die eigenen sprich die SPD-Werte im Lande blickt und dann nach Bremen. Da wurde ja auch exerziert, wie es andersherum besser gehen kann.

    Farthmann: So ist es.

    Probst: Bleiben wir beim Stichwort Signalwirkung, Herr

    Farthmann: Wenn man da in größeren Zeiträumen denkt, hat ja ein sozialliberales Bündnis in Düsseldorf auch schon einmal Pate gestanden - im Dezember 1966 war das, glaube ich -, was sich später auf die Bundesrepublik...

    Farthmann: Ja, es hat mehrere sozialliberale...

    Probst: ...Richtig...

    Farthmann: ... Episoden, Epochen in Düsseldorf gegeben. Ich selbst habe auch in den ersten fünf Jahren, als ich hier in Nordrhein-Westfalen Arbeitsminister war, von 1975 bis 1980, in einer FDP-SPD-Koalition gewirkt. Dass das zusammen geht und gehen kann, zeigt im übrigen ja auch schon im Augenblick seit einigen Jahren Rheinland-Pfalz. Daran ist glaube ich nicht zu zweifeln. Die Schwierigkeit ist nur, dass hier die FDP sozusagen neu angefangen hat und keiner so richtig weiß, was davon zu halten ist.

    Probst: Aber wenn, dann - so habe ich Ihre Empfehlung verstanden - sofort die Zäsur und der Neuanfang - kein Gewürge mehr?

    Farthmann: Wenn man das aus wahltaktischen Gründen sieht, kann man sagen, jeder Monat länger dieses Gewürges kann für die SPD nur die Wahlaussichten verschlechtern.

    Probst: Friedhelm Farthmann war das, ehemals Fraktionsvorsitzender der SPD im Düsseldorfer Landtag. Ich danke Ihnen, Herr Farthmann.