Jochen Spengler: Vor uns liegt das Wahljahr 2009. Bundestagswahl im Herbst, im Spätsommer Landtagswahlen im Saarland, in Sachsen und in Thüringen, im Frühsommer die Europawahl im Mai, die Wahl des Bundespräsidenten und in vier Wochen schon, am 18. Januar, nach den Monate währenden Ypsilanti-Festspielen die Neuwahl des Landtags in Hessen. Rot/rote Koalitionen auf Länderebene seien für die SPD eine Chance zur Profilierung, sagt SPD-Chef Müntefering, und Kanzlerkandidat Steinmeier meint, er halte es trotz der schlechten Umfragewerte für möglich, dass die SPD bei der Hessen-Wahl stärkste Partei werde. – Wir wollen einen professionellen Wahlforscher fragen, ob dies frommes Wunschdenken vor dem Weihnachtsfest ist, oder eine realistische Möglichkeit. Guten Morgen, Dieter Roth, Gründer und langjähriger Leiter der Forschungsgruppe Wahlen und jetzt Professor an der Uni Heidelberg.
Dieter Roth: Einen schönen guten Morgen!
Spengler: Herr Roth, beginnen wir am Ausgangspunkt. Wo steht die SPD derzeit in den Umfragen für Hessen?
Roth: Die SPD ist eindeutig hinter der Union, und zwar ist das auch ein sehr deutlicher Abstand. Aber die Umfragen, die bisher veröffentlicht worden sind, sind natürlich weit weg vom Wahltermin gemacht und die Ferien jetzt über Weihnachten, die Feiertage, die werden nicht sehr politisch werden bei den vielen Leuten. Die Leute kümmern sich jetzt im Moment mal um das Fest. Diese Umfrageergebnisse sagen wirklich nicht sehr viel aus.
Spengler: Besteht denn nach aller Erfahrung, die Sie haben, eine Chance für die SPD, in den verbleibenden vier Wochen den Vorsprung der Union zu egalisieren?
Roth: Völlig unmöglich ist das nicht. Auch im letzten Jahr haben diese Endergebnisse, die wir dann am 27. Januar gesehen haben, erst in den letzten beiden Wochen sich herausgestellt. Allerdings war der Abstand damals in der vergleichbaren Zeit im Dezember keinesfalls so groß, wie er es im Moment ist.
Spengler: Wie groß ist denn der Abstand jetzt?
Roth: Der Abstand liegt etwa bei 10 bis 12 Prozentpunkten, aber der kann sich, wie gesagt, sehr stark verengen. Das wahrscheinlichste Ergebnis ist es nicht, dass die beiden so dicht aufeinander kommen, wie es im Januar dieses Jahres war.
Spengler: Nun hat SPD-Vize Steinmeier auch gesagt, der sozialdemokratische Spitzenkandidat in Hessen, Thorsten Schäfer-Gümbel, präsentiere sich gut und das werde bei den Hessen Eindruck hinterlassen. Ist er ein Zugpferd?
Roth: Er präsentiert sich gut. Das ist richtig. Allerdings mehr als die Hälfte der Leute kann ihn gar nicht beurteilen, weil er noch völlig unbekannt ist und die Leute sind zunächst einmal vorsichtig. Wenn sie jemand nicht kennen, dann verdammen sie ihn nicht. Dann bekommt er eher ein leicht positives Urteil. Aber wenn sie ihn nicht kennen, beurteilen sie ihn eben auch nicht. Das ist nicht der Punkt, in dem die SPD wirklich groß gewinnen kann.
Es gibt einen anderen Punkt und dieser ist ganz einfach, dass sich in den wichtigsten Problemfeldern seit dem Januar nichts geändert hat. Die Parteikompetenzen, die wir im Januar letzten Jahres gemessen haben, die sind immer noch dieselben. Es gibt ein wichtigstes Problem in Hessen, damals und heute, und das ist zunächst einmal die Bildungspolitik und die Familienpolitik. Da ist die SPD vorne, so wie sie es damals war, fast in gleich großen Zahlen. Und es gibt natürlich die Arbeitslosigkeit und die Wirtschaftspolitik, und da ist die Union vorne. Da sind die Sachen wie vor einem Jahr und da könnte durchaus noch etwas geschehen.
Spengler: Nun war es ja vor einem Jahr verdammt knapp. Roland Koch hatte deutlich verloren. Wie steht es jetzt um ihn? Wollen die Hessen Roland Koch behalten?
Roth: Roland Koch hat die gleiche Beurteilung wie im Januar dieses Jahres, also eine Nicht-Beurteilung. Auf der Plus-Minus-Skala liegt er auf dem Nullpunkt. Er polarisiert nach wie vor. Das ist nicht der große Renner für die Union. Es ist die Partei, die dazu gewonnen hat, und es ist auf der anderen Seite die SPD, die deutlich verloren hat, wobei der Verlust der SPD sehr viel deutlicher ist als der ganz kleine Stimmungsgewinn, den die Union hat.
Spengler: Wie wird es am Ende sein? Wird es eine niedrige Wahlbeteiligung geben und die SPD-Sympathisanten gehen nicht hin und die CDU-Sympathisanten gehen hin?
Roth: Das ist der wichtigste Punkt, den Sie da ansprechen: die Wahlbeteiligung. Die Landtagswahlen werden letzten Endes immer mit der Wahlbeteiligung entschieden und im Moment sieht es so aus, als könnte die Union besser mobilisieren als die SPD. Das was die SPD im Januar dieses Jahres geschafft hat, wird ihr wohl nicht wieder gelingen, und das war eigentlich die Ursache für ihr gutes Abschneiden.
Spengler: Nun hat uns Franz Müntefering damit überrascht, dass er sich zu rot-roten Bündnissen auf Landesebene bekannt hat. Was gewinnt die SPD durch so ein Bekenntnis?
Roth: Ich hatte bisher immer gedacht, dass man das den Ländern und den SPD-Parteien in den Ländern frei lässt, ob sie das tun wollen. Dass das jetzt ein Thema ist, das in den Vordergrund geschoben werden soll, ist mir selber auch neu. In der Bevölkerung gibt es da ein allmähliches Umdenken, aber ein sehr, sehr langsames Umdenken.
Spengler: Hat sich durch den Wechsel von Beck zu Müntefering an der SPD-Spitze etwas positiv für die SPD verändert?
Roth: Die einzelnen Parteipolitiker werden durchaus positiv beurteilt. Das sind die beiden "Stones" und das ist auch Franz Müntefering.
Spengler: Die beiden "Stones": Steinbrück und Steinmeier, muss man dazu für Nicht-Insider sagen.
Roth: Die werden recht positiv beurteilt, wobei Steinmeier sogar im Moment auf gleicher Höhe ist wie Frau Merkel. Aber Grundsätzliches hat sich nicht verändert. Die SPD selber wird deutlich schlechter auf der Bundesebene beurteilt als die Union. Da gibt es noch einen langen Weg bis zum Herbst, aber grundsätzlicher ist die Stimmung im Moment eher zu Gunsten der Union als zu Gunsten der SPD.
Spengler: Was ist das Hauptproblem der SPD?
Roth: Es ist nicht die personelle Vertretung; es sind die Inhalte der Politik zum Teil, es ist aber auch die Unsicherheit, die die Leute empfinden, dass dieses eine geschlossene Partei ist.
Spengler: Danke Dieter Roth, Gründer und langjähriger Leiter der Forschungsgruppe Wahlen, jetzt Professor an der Universität Heidelberg.
Dieter Roth: Einen schönen guten Morgen!
Spengler: Herr Roth, beginnen wir am Ausgangspunkt. Wo steht die SPD derzeit in den Umfragen für Hessen?
Roth: Die SPD ist eindeutig hinter der Union, und zwar ist das auch ein sehr deutlicher Abstand. Aber die Umfragen, die bisher veröffentlicht worden sind, sind natürlich weit weg vom Wahltermin gemacht und die Ferien jetzt über Weihnachten, die Feiertage, die werden nicht sehr politisch werden bei den vielen Leuten. Die Leute kümmern sich jetzt im Moment mal um das Fest. Diese Umfrageergebnisse sagen wirklich nicht sehr viel aus.
Spengler: Besteht denn nach aller Erfahrung, die Sie haben, eine Chance für die SPD, in den verbleibenden vier Wochen den Vorsprung der Union zu egalisieren?
Roth: Völlig unmöglich ist das nicht. Auch im letzten Jahr haben diese Endergebnisse, die wir dann am 27. Januar gesehen haben, erst in den letzten beiden Wochen sich herausgestellt. Allerdings war der Abstand damals in der vergleichbaren Zeit im Dezember keinesfalls so groß, wie er es im Moment ist.
Spengler: Wie groß ist denn der Abstand jetzt?
Roth: Der Abstand liegt etwa bei 10 bis 12 Prozentpunkten, aber der kann sich, wie gesagt, sehr stark verengen. Das wahrscheinlichste Ergebnis ist es nicht, dass die beiden so dicht aufeinander kommen, wie es im Januar dieses Jahres war.
Spengler: Nun hat SPD-Vize Steinmeier auch gesagt, der sozialdemokratische Spitzenkandidat in Hessen, Thorsten Schäfer-Gümbel, präsentiere sich gut und das werde bei den Hessen Eindruck hinterlassen. Ist er ein Zugpferd?
Roth: Er präsentiert sich gut. Das ist richtig. Allerdings mehr als die Hälfte der Leute kann ihn gar nicht beurteilen, weil er noch völlig unbekannt ist und die Leute sind zunächst einmal vorsichtig. Wenn sie jemand nicht kennen, dann verdammen sie ihn nicht. Dann bekommt er eher ein leicht positives Urteil. Aber wenn sie ihn nicht kennen, beurteilen sie ihn eben auch nicht. Das ist nicht der Punkt, in dem die SPD wirklich groß gewinnen kann.
Es gibt einen anderen Punkt und dieser ist ganz einfach, dass sich in den wichtigsten Problemfeldern seit dem Januar nichts geändert hat. Die Parteikompetenzen, die wir im Januar letzten Jahres gemessen haben, die sind immer noch dieselben. Es gibt ein wichtigstes Problem in Hessen, damals und heute, und das ist zunächst einmal die Bildungspolitik und die Familienpolitik. Da ist die SPD vorne, so wie sie es damals war, fast in gleich großen Zahlen. Und es gibt natürlich die Arbeitslosigkeit und die Wirtschaftspolitik, und da ist die Union vorne. Da sind die Sachen wie vor einem Jahr und da könnte durchaus noch etwas geschehen.
Spengler: Nun war es ja vor einem Jahr verdammt knapp. Roland Koch hatte deutlich verloren. Wie steht es jetzt um ihn? Wollen die Hessen Roland Koch behalten?
Roth: Roland Koch hat die gleiche Beurteilung wie im Januar dieses Jahres, also eine Nicht-Beurteilung. Auf der Plus-Minus-Skala liegt er auf dem Nullpunkt. Er polarisiert nach wie vor. Das ist nicht der große Renner für die Union. Es ist die Partei, die dazu gewonnen hat, und es ist auf der anderen Seite die SPD, die deutlich verloren hat, wobei der Verlust der SPD sehr viel deutlicher ist als der ganz kleine Stimmungsgewinn, den die Union hat.
Spengler: Wie wird es am Ende sein? Wird es eine niedrige Wahlbeteiligung geben und die SPD-Sympathisanten gehen nicht hin und die CDU-Sympathisanten gehen hin?
Roth: Das ist der wichtigste Punkt, den Sie da ansprechen: die Wahlbeteiligung. Die Landtagswahlen werden letzten Endes immer mit der Wahlbeteiligung entschieden und im Moment sieht es so aus, als könnte die Union besser mobilisieren als die SPD. Das was die SPD im Januar dieses Jahres geschafft hat, wird ihr wohl nicht wieder gelingen, und das war eigentlich die Ursache für ihr gutes Abschneiden.
Spengler: Nun hat uns Franz Müntefering damit überrascht, dass er sich zu rot-roten Bündnissen auf Landesebene bekannt hat. Was gewinnt die SPD durch so ein Bekenntnis?
Roth: Ich hatte bisher immer gedacht, dass man das den Ländern und den SPD-Parteien in den Ländern frei lässt, ob sie das tun wollen. Dass das jetzt ein Thema ist, das in den Vordergrund geschoben werden soll, ist mir selber auch neu. In der Bevölkerung gibt es da ein allmähliches Umdenken, aber ein sehr, sehr langsames Umdenken.
Spengler: Hat sich durch den Wechsel von Beck zu Müntefering an der SPD-Spitze etwas positiv für die SPD verändert?
Roth: Die einzelnen Parteipolitiker werden durchaus positiv beurteilt. Das sind die beiden "Stones" und das ist auch Franz Müntefering.
Spengler: Die beiden "Stones": Steinbrück und Steinmeier, muss man dazu für Nicht-Insider sagen.
Roth: Die werden recht positiv beurteilt, wobei Steinmeier sogar im Moment auf gleicher Höhe ist wie Frau Merkel. Aber Grundsätzliches hat sich nicht verändert. Die SPD selber wird deutlich schlechter auf der Bundesebene beurteilt als die Union. Da gibt es noch einen langen Weg bis zum Herbst, aber grundsätzlicher ist die Stimmung im Moment eher zu Gunsten der Union als zu Gunsten der SPD.
Spengler: Was ist das Hauptproblem der SPD?
Roth: Es ist nicht die personelle Vertretung; es sind die Inhalte der Politik zum Teil, es ist aber auch die Unsicherheit, die die Leute empfinden, dass dieses eine geschlossene Partei ist.
Spengler: Danke Dieter Roth, Gründer und langjähriger Leiter der Forschungsgruppe Wahlen, jetzt Professor an der Universität Heidelberg.