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Roth: Zusammenhang zwischen Erfolg und hohen Löhnen besteht nicht

Mit der 1:12-Initiative wollen die Schweizer Jungsozialisten Managergehälter auf das Zwölffache des niedrigsten Mitarbeiterlohns beschränken. Niemand solle in einem Monat mehr verdienen als eine andere Person pro Jahr, rechtfertigt der Chef der Jusos, David Roth, die Volksinitiative.

David Roth im Gespräch mit Peter Kapern |
    Peter Kapern: Seit Friedrich Engels im Jahr 1848 vor der preußischen Polizei in die Schweiz geflüchtet worden ist, dürfte das Land dem Sozialismus nicht mehr so nahe gewesen sein wie derzeit. Vor Kurzem stimmte eine Mehrheit der Eidgenossen dafür, das Anwachsen der Managergehälter dadurch zu stoppen, dass künftig die Eigentümer eines Unternehmens und nicht mehr die Vorstände und Verwaltungsräte selbst über die Bezahlung bestimmen - eine Gesetzesinitiative, die seither auch hierzulande in Deutschland heftig diskutiert wird.
    Und nun holen die Schweizer zum nächsten Schlag gegen die Auswüchse des Kapitalismus aus: Im Herbst wird über eine weitere Initiative abgestimmt, und die heißt1:12. Sie will erreichen, dass das höchste Gehalt, das ein Manager kassieren darf, maximal zwölfmal so hoch sein darf wie das niedrigste Gehalt, das im selben Unternehmen gezahlt wird. Auf den Weg gebracht haben diese Initiative die Schweizer Jusos, und deren Präsident ist David Roth. Guten Morgen, Herr Roth!

    David Roth: Guten Morgen, Herr Kapern.

    Kapern: Herr Roth, die Schweizer Landesflagge ist ja bereits rot, man müsste jetzt nur noch das weiße Kreuz gegen Hammer und Sichel austauschen. Wie lange dauert das noch?

    Roth: Ich glaube, um das geht es hier gar nicht. Ich glaube, es geht wieder darum, dass man der Wirtschaft ein bisschen Menschenverstand zurückbringt, dass man Anstand zurückbringt, und das waren immer auch Werte, die die Schweiz geprägt haben in der Vergangenheit. Wenn man in die Vergangenheit zurückschaut, dann ist die Schweiz erfolgreich geworden bei einem Lohnverhältnis, das deutlich tiefer war. Noch 1984 waren wir bei den 100 größten Unternehmen bei 1:6, noch1998 bei knapp 1:12, und die Exzesse, die haben eigentlich erst in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen. Ich glaube, wir liegen gut in der Schweizer Tradition mit dieser Initiative.

    Kapern: Warum denn nun ausgerechnet 1:12? Warum nicht 1:11 oder 1:20?

    Roth: Niemand soll in einem Monat mehr verdienen als eine andere Person pro Jahr. Ich glaube, das ist ein vernünftiges Verhältnis.

    Kapern: Nun gilt die Schweiz vielen Deutschen einfach auch ökonomisch als Insel der Glückseligen. Warum halten Sie so ein rigides Einschreiten überhaupt für nötig?

    Roth: Was viele Deutsche nicht wissen ist, dass wir beispielsweise weniger Vermögen haben auf die Person, wenn man eben nicht den Durchschnitt, sondern den Median nimmt, das heißt, wenn man schaut, was ist denn real bei den Leuten vorhanden, bei der großen Mehrheit. Es gibt zwar einige sehr, sehr reiche Leute, aber der Durchschnitt der Schweizerinnen und Schweizer, also der normale Arbeitnehmer, der hat weniger Vermögen, als ein deutscher Arbeiter beispielsweise hat. In diesem Sinne hat diese Ungleichverteilung in der Schweiz ein exorbitantes Ausmaß angenommen, und da muss man auch handeln. Das andere ist wirklich: das Erfolgsmodell Schweiz, das immer wieder hier beschworen wird, das fußt auf den Leistungen, auf der Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer und nicht auf jenen, die oben abkassieren.

    Kapern: Aber es beruht doch auch auf der Leistungsbereitschaft der Manager, oder?

    Roth: Ja selbstverständlich. Nur hat es immer schon auch auf der Leistungsbereitschaft der Führungskräfte beruht; nur haben die Führungskräfte sich nicht dermaßen schamlos bedient und die Schweiz zu einem Selbstbedienungsladen gemacht. Die Löhne in der Schweiz, die stagnieren seit 15 Jahren bei den tieferen Löhnen, bei den mittleren Löhnen, während die Produktivitätsgewinne nur vom obersten Prozent abkassiert werden, und das ist keine gerechte Verteilung mehr, ist auch nicht mehr eine gerechte Verteilung des gemeinsam erarbeiteten Wohlstands.

    Kapern: Nun kritisieren Sie auch, dass Manager bei immer höheren Gehältern auch immer höhere ökonomische Risiken eingehen. Kann man denn mit Blick auf die Wirtschaftsdaten Ihres Landes nicht auch genau umgekehrt argumentieren, dass bei immer höheren Managergehältern Schweizer Unternehmen immer erfolgreicher geworden sind?

    Roth: Nein, das kann man nicht sagen. Jene, die in dieser ganzen Abzockerei Vorreiter waren, beispielsweise die UBS und die Swissair, die haben ihre Betriebe an die Wand gekarrt. Swissair heißt jetzt Swiss und gehört der Lufthansa und die UBS musste vom Staat gerettet werden. Das waren jene, die die höchsten Boni bezahlt haben und die höchsten Managerlöhne bezahlt haben. Der Zusammenhang zwischen Erfolg und hohen Löhnen, der besteht nicht. Häufig ist sogar das Gegenteil der Fall.

    Kapern: Haben Sie eigentlich auch Sympathie für ein Rechtsgut wie beispielsweise die Vertragsfreiheit?

    Roth: Ja selbstverständlich. Nur ich glaube, Freiheit bedingt immer auch Verantwortung, und Manager, die diese Freiheiten wahrnehmen, ohne gleichzeitig verantwortlich zu handeln, die bedingen eben ein Eingreifen des Staates. Das ist genau gleich wie beim Tempolimit: Weil sich nicht alle Leute an das Tempolimit, an vernünftige Tempos von sich aus halten, hat der Staat Tempolimits definiert, und das gilt auch für die Wirtschaft. Dort braucht man Leitplanken, damit das nicht überbordet.

    Kapern: Nun hat kürzlich eine Umfrage ergeben, dass 49,5 Prozent der Schweizer durchaus Sympathie haben für Ihre Initiative. Rechnen Sie mit einem Erfolg im Herbst?

    Roth: Ja wie Sie sagen: Im Moment steht es 49,5 zu 40 Prozent, die dagegen sind. Das heißt, es gibt durchaus eine Chance für diese Initiative. Wir müssen jetzt vor allem noch in den nächsten Wochen zulegen, weil in der Tendenz verliert man gegen Ende. Ich glaube, sie hat Chancen, und zwar deshalb, weil mit der Initiative über die Abzockerei vom März haben die Schweizerinnen und klar gesagt, wir wollen wieder die Regeln definieren in der Wirtschaft. Und ich glaube, das ist ein bisschen ein Dogmawechsel, das auch der 1:12-Initiative zugutekommen könnte.

    Kapern: Herr Roth, wie soll das denn praktisch aussehen? Wenn tatsächlich diese Initiative angenommen und dann in ein Gesetz umgesetzt wird, bekommt dann die Schweiz eine Lohnkontrollbehörde, die in jede einzelne Lohntüte guckt, jeden Monat?

    Roth: Nein, es ist viel einfacher. Jedes Unternehmen hat einen Geschäftsbericht und der wird jeweils revidiert von einer Revisionsstelle, einer unabhängigen, und da müssen sie zwei Zahlen reinschreiben, nämlich den höchsten und den tiefsten Lohn, und dann haben sie das erledigt.

    Kapern: Nun freuen sich möglicherweise ja schon die ganzen Nachbarn der Schweiz auf all die Unternehmen, die, wenn es denn tatsächlich so kommt, der Schweiz dann den Rücken kehren. Und in ein paar Jahren, Herr Roth, bekommen Sie dann vielleicht den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg für die beste Wirtschaftsförderung im Ländle. Haben Sie das einkalkuliert?

    Roth: Wissen Sie, in der Schweiz betrifft diese Initiative 99,7 Prozent der Unternehmen nicht, sondern 0,3 Prozent der Unternehmen. Und auch bei diesen 0,3 Prozent, die sind nicht in der Schweiz, weil man hier Abzockerlöhne bezahlen kann; die sind in der Schweiz, weil wir über eine sehr gute Infrastruktur und über sehr gut ausgebildete Leute verfügen. In der Schweiz ist auch die Leistungsbereitschaft hoch, wie sicher auch in Deutschland sie hoch ist. Aber ich glaube, der Erfolg der Unternehmen, der basiert eben genau auf den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, und das wissen diese Unternehmen haargenau. Und dann ist ja noch dieser Steuervorteil, den die Schweizer Unternehmen dann eben auch genießen, und ob man dann den Aktionärinnen und Aktionären, die mit Zweidritteln zu einer Verlegung des Sitzes Ja sagen müssen, klar machen muss, dass wegen ein paar Dutzend Abzockern das ganze Unternehmen in ein anderes Land verlegt werden müsste, dann, glaube ich, sind wir sicher an der Realität näher, dass das dann nicht der Fall sein wird.

    Kapern: David Roth war das, der Präsident der Schweizer Jusos. Herr Roth, vielen Dank für das Gespräch, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.

    Roth: Danke auch vielmals.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.